50 Jahre Autocenter Emil Frey: Wie der Autoindustrie-Boom den Aargau erreichte und nachhaltig prägte

Ende der 1960er-Jahre erlebte der Autoimport eine stürmische Entwicklung. Um fast 14 Prozent stieg die Zahl der neuen Personenwagen zwischen 1968 und 1969. Zum Vergleich: 2019 betrug der Jahreszuwachs knapp vier Prozent. Weniger gut lief vor 50 Jahren der Gebrauchtwagenmarkt. Die Nachfrage war nicht sonderlich hoch, Occasionen hatten «beim qualitätsbewussten Schweizer Publikum einen etwas zweifelhaften Ruf», wie die Automobil Revue schrieb. Firmen wie die General Motors Suisse versuchten dieses Image durch einheitliche Qualitätskontrollen zu verbessern. Das im Januar 1970 eröffnete Autocenter Safenwil ging noch einen Schritt weiter: Alle Resultate ihres 120-Positionen umfassenden Testprogramms waren für jeden Kaufinteressenten transparent einsehbar. Auf Wunsch konnten die Kunden die Diagnostik des Wagens live an speziellen Besucherpulten mitverfolgen.

Der gute Ruf japanischer Autos

Emil Frey hatte Safenwil seit den frühen 1950er-Jahren zu einem Importzentrum mit einem jährlichen Durchlaufvermögen von 3500 Fahrzeugen aufgebaut. Die ersten 20 Jahre führte er fast ausschliesslich Neuwagen der englischen Marken Austin und Jaguar ein. 1972 eröffnete sein Sohn Walter das Toyota-Importzentrum. Mit dem grössten japanischen Autobauer im Portfolio stieg die Emil Frey AG zur zweitgrössten Autofirma der Schweiz auf. Japanische Autos waren nicht nur gut ausgestattet, sie waren auch technisch zuverlässig. 1950 noch praktisch inexistent, überholte die japanische Autoindustrie 1980 die Autoproduktion der ganzen Welt.

Derweil gelang es Walter Frey eine weitere Marke aus Fernost nach Safenwil zu importieren: Subaru, der erste günstige Nicht-Geländewagen mit Vierradantrieb. Dank geschicktem Marketing und «volksnaher» PR erhielt die von Bernhard Russi präsentierte Marke einen Schweizer Anstrich. Mehr noch: Mit seiner Garantie gegen das Steckenbleiben prägte Subaru die Vorstellung, was ein Personenwagen leisten muss.

Beliebte Amerikaner im Aargau

Seit dem Zweiten Weltkrieg ist die Amag die Nummer eins unter den Schweizer Autokonzernen. 1965 eröffnete die Amag ihr Neuwagenlager im Birrfeld, wo zu dieser Zeit noch mehrheitlich ihr grösster Schlager auf die Auslieferung wartete: der VW Käfer.

Bereits 1949 hatte die Amag in Schinznach-Bad mit dem Zusammenbau von Limousinen der englischen Marke Standard begonnen. Obwohl die Schweizer Handarbeit teurer war als die Fliessbandfertigung im Ausland, ging die Rechnung auf. Die Einfuhr von Halbfabrikaten kostete weniger Fracht und Zoll, weil die Bausätze Arbeitsplätze in der Schweiz schufen. Ihre erfolgreichste Zeit erlebte die Schinznacher Automontage mit den beliebten Chrysler Valiant und Dodge Dart. In den 1960er-Jahren erreichten die Modelle über vierzig Prozent Marktanteil aller Amerikaner in der Schweiz. Doch 1972 musste die Amag vor den steigenden Produktionskosten und den Modellwünschen der Kundschaft kapitulieren. Im Herbst war nach fast 30000 Autos Schluss.

Raststätten wurden zum Motiv auf Postkarten

Die Massenmotorisierung nach dem Zweiten Weltkrieg hat die Schweiz umgestaltet. Superlative seien in der Geschichte selten gerechtfertigt, schrieb der Berner Historiker Christoph Maria Merki 2006. Beim Auto jedoch falle es ihm schwer, dem Urteil seines deutschen Kollegen Kurt Möser zu widersprechen. So heisst es nämlich in Mösers Geschichte des Autos von 2002: «Keine Erfindung des 20. Jahrhunderts hat die Welt so verändert wie das Auto.»

Nur zwei Monate nach dem Autocenter Safenwil öffnete das Shoppingcenter Spreitenbach im März 1970 seine Tore – mit 1500 Gratisparkplätzen. Am Wochenende und in den Ferien konnte damals schon über die Hälfte der Schweizer Haushalte mit dem Auto unterwegs sein. An der Aargauer A1 eröffnete noch im September des gleichen Jahres die hochmoderne Raststätte Kölliken-Nord.

Bis an die Wende zu den 1970er-Jahren herrschte in der breiten Öffentlichkeit noch eine sorglose Lust am Autofahren. Kölliken-Nord oder auch die zwei Jahre später eingeweihte Raststätte Würenlos wurden als Postkartenmotive gedruckt. Mobilität galt damals wie heute als Fortschritt – mit dem Unterschied, dass vor 50 Jahren der motorisierte Individualverkehr noch fast unumstritten war.