
Widerstand gegen riesiges Lidl-Verteilzentrum auf dem Gugelmann-Areal


Auswirkungen auf Strassennetz
Durch das Warenverteilzentrum in Roggwil werden an Werktagen 710 Lastwagen- und 520 Personenwagen-Fahrten erwartet. Aufgrund der geografischen Verteilung der bestehenden und geplanten Filialen wird gemäss Verkehrsgutachten angenommen, dass der Lkw-Verkehr sich wie folgt auf die Verkehrsachsen aufteilt:
– 50 Prozent Richtung Murgenthal – Rothrist (Norden)
– 26 Prozent Richtung Langenthal – Niederbipp (Westen)
– 21 Prozent Richtung Pfaffnau – Reiden (Süden)
– 3 Prozent Richtung Langenthal – Burgdorf (Westen)
Schneckentempo ist in Stosszeiten auf vielen Strassen der Region Zofingen angesagt. Vor allem die Achsen rund um Rothrist mit den Ein- und Ausfahrten auf die Autobahnen sind beliebt. Die Folge sind Rückstaus bis nach Aarburg und Oftringen. «Noch mehr Verkehr, vor allem von Lastwagen, verkraftet die Gemeinde Rothrist in Spitzenzeiten nicht», sagt Ralph Ehrismann. Der Rothrister Gemeindeammann befürchtet, dass die chronisch verstopften Verkehrsachsen durch ein geplantes Grossprojekt massiv mehr belastet werden.
In der Gemeinde Roggwil will Lidl Schweiz das gesamte Gugelmann-Areal kaufen und auf dem 150 000 Quadratmeter grossen Grundstück ein Warenverteilzentrum bauen. Der Lebensmittelhändler hat zurzeit zwei Warenverteilzentren – für die Region Ost im thurgauischen Weinfelden und für die Westschweiz im freiburgischen Sévaz. Für die Vertriebsregion Mittelland soll eine sogenannte Regionalgesellschaft in Roggwil entstehen. «Ausschlaggebend für die Standortwahl war die Verfügbarkeit eines sehr grossen und zentral gelegenen Grundstücks, das so in dieser Region respektive schweizweit kaum mehr zu finden ist», sagt Corina Milz, Kommunikationschefin Lidl Schweiz. Lidl könne dank der zentralen Lage die Lieferdistanzen um ein Vielfaches verkürzen und so viele Lkw-Kilometer einsparen. Trotz Bahngleisanschluss soll die Verteilung ausschliesslich über die Strasse erfolgen, da Lidl Schweiz im Vergleich zu anderen nationalen Detailhändlern «wenig Umlagerungen zwischen den eigenen Warenverteilzentren vornimmt».
In Roggwil sollen 250 Arbeitsplätze entstehen, zudem sind 15 weitere Lidl-Verkaufsfilialen im Kanton Bern mit etwa 300 Arbeitsplätzen geplant. Einen Kaufrechtsvertrag über das Areal hat Lidl Schweiz mit dem Eigentümer Adrian Gasser (Lorze Logistik AG) im Frühjahr abgeschlossen. Läuft es nach den Plänen von Lidl, soll das etwa
640 Meter lange, 110 Meter breite und 20 Meter hohe Gebäude Ende 2024 in Betrieb genommen werden. Ob das Grundstück die Hand wechselt, macht der Detailhändler davon abhängig, ob er das Verteilzentrum bauen kann. Das Projekt erfordert eine Zonenplanänderung – von der Zone für Arbeit und Freizeit zu einer mit Planungspflicht und Überbauungsordnung.
Der Roggwiler Gemeinderat und der Kanton Bern begrüssen das Vorhaben. Der Berner Regierungsrat will das Verfahren für das Warenverteilzentrum in Roggwil prioritär behandeln. Das Vorhaben sei von kantonaler Bedeutung und hoher Wichtigkeit. Es könne gemäss Koordinationsgesetz speditiv geprüft und bewilligt werden, teilte die Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion des Kantons Bern Ende Oktober mit. Wie die Roggwiler dazu stehen, wird sich zeigen. Bis 25. November lief in der Gemeinde eine öffentliche Mitwirkung zur Zonenplan- und Baureglementsänderung Brunnmatt.
Negative Auswirkungen für Region Zofingen befürchtet
In der Region Zofingen stösst das Vorhaben auf Widerstand. Je eine Eingabe haben die Gemeinde Rothrist und der Regionalverband Zofingenregio eingereicht. «Die Wohnquartiere, Strassen und die Umwelt unserer Region sind massgeblich von den negativen Auswirkungen betroffen», sagt Hans-Ruedi Hottiger. Für den Zofinger Stadtammann und Präsidenten des Regionalverbandes Zofingenregio steht fest, dass das Vorhaben von überkantonalem Interesse ist und eine räumliche und verkehrliche Abstimmung gemeinsam und kantonsübergreifend erfolgen muss. «Die Abwicklung des Schwerverkehrs steht im klaren Widerspruch zu den regionalen Interessen und Bestrebungen unserer Verbandsgemeinden, ihre Ortsdurchfahrten aufzuwerten.»
710 Lastwagen und 520 Personenwagen-Fahrten soll das Vorhaben an Werktagen gemäss dem Verkehrsgutachten verursachen. Der Grossteil der Lastwagenfahrten soll über die Autobahnanschlüsse Rothrist und Reiden abgewickelt werden (siehe Box oben). Vorgesehen ist, dass die Hälfte des Lastwagenverkehrs über Murgenthal durch die Gemeinde Rothrist an die Autobahnknoten geführt wird. «Das Verkehrsgutachten hat leider nur den Wert des Papiers, auf das es gedruckt wurde», unterstreicht Rothrists Ammann Ralph Ehrismann. So seien die Verkehrsannahmen in Rothrist von täglich 14 300 Fahrzeugen bereits vor acht Jahren mit einem Durchgangsverkehr von 14 599 Fahrzeugen täglich erreicht worden. Der Prognosewert für das Jahr 2030 im Gutachten werde heute bereits erreicht. «Für ein solch grosses Vorhaben braucht es zwingend einen Standort mit direktem Autobahnanschluss», doppelt Rothrists Gemeinderat Hans Rudolf Sägesser nach und bemängelt: «Im ganzen Raumplanungsprozess vermissen wir die Zusammenarbeit mit den betroffenen Kantonen, den Regionalplanungen und den Gemeinden.»
So fordern Rothrist und der Regionalverband eine Sistierung des Projekts und der Zonenplanänderung. Zudem verlangen sie, dass die Entwicklung des Gugelmann-Areals gemeinde- und kantonsübergreifend festgelegt und im Richtplan des Kantons Bern festgehalten wird. Beide empfehlen Lidl, sich an einem besser geeigneten Standort niederzulassen, der über einen Autobahnanschluss in unmittelbarere Nähe verfügt.