Eine innovative Wirtschaftsregion kämpft für ihre Berufsschule

Die Informatik der Berufs- und Weiterbildung Zofingen (BWZ) hat eine Ausstrahlung, die in der ganzen Deutschschweiz wahrgenommen wird. BKR
Die Informatik der Berufs- und Weiterbildung Zofingen (BWZ) hat eine Ausstrahlung, die in der ganzen Deutschschweiz wahrgenommen wird. BKR

Franke, Müller Martini, Siegfried plus, eine Vielzahl von KMU-Betrieben, welche in ihren Sparten zu den innovativsten Firmen der Schweiz gehören – das ist die Wirtschaftsregion Zofingen. In ihr werden Hunderte von Lernenden, speziell in den Bereichen KV und Maschinenbau, ausgebildet. Ihren Berufsschulunterricht erhalten sie auf dem Campus des Bildungszentrums Zofingen (BZZ). Geht es nach dem Willen des Aargauer Regierungsrats – nicht mehr lange. KV, Maschinenbau und Berufsmaturität sind für Zofingen nicht mehr vorgesehen. «Speziell die grossen Unternehmen mit nationaler und internationaler Ausstrahlung sind auf attraktive Bildungsinstitutionen, wie sie der Campus in Zofingen bietet, angewiesen», sagt Peter Gehler, Präsident Wirtschaft Region Zofingen (wrz). Im Schulterschluss mit der Wirtschaft haben sich alle Grossrätinnen und -räte des Bezirks bereits in einer Motion für den Schulstandort Zofingen zur Wehr gesetzt (Ausgabe vom 10. Januar).

Was sagt Schul-Rektor Roger Meier zur Situation? «Die Schulleitung von Berufs- und Weiterbildung Zofingen lehnt die von den Verantwortlichen des Bildungsdepartments gemachten Vorschläge entschieden ab, da sie einerseits den Besonderheiten des einmaligen Campus Zofingen zuwiderlaufen und andererseits wenig zukunftsgerichtet sind», stellt er fest.

Dienstleisterin für die Region

Die Informatik der Berufs- und Weiterbildung Zofingen (BWZ) habe mittlerweile Ausstrahlung in die ganze Deutschschweiz. «Sie betreut nicht nur die Anlagen sämtlicher Schulen und Institutionen im Bildungszentrum – das sind Berufs- und Kantonsschule sowie die Weiterbildungsinstitution Inovatech – auf einem hohen Level, sondern besorgt auch seit Jahren zu günstigen Konditionen die Schulung der Nutzer.» Zu diesen gehören auch viele externe Schulen und Betriebe. Die Maschinenbauabteilung und die auf ihr aufbauende Weiterbildung hätten wesentlichen Anteil am Erfolg – «da in diesem Bereich die digitalen Anforderungen sehr hoch sind und permanent angepasst werden müssen».

Mit dem geplanten Abzug des Maschinenbaus und der Berufsmatur wäre einerseits die Informatik an der BWZ in der heutigen Form kaum mehr möglich und andererseits sämtliche etablierten Weiterbildungsmöglichkeiten auf Stufe Höhere Fachschule stark gefährdet. «Dies widerspricht klar der künftigen Forderung der Wirtschaft, wonach das Zusammenspiel von Grund- und Weiterbildung zentral ist.»

Vernetzung versus Monokultur

Im Bereich der kaufmännischen Ausbildung sei es «unverständlich, weshalb die Projektverantwortlichen des Kantons das KV aus Zofingen schliessen und auf reine KV-Schulen setzen wollen». Ein zukünftiges Kompetenzzentrum umfasse zwingend Vernetzung, Interdisziplinarität und Polyvalenz, wie das in Zofingen bereits praktiziert werde.

In einer Kooperation mit dem KV Aarau und einem intelligenten Überlaufsystem könnten erhebliche Kosten eingespart und neu anfallende Bau- oder Mietkosten vermieden werden. Überlaufsystem heisst: Die Lernenden werden, wenn nötig, einer Schule zugewiesen. Im Bereich der Kantonsschulen ist dies etabliert.

Die BWZ ist Teil des Bildungszentrums Zofingen (BZZ). Dieses wurde vor 50 Jahren von Visionären geplant und realisiert. «Der ganze Campus ist, trotz den sich ständig ändernden Anforderungen im Bildungsbereich, heute noch hervorragend geeignet für die ganz unterschiedlichen Nutzer der Stadt Zofingen und des Kantons Aargau», schreibt die Leitung des BZZ. «Die seinerzeit sehr grosszügig konzipierte Anlage lässt genügend Spielraum, um den regelmässig eintretenden neuen Bedürfnissen Rechnung zu tragen.» So wurde der Kostenteiler zwischen dem Kanton und der Stadt Zofingen für die gemeinsam genutzten Gebäude – Sporthallen, Zentralgebäude – und die Aussenanlage per 1. Januar 2019 neu ausgehandelt. «Mit dem seinerzeitigen Auszug eines Teils der Fachhochschule aus dem Bildungszentrum und dem Neubau eines städtischen Quartierschulhauses auf dem Campus monierte der Kanton zu Recht, dass seine Beteiligung an den gemeinsamen Kosten aufgrund seiner mittlerweile geringeren Auslastung gesenkt werden müsse.» Ginge es nun nach den Vorschlägen der Projektverantwortlichen, welche zu einer klaren Senkung der Auslastung an der Berufs- und Weiterbildung führen würde, müsste dieser Kostenteiler wieder zulasten des Kantons geändert werden, stellt die BZZ-Leitung fest. «Zudem würde noch mehr freier Raum im Campus entstehen, was bei der erwiesenen Raumknappheit an den grossen Schulen in Aarau, Lenzburg und Baden unverständlich und kaum visionär wäre.»

Gemeinsame Lehrkräfte

Patrick Strössler ist Rektor der Kantonsschule. Auch er betont die Einzigartigkeit des BZZ und die wertvollen Synergien mit der Berufsfachschule auf dem gemeinsamen Campus. «Gerade für ein relativ kleines Gymnasium wie die Kanti Zofingen ist ein solches Kompetenzzentrum ein Segen.» Hierbei sei neben der gemeinsam genutzten Infrastruktur – Mediathek, Turnhallen, Sportplätze, Schulungs- und Sitzungszimmer sowie Veranstaltungsräume – vor allem auch die personelle Zusammenarbeit im Bereich des Unterhalts und Betriebs sowie im Unterricht zu erwähnen. «So unterrichten Lehrpersonen an beiden Schulen in Fächern wie Wirtschaft und Recht, Informatik und Englisch.» Dabei spiele der Umstand, dass die Berufsfachschule die Berufsmatur anbietet, eine entscheidende Rolle. «Kanti-Lehrpersonen stellen sich als Experten bei den Qualifikationsverfahren der Berufsmaturität zur Verfügung.» Wichtig für die Kanti-Lehrpersonen seien zudem die Weiterbildungsveranstaltungen des BWZ (IT- und Microsoft-Office-365-Schulungen sowie Sprachkurse).

Weiterbildung

Thomas Peyer ist Co-Schulleiter der dritten BZZ-Partnerin Inovatech – eine höhere Fachschule für Energie, Technik und Wirtschaft. «Die Inovatech hat seit über 25 Jahren einen wesentlichen Beitrag für den Wirtschaftsraum Region Zofingen geleistet», sagt er. «Dies war nur möglich, weil die Berufsschule wichtige Voraussetzungen für eine höhere Fachschule bietet.» Namentlich nennt auch er Synergien. Die Vorschläge des Bildungsdepartements seien sowohl für die Berufsschule als auch für die Inovatech keine akzeptable Lösung und würde zu Verlusten an Bildungsangeboten und Arbeitsplätzen führen. «Die kurzfristigen Einsparungen beim Kanton bewirken Mehrkosten für die Studierenden, Schülerinnen und Schüler sowie auch für die Kommunen – ein volkswirtschaftlich nicht zu Ende gedachter Vorschlag der Regierung», sagt Peyer.

Was sagt Müller Martini?

Was sagen Vertreter der Wirtschaft? Bruno Müller ist CEO der Müller Martini AG: «Wir bilden in Zofingen rund 60 Lehrlinge in diversen Berufen aus und schätzen die Nähe zur sehr professionell arbeitenden Berufsschule in Zofingen.» Die Digitalisierung präge das heutige Berufsumfeld und beschleunige den Wandel der heute bekannten Berufsgruppen. «Wichtig ist deshalb eine möglichst breite und integrierte Ausbildung, welche die Themenbereiche einzelner Berufe verbindet und sich mit den aktuellsten Technologien befasst.» Auch nach der Berufslehre müssen sich Fachkräfte regelmässig weiterbilden. «Deshalb scheint mir eine optimale regionale Abdeckung durch Ausbildungsstandorte sehr wichtig.»

Franke will Bildung in der Nähe

«Franke setzt in Aarburg auf gut ausgebildete Mitarbeitende», sagt CEO Patrik Wohlhauser. «Seit 2017 haben wir grosse Investitionen in ein eigenes Berufsbildungs-Zentrum getätigt, um eine professionelle Ausbildung für acht verschiedene Berufsrichtungen zu gewährleisten.» Die Berufe Polymechaniker, Konstrukteur sowie Kaufleute bilden den Hauptharst mit 53 Auszubildenden. Diese besuchen die Berufsschule Zofingen. «Franke schätzt das polyvalente Angebot und die pädagogische und didaktische Kompetenz des Campus – mit der gezielten Ausrichtung zu neuen Technologien in der Ausbildung sowie in der Weiterbildung.» Ein regionaler Standort für die Ausbildung dieser drei Berufsrichtungen ist für Wohlhauser «massgebend für die Meisterung zukünftiger Herausforderungen».

Standortvorteil

Dominik Gresch ist Stadtrat und Vizepräsident des Schulvorstandes der BWZ. Er sagt: «Die Berufsfachschule als Bestandteil des im Aargau einmaligen Campus Zofingen ist mit ihrer polyvalenten Ausrichtung ideal aufgestellt für die künftigen Herausforderungen der Digitalisierung. Dieser Standortvorteil einschliesslich Berufsmatur darf nicht gefährdet werden. Ausserdem gilt es, dem Grundsatz des Kantons der Regionen angemessen Rechnung zu tragen.»

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