
Nach Kirchen-Knatsch: Leerau liest dem Pfarrer die Leviten
Die Kirchensigristin musste an diesem Dienstagabend noch zusätzliche Stühle platzieren, damit alle Teilnehmenden der Informationsveranstaltung einen Sitzplatz hatten. Nicht anwesend war die eigentliche Hauptperson: Der abgewählte Pfarrer David Mägli. «Er lässt ausrichten, dass er für uns betet», sagte die abtretende Kirchenpflegepräsidentin Heidi Scherrer zu Beginn.
Nach einem gemeinsamen Gebet übernahm Claudia Kaspar-Hochuli das Wort. Sie wäre eigentlich als neue Präsidentin der Kirchenpflege gewählt gewesen. Und: Der Wahltag sei gleichzeitig ihr Geburtstag gewesen – so habe sie eigentlich zwei Gründe gehabt, um zu feiern. Doch als sie die Nachricht von Pfarrer Mäglis Abwahl erreichte, habe sie sich die Frage stellen müssen, ob sie die richtige Person für dieses Amt sei.
Die Antwort fiel, genau wie bei den vier weiteren gewählten Personen, negativ aus. Alle fünf Gewählten nahmen die Wahl nicht an. «Aus diesem Grund haben Sie ab dem 1. Januar 2019 keinen Pfarrer und keine Kirchenpflege», resümierte David Lentzsch, Gemeindeberater der Reformierten Landeskirche Aargau, an die Gemeinde gerichtet. Ab diesem Zeitpunkt werde sich ein Kurator der Landeskirche um die Geschäfte der Leerber Kirche kümmern.
«Jahrelang gelitten»
Nebst der unklaren Zukunft der Kirchgemeinde Leerau bestand aber auch betreffend der Abwahl des Pfarrers David Mägli Klärungsbedarf. Dominique Baumann, Vize-Dekan des Dekanats Zofingen sowie Pfarrer in Oftringen, moderierte die Kropfleerete. Emotional wurde es zum ersten Mal, als sich ein Herr meldete: «Ich persönlich habe nun dreieinhalb Jahre lang gelitten. Und so ging es auch etlichen anderen Gemeindemitgliedern.» Er war ausserdem der Meinung, dass die Kirchenpflege mit der drohenden Abwahl habe rechnen müssen. «Ich war sehr irritiert, als ich in den Medien vernommen habe, die Kirchenpflege sei erstaunt über das Resultat.» Ausserdem wünsche er sich eine offene Kirche, in der auch der Jodelklub und ein Männerchor ihre Veranstaltungen abhalten dürften. Angesprochen fühlte sich dadurch ein männliches Mitglied der «Leerber Musig». Gemeinsam mit dem Männerchor veranstaltete der Verein am vergangenen Samstag einen Unterhaltungsabend. Am Sonntagmorgen hatte die «Leerber Musig» dann einen Auftritt im Rahmen des Erntedankgottesdienstes in der Kirche. «Nach dem Auftritt sagte Pfarrer Mägli, er danke der Leerber Musig, dass sie doch noch gekommen seien, obwohl sie die ganze Nacht gefeiert und getrunken hätten. Das ist eine Frechheit und geht ihn nichts an!»
Heidi Scherrer meldete sich zu Wort: «Wenn ihr so gelitten habt, warum seid ihr dann nie zu mir gekommen? Wir sind die Kirchenpflege!» Lediglich zwei Personen seien während der letzten zwei Jahren bezüglich der Personalie Mägli an sie herangetreten. Es scheint, als wäre ein grosser Teil der kritischen Stimmen durch die Kirchenpflege nicht wahrgenommen worden.
Bereits die zweite Aussprache
Dass David Mägli in seiner konservativen Amtsführung umstritten war, ist tatsächlich nicht erst seit seiner Abwahl bekannt. Bereits 2016 hat eine Aussprache stattgefunden, nachdem der Pfarrer schon kurz nach seinem Amtsantritt in Kritik geraten war. Wie am Dienstagabend klar wurde, hat sich offenbar auch anschliessend nichts geändert.
Eine Frau meinte dazu: «Herr Mägli hat immer wieder geurteilt, wer von uns gläubig ist und wer nicht. So etwas steht keinem Menschen zu!»
Ein weiterer Mann meldete sich: «Das Problem ist nicht primär die Ausrichtung von Pfarrer Mägli. Er hat schlicht und einfach Dinge gesagt, die so nicht gehen! An einer Taufe will ich nun mal nichts über Abtreibungen von der Kanzel herab hören.» Ausserdem sei es unangebracht, dass sich der Pfarrer weigere, einen langjährigen Dorfbewohner zu begraben, nur weil dieser katholisch ist. David Mägli wollte zu diesen Vorwürfen auf Anfrage keine Stellung beziehen.
Versöhnliche Töne zum Schluss
Der Pfarrer wurde jedoch auch von verschiedener Seite in Schutz genommen. Eine Teilnehmerin lobte vor allem die Art und Weise, wie Mägli jeweils nach der Bibel die Abdankungen gestaltete. «Ausserdem wollte er uns doch einfach die Bibel lieb machen und uns sagen, dass es nach dem Tod weitergeht. Eigentlich wollte er doch nur unser Leben retten», argumentierte sie. Ein Herr entgegnete darauf: «Mit Verlaub, es ist nicht des Pfarrers Aufgabe, unser Leben zu retten. Das hat Jesus Christus am Kreuz längst getan.»
Fritz Egger, welcher selber sechs Jahre lang in der Kirchenpflege Einsitz hatte, merkte an, dass die Pfarrwahlkommission vor vier Jahren auf vielfachen Wunsch eine junge Person mit Kindern gesucht und in Mägli gefunden habe. «Nun war er auch wieder nicht recht.» Ausserdem habe es auch «verschiedenfarbene» Bewerber für das Amt gegeben. «Ob man mit einem Dunkelhäutigen besser gefahren wäre …?», fragte Egger in die Runde.
Doch noch versöhnliche Töne gab es am Ende der Veranstaltung auch in Richtung der Kirchenpflege. «Ihr habt heute Abend diese schwierige Versammlung ganz sorgfältig eingefädelt und durchgeführt. Danke, dass wir uns aussprechen konnten.» Die Gemeinde spendete daraufhin Applaus.
Sichtlich erleichtert zeigte sich Präsidentin Heidi Scherrer. Die ganze Geschichte habe ihr einige schlaflose Nächte bereitet. Sie sei jedoch zufrieden damit, wie der Abend verlaufen sei. Einige Personen haben laut der Kirchenpflege sogar schon vor dem Anlass ihr Interesse an einer Mitarbeit im Gremium bekundet. «Ich gehe optimistisch und guten Mutes nach Hause», resümierte ein Gemeindemitglied zufrieden.


Kurator kostet viel Geld Leerau Am Informationsabend der Kirchgemeinde Leerau wurde klar, dass das Kuratorium nicht mehr abwendbar ist. Da nach der Abwahl des Leerber Pfarrers David Mägli alle fünf Personen ihre Wahl in die Kirchenpflege nicht annahmen, ist das Gremium ab dem 1. Januar 2019 unbesetzt. Ein Sachwalter, ein Kurator der Reformierten Landeskirche Aargau, wird dann die Kirche Leerau leiten. Dabei wird er sich auch um die möglichst rasche Bildung einer neuen Kirchenpflege kümmern. David Lentzsch, Gemeindeberater der Reformierten Kirche, informierte am Dienstagabend die Kirchgemeinde Leerau, dass dieses Kuratorium nicht mehr abwendbar ist. Dies, weil die Meldefrist für den zweiten Wahlgang der Erneuerungswahl der Kirchenpflege bereits abgelaufen sei. Theoretisch sei es zwar möglich, noch bis Ende Jahr eine Kirchgemeindeversammlung einzuberufen, um in einer Ersatzwahl eine neue Kirchenpflege zu wählen. «Dies würde aber wenig Sinn ergeben, da bei Ersatzwahlen an Versammlungen immer nur bis ans Ende der laufenden Periode gewählt werden darf, in diesem Fall wäre das also der 31. Dezember 2018. Auch in diesem Fall stünde Leerau ab dem 1. Januar ohne Kirchenpflege da», erklärte Lentzsch. Diese Regelung sehe die Kirchenordnung vor. Dies sei nun mal so, auch wenn man die Regelung unsinnig finden möge. Im Januar könne dann aber sofort eine Versammlung für eine Ersatzwahl einberufen werden, um das Gremium für die neue Amtsperiode zu besetzen. Dass die Suche nach einer Kirchenpflege möglichst rasch vonstattengeht, dürfte im Interesse vieler Menschen innerhalb der Kirchgemeinde Leerau sein. Denn der Kurator darf für seine Arbeit ab dem 1. Januar der Kirchgemeinde einen Stundenlohn von bis zu 140 Franken verrechnen. An der Versammlung bezeichneten einige Votanten das Kuratorium jedoch auch als Chance für einen Neuanfang. (TWA)