300 Franken Prämie für Geimpfte, 100 Franken Busse für Ungeimpfte – «und im November feiern wir den Freedom Day»

Muss man bald für Coronatests bezahlen oder nicht? Der Bundesrat wird sich kommenden Freitag erneut über diese Frage unterhalten. Diesmal fällt er aller Voraussicht nach einen Entscheid.

Im August hatten sich die SVP-Bundesräte Ueli Maurer und Guy Parmelin für die Kostenpflicht eingesetzt. Gesundheitsminister Alain Berset (SP) war hingegen dafür, dass die Tests gratis bleiben. Die Magistraten der SVP setzten sich mit der Unterstützung ihrer FDP-Amtskollegen durch. Vom 1.Oktober an seien die Tests nicht mehr gratis, entschied der Bundesrat.

Maurer und Parmelin haben ihre Meinung inzwischen geändert. Mit der Erweiterung der Zertifikatspflicht sei die Ausgangslage nicht mehr gleich, finden sie. Die Ungeimpften sollen nicht weiter schlechtergestellt und für die Tests zur Kasse gebeten werden.

Nun könnte man annehmen, dass es in der Regierung eine Mehrheit gibt für Gratistests. Aber Alain Berset sei genervt vom Hin und Her. Zumal eine neue Konsultation der Kantone nötig wäre, wollte der Bundesrat seinen im August gefällten Entscheid umstossen. Das will die Regierung vermeiden.

Kosten betragen nur 35 Prozent der budgetierten Summe

Es ist möglich, dass die Regierung die Kostenpflicht später einführt als geplant. Auch könnten Gruppen – wie Menschen, welche die erste Impfung absolviert haben – von der Zahlung befreit werden. Dass die Tests für alle gratis bleiben, ist aber wenig wahrscheinlich.

Von einem Impfzwang will zwar niemand sprechen. Aber es zeigt sich: Einen gewissen Druck auf die Impfskeptiker auszuüben, bleibt nicht ohne Wirkung. Die Zahl der Impfungen in der Schweiz steigt seit der Ausdehnung der Zertifikatspflicht deutlich an. Die Quote ist aber noch recht weit vom hohen Wert Dänemarks entfernt. Das Land hat sämtliche Corona-Massnahmen aufgehoben.

Wer die Kostenpflicht einführen will, ist dagegen, dass die Allgemeinheit für die Impfunwilligen bezahlt. Wie viel Geld gibt der Bund für die Coronatests aus? Auf Anfrage teilt das Bundesamt für Gesundheit mit: Offizielle sind es seit dem Ausbruch der Pandemie 366,2 Millionen Franken.

Der Betrag umfasst den Zeitraum vom dritten Quartal 2020 bis zum Ende des ersten Quartals dieses Jahres. Für das zweite Quartal 2021 sind noch keine Daten erhältlich. Und: Da die Meldefrist für Abrechnungen neun Monate beträgt, ist es möglich, dass sich die Summe nachträglich erhöht. Im ersten Quartal dieses Jahres waren es bisher 172,4 Millionen Franken.

Altbundesrat Blocher pocht auf Selbstverantwortung

Rechnet man die Kosten hoch auf das ganze Jahr, kommt man auf rund 700 Millionen. Zu berücksichtigen ist: Einerseits unterziehen sich viele Menschen seit der Einführung der ausgeweiteten Zertifikatspflicht Mitte September mehr Tests. Anderseits konnten die zweifach Geimpften die Zahl ihrer Tests reduzieren.

Um die 800 Millionen Franken wird der Bund im laufenden Jahr für Coronatests ausgeben. Das ist ein hoher Betrag – aber: Der Bund hatte mit viel höheren Kosten gerechnet. Die Regierung bewilligte 2,5 Milliarden für Coronatests. Die Summe wird nicht annähernd erreicht. Als die Ausgaben für die Pandemie in diesem Jahr veranschlagt wurden, wusste man noch nicht, dass bald Impfstoffe für die ganze Bevölkerung verfügbar sind.

Das Geld ist also nicht das Problem. Der Bund könnte noch lange für die Tests aufkommen. Die FDP und mit ihr SVP-Altbundesrat Christoph Blocher finden aber, dass eine gewisse Selbstverantwortung wahrnehmen sollte, wer sich nicht impfen lassen will. Auf diesen Kurs scheint die Landesregierung nun einzuschwenken.

Auch wenn Ueli Maurer und Guy Parmelin wohl noch einmal versuchen werden, die Kostenpflicht zu kippen. Die SVP-Fraktion hat eine Motion aufgesetzt, die eine Weiterführung der Gratistests verlangt. Die SP, die Grünen und die Mitte unterstützten die Forderung; die FDP und die Grünliberalen sind dagegen.

Bodenmann hat einen Plan für das Erreichen der Herdenimmunität

Wenn Coronatests für die getesteten Personen etwas kosten, bedeutet das einen Anreiz zur Impfung. Einen anderen Vorschlag für einen finanziellen Ansporn bringt jetzt der Walliser Hotelier und frühere SP-Präsident Peter Bodenmann ins Spiel: Wer sich impfen lässt oder genesen ist, soll eine Prämie von 300 Franken erhalten. Bodenmann, der einst Gesundheitsdirektor des Kantons Wallis war, ist überzeugt: «Eine solche Belohnung würde jene Menschen zum Impfen motivieren, die noch zögern, aber keine absoluten Impfgegner sind.»

Letztere seien fast unmöglich zu überzeugen, würden wohl aber nur etwa 10 bis 15 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Die faktische Herdenimmunität sei auch ohne diesen Anteil zu erreichen, sagt Bodenmann.

Er hat diese Idee im Kleinen bereits umgesetzt – in seinem eigenen Betrieb in Brig. «Die Angestellten meines Hotels bekommen eine Spesenentschädigung, wenn sie geimpft oder genesen sind oder sich bis Ende Monat ein erstes Mal impfen lassen», sagt er. Das Hotel habe mit dem Walliser Steueramt Abklärungen vorgenommen – diese Auszahlung sei steuerfrei. Und die Erfahrungen seien gut.

Am 11. November sollen Treichler zum Tag der Freiheit aufspielen

Bodenmanns Hotel im Oberwallis ist nicht das einzige Unternehmen, das solche «Motivationsspritzen» verabreicht. Wie Radio SRF am Dienstagmorgen berichtete, bekommen auch beim Berner Warenhaus Loeb alle Mitarbeitenden, die ein Zertifikat vorweisen, einen Zustupf, in Form eines Gutscheins im Wert von 250 Franken.

Der Bund könnte ein vergleichbares Bonus-System auch mit einem kleinen Malus kombinieren, schlägt Bodenmann vor. Wer sich auf keinen Fall impfen lassen wolle, müsste eine einmalige Busse von 100 Franken bezahlen. Das würde das Impftempo beschleunigen, ist der Walliser Hotelier überzeugt: «Die Schweiz könnte schon am 11. 11. 2021 um 11.11 Uhr ausgelassen ihren Freedom-Day feiern», sagt Bodenmann, «mit den Freiheitstrychlern als Corona-Combo.»