
13-jähriger Sohn wird Zeuge des Vergewaltigungsversuchs
Es sind Szenen einer konfliktgeprägten Ehe, die an diesem Nachmittag vor dem Gesamtgericht aufgezeichnet werden. Eine Ehe, in der Misstrauen, Streitereien, Beschimpfungen und Schläge offenbar zur Tagesordnung gehörten. Ein Familienleben, über das die zwei gemeinsamen Kinder in Befragungen sagen, sie hätten Angst gehabt vor dem Vater. Und um das Leben der Mutter gefürchtet. Auseinandersetzungen habe es in der Beziehung immer mal gegeben, erklärt die Ehefrau F. vor Gericht. Irgendwann sei ihrem Mann auch mal «die Hand ausgerutscht». 2010 lernt die Schweizerin einen anderen Mann kennen und verliebt sich. Als sie dies ihrem Ehemann gesteht, eskaliert die Situation. Das Ehepaar streitet sich so heftig, dass der Sohn den Notruf wählt. Hauptsächlich wegen den Kindern wollen sie es nach diesem Vorfall nochmal miteinander versuchen.
Situation eskaliert erneut
Anfang 2014 findet der 45-jährige Ehemann H. heraus, dass sich seine Frau bei einem Partnervermittlungsportal angemeldet hat. Er beginnt Beweise für ihre Untreue zu sammeln, wird zunehmend aggressiv. Von einem Freund lässt F. den Auspuff an ihrem Wagen reparieren. H. unterstellt seiner Frau, die Reparatur mit sexuellen Gefälligkeiten bezahlt zu haben. Er ist überzeugt: seine Frau prostituiert sich. An einem Abend im April 2014 soll H. seiner Frau ins Schlafzimmer gefolgt sein. Dort stösst er sie von hinten aufs Bett und hält sie fest. Er versucht, ihre Unterhosen herunterzureissen, sagt ihr, er wolle auch wieder mal Sex. F. fleht ihren Mann an aufzuhören, versucht sich aus der Situation zu befreien. Nach einigen Minuten lässt H. von ihr ab. Dass ihr damals 13-jähriger Sohn den Vergewaltigungsversuch beobachtet, findet F. erst später heraus. Nach diesem Vorfall zieht sie mit den Kindern aus dem gemeinsamen Haus aus.
Danach deckt H. seine Frau mit wüsten Beschimpfungen per Whatsapp ein. Über zwei Seiten werden diese in der Anklageschrift wiedergegeben, darunter Ausdrücke wie «Huerli» oder «Schlampe». «In anderen Ländern würde man Weiber wie dich in den Boden eingraben und steinigen», schreibt er ihr unter anderem. Mitte Mai eskaliert die Situation erneut. H. versteckt in der Handtasche seiner Frau ein Handy, welches mit einer Ortungsfunktion ausgestattet ist. So verfolgt er jeden ihrer Schritte. Er lauert ihr nachts auf einem Parkplatz bei ihrem Auto auf. Nach einem kurzen Gespräch schlägt H. mit den Fäusten auf seine Frau ein. Er packt ihren Kopf und schlägt diesen mehrfach gegen den Autositz. Dabei sagt er zu ihr, er würde sie jetzt «am liebsten kaputt machen». Es gelingt F. mit dem Auto zu entkommen. Später schreibt H. einem Kollegen, er habe seiner Frau «die Fresse poliert».
18 Monate bedingt gefordert
Vor Bezirksgericht streitet H. die Vorwürfe ab. Lediglich die Beschimpfungen gibt er zu. Auf Fragen reagiert H., der seit vier Jahren keinen Kontakt mehr mit seinen Kindern haben will, ausweichend. Lieber lässt er seinen Anwalt sprechen. In seinem Plädoyer erinnert der Verteidiger die anwesenden Richterinnen mehrmals daran, dass es für Frauen schwer vorstellbar sei, wie ein Mann denke. Von der Ehefrau zeichnet er ein miserables Bild. Beim Vorfall auf dem Parkplatz sei es F. gewesen, die zuerst zugeschlagen habe. H. habe sich lediglich gewehrt. «Sie ist kein Schäfchen», sagt der Verteidiger. Er zeigt ein Foto im Gerichtssaal herum, welches F. auf dem Sofa liegend, bekleidet mit einem Slip und einem Hemdchen, zeigt. Es sei einige Tage nach dem angeblichen Vergewaltigungsversuch aufgenommen worden. «So präsentiert sich keine Frau, die man versucht hat zu vergewaltigen», erklärt der Verteidiger. Dass H. seine Ehefrau beschimpft habe, sei nachvollziehbar, schliesslich sei sie fremdgegangen. Die Staatsanwaltschaft fordert für H. eine bedingte Freiheitsstrafe von 18 Monaten mit einer Probezeit von zwei Jahren sowie eine Geldstrafe und eine Busse. Der Anwalt von F. fordert zudem eine Genugtuung von 16 000 Franken für seine Mandantin. H. bekennt sich lediglich der Beschimpfungen für schuldig. Dafür soll laut seinem Anwalt eine Geldstrafe ausgesprochen werden. Das Urteil ist noch nicht bekannt.