Das neue Hallwilerseeschiff wurde in Basel zerlegt – wer lachte, wer bibberte und wo es jetzt durchfährt

Bild: Mario Fuchs AZ
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Dieser Dienstag war im doppelten Sinn ein Hammertag: Über Stunden klopften emsige Mitarbeiter der deutschen Lux-Werft und der Hallwilersee-Schifffahrtsgesellschaft (SGH) mit Hammer und Meissel das Schiff in Einzelteile – unter strahlender Frühsommersonne und blauem Himmel. Das Oberdeck der «MS 2018» (der definitive Name ist noch geheim) war für die Fahrt von Mondorf (D‹) in den Muttenzer Auhafen grösstenteils nur zusammengenutet worden, die Hefte konnten mit ein paar Schlägen gelöst werden. Die wenigen notwendigen Schweissnähte wurden mit einer Flex wieder aufgetrennt.

Vom Vater zum Sohn
Ueli Haller, Gemeindeammann von Meisterschwanden, in diesen Tagen aber rund um die Uhr als Geschäftsführer der Hallwilersee-Schifffahrtsgesellschaft im Einsatz, steht neben dem Hafenkran, wirkt freudig und nervös gleichzeitig und sagt: «Wir haben etwas Verspätung, aber eigentlich ist bis jetzt alles gut gegangen.» Bis zum Pfingstmontagabend war noch nicht einmal klar, ob es die «MS 2018» überhaupt rechtzeitig bis nach Muttenz schaffen würde.

Grund: Der Rhein war Ende letzter Woche nach einer kleinen Havarie eines Frachtschiffes vorübergehend gesperrt worden. So kam es nach Aufhebung der Sperrung zu Staus vor den Schleusen. Am Schluss hatte man einen halben Tag Verspätung, die aber bis gestern Nachmittag wieder aufgeholt werden konnte.

Auf dem unteren Deck packt Burkhard van der Lücht seine Sachen zusammen. Der erfahrene Rheinkapitän fährt sonst eigene Passagierschiffe durch das Rheingau – «Geburtstage, Hochzeiten, Betriebsfeiern». Den Auftrag, die «MS 2018» in die Schweiz zu überführen, erhielt er von Ueli Haller nicht zufällig. «Ich durfte 2010 schon die ‹Seetal› hierher fahren und mein Vater brachte 1990 die ‹Brestenberg›», erzählt van der Lücht. «Es freut mich riesig, dass der Ueli sofort wieder an mich gedacht hat!»

Beim letzten Mal sei es stressiger gewesen, die Pausen diesmal hätten gutgetan. «Wir waren wir für die Überführung als Motorjacht, nicht als Passagierschiff qualifiziert. Deshalb mussten wir Frachtern in den Schleusen die Vorfahrt lassen.» Abgesehen von einem Partikelfilter, der ersetzt werden musste, habe alles funktioniert. «Es lööft, wie wir sagen!»

Babylonische Verständigung
Teil für Teil verschwindet zuerst die Reling des Oberdecks in einem Lastwagen. Viele Schaulustige verfolgen das Prozedere von der Hafenmauer aus: Hund an der Leine, Kamera um den Hals, Wasserfläschchen in der Hand. Warnweste und Helm sind Pflicht.

«Perfetto, dieci!», ruft der Mann, der gerade das Oberdeck an einer Seite auf den Tieflieger dirigiert und mit dem Meter von Hand abmisst, wie viel Platz noch bleibt. Die Arbeiter des Tessiner Spezialtransportunternehmens Sabesa (mit einer Filiale in Lenzburg) sprechen Italienisch, jene der Hafenbetreiberin Ultra-Brag Französisch, jene der SGH Schweizerdeutsch. Und doch versteht man sich innert Sekunden, wenn etwas fehlt oder angepasst werden muss.

Das ist wichtig, denn die Demontage ist auch ein Wettlauf gegen die Zeit: vor der Abfahrt des Schwertransports um 22 Uhr müssen die Chauffeure noch genug Schlafenszeit erhalten. Das erste Ziel ist Winznau bei Olten, von dort geht es in der Nacht auf Donnerstag an den Hallwilersee (siehe Karte unten).

Drei Jahre gearbeitet
Eine halbe Stunde später wird dann das Hauptschiff behutsam aus dem Wasser gehoben. Die Auswasserung des 34 Meter langen und 6,5 Meter breiten Schiffs ist ein Akt der höchsten Konzentration. Zwei Kranführer – einer im Hafenkran, einer in einem eigens einbestellten Pneukran, hieven die «MS 2018» tropfend über die Container hinweg auf den Auflieger. Der Hafenkran hätte von seiner Auslastung her das Schiff zwar alleine tragen können, nicht aber von seiner Auslegung her. Majestätisch schwebt der Rumpf über der Hafenanlage, Zentimeter für Zentimeter wird er abgedreht, um in die vorgesehene Position zu kommen

Eine Viertelstunde später als geplant ist es kurz nach 14 Uhr vollbracht: Das komplette Schiff ist verladen. Ueli Haller setzt seine Unterschriften auf die Lieferscheine. Drei Jahre haben er, 60 Mitarbeitende der Lux-Werft, zahlreiche Zulieferer wie Küchenbauer, Kühltechniker oder Fensterbauer sowie Angestellte der SGH auf diesen Moment hingearbeitet. «Das ist eine Unterschrift, die ich sehr gerne gebe», sagt Haller und lächelt stolz. Nervös wirkt er allerdings auch jetzt noch. Und er gibt zu: «Die Spannung bleibt. Ein bisschen schlafen muss ich heute Nacht, aber viel dürfte es nicht sein.»