24 Stunden offen und kein Personal: Valora expandiert mit unbedienten Avec-Shops

Das Gipfeli und der Kaffee am Morgen. Das Sandwich und der Energydrink über Mittag. Das Bier und die Chips auf dem Nachhauseweg. Es waren vor allem diese Einkäufe von Pendlerinnen und Pendler, die dem Kioskkonzern Valora in den letzten eineinhalb Jahren seit Pandemieausbruch fehlten. Das Home-Office-Regime war Gift für die Umsätze der Valora-Shops wie Brezelkönig, Avec, Caffè Spettacolo oder Press&Books, die mehrheitlich an Bahnhöfen stehen.

Valora-Chef Michael Mueller will mit verschiedenen Avec-Formaten stark expandieren.

Valora-Chef Michael Mueller will mit verschiedenen Avec-Formaten stark expandieren.

Roland Schmid / SON

Doch Valora-Chef Michael Mueller gibt sich dennoch zuversichtlich, wie er am Mittwoch bei der Halbjahrespräsentation vor einer kleinen Journalistengruppe erklärte. Denn langsam kommen die Pendlerströme zurück – und damit auch die Umsätze. Zwar liegt der Umsatz noch 19 Prozent unter dem Vorkrisen-Niveau von 2019 und das Gesamtergebnis ist rot. Doch in den ersten sechs Monaten resultierte zumindest ein positives Betriebsergebnis von 7,4 Millionen Franken, gegenüber einem Minus von 1,9 Millionen im Vorjahr.

300 Avec-Shops bis nächstes Jahr

Muellers Glaube an die Rückkehr der mobilen Kundschaft ist gross. Bis 2023, so rechnet er vor, dürften zwar 5 Prozent der Kundschaft wegen des Home Office noch immer fehlen. Doch die Verlagerung vom Auto hin zum öffentlichen Verkehr und das Bevölkerungswachstum würden dieses Manko wettmachen. Gross ist auch Muellers Expansionshunger – insbesondere mit der Marke Avec. Vom so genannten Convenience Shop – einem Mix aus Fast-Food-Anbieter und Mini-Supermarkt – betreibt Valora heute 172 Standorte. «Bis Ende nächsten Jahres werden es rund 300 sein», sagt Mueller.

Auch die 56 Brezelönig-Filialen gehören zum Valora-Konzern aus Muttenz BL.

Auch die 56 Brezelönig-Filialen gehören zum Valora-Konzern aus Muttenz BL.

Andreas Kaufmann / Canon EOS 40D

Dabei setzt der Konzern vermehrt auf Filialen ohne Personal unter dem Namen «Avec Box». Der Zutritt und die Bezahlung erfolgt per Smartphone-Registrierung und Scan. Valora lancierte dieses autonome Shopkonzept 2019 mit einer Testfiliale im Zürcher Hauptbahnhof. Es folgten weitere Standorte an der ETH Zürich Hönggerberg, am Zürcher Hardplatz, in Arlesheim BL und Urdorf ZH. Offenbar mit Erfolg. «Diese autonomen Avec-Shops werden mindestens so wichtig wie die üblichen Geschäfte», sagt Mueller.

Der Vorteil aus Firmensicht: Längere Öffnungszeiten bis zu 24 Stunden – und weniger Personalkosten. Andererseits hat Valora ein ähnliches, unbemanntes Konzept am Hauptbahnhof, den «Avec X» wieder geschlossen. Fragt sich also, wie gefragt die unbediente Kasse bei der Kundschaft wirklich ist, oder ob viel mehr der Kostenfaktor die treibende Kraft dahinter ist. Kritisch beurteilt wird das 24-Stunden-Shopkonzept denn auch von den Gewerkschaften.

Tankstellenshops bei Ruedi Rüssel

Mueller deutet an, dass weitere solcher Avec-Boxen an SBB-Bahnhöfen folgen werden. «Wir haben eine Zahl, die wir aber noch nicht kommunizieren.» Zudem werden sie vermehrt auch an Tankstellen zum Einsatz kommen. Denn per Anfang 2022 übernimmt der Muttenzer Detailhändler 39 Tankstellenshop der Firma Moveri, die mehrheitlich unter der Marke Aperto geführt werden. Sie stehen an Zapfsäulen von Ruedi Rüssel oder Miniprix. Mit der Übernahme verdoppelt Valora zudem sein Netzwerk an Schweizer Tankstellen auf rund 100 Shops. Die Moveri-Standorte werden zu Avec-Filialen umfunktioniert– mit oder ohne Personal.

An zahlreichen Ruedi-Rüssel-Tankstellen wird künftig ein Avec-Shop stehen.

An zahlreichen Ruedi-Rüssel-Tankstellen wird künftig ein Avec-Shop stehen.

Uz / COOLPIX

Die unbemannte Avec-Box hat zudem die Deutsche Bahn überzeugt. In der Nähe von Hamburg hat das Zugunternehmen an einem Bahnhof einen «24/7 Service Store» eröffnet mit der Technologie von Valora. «Es hatten sich auch andere Anbieter dafür beworben, umso mehr freut uns dieser Zuschlag», sagt Mueller. Denn wenn die Deutsche Bahn mit dem Konzept zufrieden ist, bietet sich Valora ein grosses Ausbaupotenzial.

Doch kommt nicht irgendwann der US-Riese Amazon mit seinen eigenen Self-Service-Shops? «Amazon wird kommen, klar», sagt Mueller. Er rechne aber eher damit, dass der Internetriese seine Shop-Technologie den hiesigen Händlern anbieten werde, anstatt eigene Shops zu betreiben.

Der Angriff auf das Selecta-Territorium

Selecta erhält Konkurrenz bei der Expansion mit Snackautomaten.

Selecta erhält Konkurrenz bei der Expansion mit Snackautomaten.

Claudia Meier / Aargauer Zeitung

Ausserdem will es Mueller mit einem anderen Konkurrenten aufnehmen: Dem Snackautomaten-Betreiber Selecta. Einerseits wolle man Self-Service-Snackecken und -Regale in Firmen und Universitäten einrichten, ebenfalls mit der Marke Avec. «Im Zuge der Pandemie haben einige Unternehmen ihr Kantinen-Angebot reduziert.»

Auch seien eigene Snackautomaten geplant, und diese sollen auch an Bahnhöfen zu stehen kommen – dort also, wo Selecta die unangefochtene Nummer 1 ist. Für Mueller ist deshalb klar: «Der Wettbewerb wird grösser.»