110 Jahre: Älteste Schweizerin ist heute noch eine stolze Reitnauerin

Als Alice Schaufelberger am 11. Januar 1908 in Reitnau zur Welt kommt, wird der Grand Canyon zum «National Monument» erklärt, in Deutschland herrschte ein Kaiser und die Pferdepostkutsche verbindet das Dorf mit der «grossen weiten Welt» – sprich mit Schöftland oder Aarau. Alice Schaufelberger erlebte zwei Weltkriege, mehrere Wirtschaftskrisen und vor allem das Entstehen einer hochtechnisierten Welt.

Alice Schaufelberger-Hunziker ist am Donnerstag 110 Jahre alt geworden. Damit ist sie wohl auch die älteste Schweizerin. Am 28. Dezember ist in Köniz Frieda Binz gestorben, die genau einen Tag älter war als Alice Schaufelberger. Alice Schaufelberger lebt seit Anfang Woche in Winterthur. Weil das Altersheim Grünhalde in Zürich-Seebach – wo sie zuvor viele Jahre lebte – renoviert wird, musste sie im hohen Alter noch einmal umziehen. In Winterthur hat sie ihren Geburtstag gefeiert – «in kleinem Rahmen mit ihren nächsten Angehörigen», wie Iris Ritte, Geschäftsführerin des Altersheims Grünhalde sagte. «Alice Schaufelberger ist auch jetzt noch teilweise mobil und geistig wach, auch wenn sie gelegentlich das Eine oder Andere vergisst», sagt Ritte.

«Meine Eltern hatten wenig Geld, trotzdem erlebten wir eine zufriedene Kindheit», blickt die Jubilarin zurück. «Manchmal haben uns die Nachbarn Sauerkraut und Speck geschenkt. Dann assen wir immer besonders viel», erzählt sie. Die Jubilarin war ein ganz kleines und nicht sehr kräftiges Kind. Ihre Eltern fürchteten, die kleine Alice würde nicht lange leben. «Sie erzählt oft von ihrer Kindheit», sagt Ritte. «Sie berichtet vom vielen Schnee, der in ihrer Kindheit im Winter lag.» Ritte beschreibt Alice Schaufelberger als liebenswürdigen Menschen. «Sie denkt mehr an andere als an sich und hat für alle ein freundliches Wort». Sie sei auch immer wieder für ein Spässchen zu haben. Allerdings sei Alice Schaufelberger manchmal etwas traurig. Das Alter mache ihr zu schaffen. Sie sage manchmal: «Warum nimmt mich der Herrgott nicht zu sich.» Alice Schaufelberger ist laut Ritte eine gläubige Reformierte.

Bis vor wenigen Jahren hat sie regelmässig Bücher gelesen. Heute schnappt sie mit einer Lupe noch das eine oder andere aus einer Zeitung auf. Alice Schaufelberger liebt Blumen, sie kann sich aber auch über ein Schokostängelchen freuen. «Alice Schaufelberger ist sehr bescheiden in ihren Ansprüchen», sagt Ritte und nennt das Lieblingsessen der alten Dame: «Sie mag Kartoffelstock, Braten und Karotten».

Zuletzt vor 15 Jahren in Reitnau
Alice Schaufelberger verfolgt heute noch mit Interesse das Weltgeschehen am Radio. Zu ihren Geburtsort pflegte sie lange eine spezielle Beziehung. Dies auch dank zwei Mädchen, die sie in ihrer Jugend gehütet hatte. «Zum einen hatte ich bis vor drei Jahren regelmässig Kontakt», sagt Alice Schaufelberger. Das andere «Mädchen» ist bereits gestorben. Nach Reitnau kam die 110-Jährige zuletzt vor rund fünfzehn Jahren.

Alice Schaufelberger hat nach der Sekundarschule eine Lehre als Verkäuferin im Reformhaus Müller in Zürich absolviert. Dort lernte sie ihren zukünftigen Ehemann Jakob Schaufelberger kennen, mit dem sie über 30 Jahre eine kinderlose, aber glückliche Ehe führte. «Ich habe immer hart gearbeitet, gesund gelebt und viel geschlafen», nennt sie ihr Rezept für das hohe Alter. Obwohl sie gerne mit anderen Bewohnern zusammen ist, liebt sie auch die Ruhe.

Die Aufregung des Umzugs und eine zusätzliche Erkältung machen Alice Schaufelberger an ihrem grossen Geburtstag zu schaffen. Dennoch hofft sie, bald wieder gesund zu sein.

Stadtpräsident gratulierte
Gratulationen gab es auch von offizieller Seite: Der Winterthurer Stadtpräsident Michael Künzle gratulierte ihr im Namen der Stadt mit einem Blumenstrauss und einer Karte. Ob Schaufelberger die älteste Person der Schweiz ist, können aber weder das Altersheim noch das Bundesamt für Statistik (BFS) bestätigen. Die aktuellsten Zahlen des BFS stammen aus dem Jahr 2016, wie es auf Anfrage der hiess.