
Interessenkonflikt? Verwaltungsrat Felix Schönle verkaufte dem Kantonsspital Aarau Schutzmasken seiner Firma für 315’000 Franken
Seit einem Monat gibt es in Deutschland immer wieder neue Enthüllungen in der sogenannten Maskenaffäre. Inzwischen haben mehrere CDU-Politiker ihre Ämter abgegeben und sind aus der Partei ausgetreten. Ihnen wird vorgeworfen, sich bei der Beschaffung von Schutzmasken durch deutsche Behörden oder Spitäler persönlich bereichert zu haben.
Nun wird auch im Aargau ein Fall bekannt, bei dem es zu einem heiklen Maskengeschäft gekommen ist. Im Fokus steht dabei das Kantonsspital Aarau (KSA) und dessen Verwaltungsrats-Vizepräsident Felix Schönle, der zugleich CEO der Wernli AG in Rothrist ist, die unter anderem Schutzmasken herstellt.
Kritik an Geschäften von Verwaltungsräten schon im Herbst 2020
Andreas Huber, pensionierter Chefarzt und früher stellvertretender CEO des Kantonsspitals Aarau (KSA), hatte schon im September 2020 auf die heikle Konstellation hingewiesen. In einem Artikel der NZZ kritisierte er Interessenkonflikte bei mehreren Mitgliedern des Verwaltungsrats, die mit ihren eigenen Firmen Geschäfte mit dem Spital tätigen würden.
In einer Interpellation, die Mitte September 2020 im Grossen Rat eingereicht wurde, verlangten die Grünliberalen dazu Auskunft vom Regierungsrat. GLP-Fraktionschefin Barbara Portmann wollte wissen, «ob Verwaltungsratsmitglieder zusätzlich abgegoltene Mandate für das Spital durchführen via Firmen, mit denen sie wirtschaftlich verbunden sind».
1,344 Millionen Masken für 314’496 Franken geliefert
In seiner Antwort listet die Regierung drei Fälle auf, bei denen Geld vom Spital an ein Verwaltungsratsmitglied floss. Die mit Abstand grösste Summe – fast 315’000 Franken – erhielt demnach Felix Schönle, der seit 2011 als Vizepräsident des KSA-Verwaltungsrats tätig ist. Schönle hat Ende April 2020 mit seiner Firma, der Wernli AG in Rothrist, die Produktion von Schutzmasken gestartet.
Von diesen chirurgischen Masken lieferte er bis Mitte März dieses Jahres mehr als 1,3 Millionen Stück ans Kantonsspital Aarau. Auf die Frage, ob es seit dem 1. Januar 2019 Geldflüsse vom KSA an ihn gab, antwortete Schönle laut Regierungsrat wie folgt:
«Falles es hier um Zahlungen geht, welche an die Wernli AG gingen:
2019: keine direkten Geschäftsverbindungen, keine Zahlungen 2020: chirurgische Gesichtsmasken, 896’000 Stück, Fr. 198’016.-
2021: chirurgische Gesichtsmasken, 448’000 Stück, Fr. 116’480.- (1.1. – 15.3.2021)»
Schönle sieht keinen Interessenkonflikt beim Maskengeschäft
Felix Schönle teilt auf Anfrage der AZ mit, aus seiner Sicht gebe es in diesem Fall keinen Interessenkonflikt: «Dieser Vorwurf trifft nicht zu. Er ist aus der Luft gegriffen». Schönle weist darauf hin, dass es klare Ausstandsregelungen gebe, zudem befasse sich der Verwaltungsrat des KSA grundsätzlich nicht mit operativen Einkaufsthemen.
Der Unternehmer erläutert, das Maskengeschäft sei «durch eine Anfrage des KSA beim Verkaufsleiter der Wernli AG, der für die Maskenverkäufe zuständig ist», zustande gekommen. Schönle betont weiter:
«Ich hatte zu keiner Zeit bezüglich Maskenverkäufen / Maskenlieferungen Kontakt mit dem KSA. Intern wurde ich vom Verkaufsleiter erst Tage nach dem Zustandekommen der Anfrage bzw. Bestellung darüber informiert.»
Die Anfrage des KSA bei der Wernli AG sei erst Wochen nach dem Entscheid eingetroffen, eine Maskenproduktion aufzubauen. «Wir haben an rund 40 Spitäler Masken geliefert, das KSA war ein kleiner Kunde», sagt Schönle weiter. Wie viele Schutzmasken das Kantonsspital Aarau einkaufe, und welche anderen Lieferanten berücksichtigt würden, wisse er nicht.
Schönle weist darauf hin, dass die Spitäler letztes Jahr in einer Situation gewesen seien, in der Schutzmaterial – wie zum Beispiel Masken – nicht, oder nur zu extremen Preisen verfügbar gewesen seien. Die Wernli AG habe mit ihrer eigenen Maskenproduktion in Rothrist «deshalb zur Versorgungssicherheit der Schweizer Spitäler beigetragen».
KSA-Sprecherin: «Es gab damals keine anderen Schweizer Produzenten»
Isabelle Wenzinger, die Sprecherin des Kantonsspitals Aarau, sagt auf Anfrage: «Dem KSA standen zu jenem Zeitpunkt keine anderen Schweizer Produzenten als die Wernli AG zur Verfügung». Damals habe eine Dringlichkeit bestanden, Masken zu beschaffen, «um für unsere Mitarbeitenden Schutzmaterial zu haben und schliesslich die Patientenversorgung sicherzustellen», sagt Wenzinger. Mit ihrer Produktionsstätte in der Schweiz sei die Wernli AG die sicherste Bezugsquelle gewesen. Zudem seien die Masken der Firma von Felix Schönle hochwertig und preiswert.
Weltweit habe es im Frühling 2020 einen Lieferengpass für Masken gegeben, ruft die Sprecherin in Erinnerung. «An der Landesgrenze hingen ganze Lieferungen fest, bereits bestelltes Material im Ausland wurde von den Herkunftsländern zurückgehalten.» Das KSA beziehe Masken von verschiedenen Lieferanten, um die Versorgungssicherheit stets zu gewährleisten, erläutert Wenzinger. Bei der Beschaffung werde unter anderem auf die Produktqualität, eine verlässliche Liefergarantie und die Wirtschaftlichkeit geachtet.
Kantonsspital Aarau kaufte Masken für rund 1 Million Franken ein
Im bisherigen Verlauf der Pandemie hat das KSA laut Wenzinger mehrere Millionen Masken eingekauft. Insgesamt hat das Spital dafür innerhalb eines Jahres rund 1 Million Franken ausgegeben – demnach floss knapp ein Drittel der Gelder für die Masken an die Wernli AG.
Ob der Maskenauftrag öffentlich ausgeschrieben worden sei, beantwortet Wenzinger nicht direkt. Sie hält aber fest: «Die Beschaffung erfolgt gemäss den gesetzlichen Vorgaben.» Die Zahl der Lieferanten variiere und hängt unter anderem davon ab, wie viele Anbieter auf dem Markt seien, sagt Wenzinger. Aktuell sind es vier Lieferanten mit unterschiedlichen Kontingenten – diese sind abhängig von Liefermenge und Preis.
Regierungsrat sieht Richtlinien nicht verletzt
Andreas Huber, früher stellvertretender CEO des KSA, sieht die Gefahr, dass mit solchen Geschäften die Regeln der Public Corporate Governance verletzt werden, welche das Verhältnis zwischen dem Kanton als Eigentümer und den Spitalgesellschaften regelt. In seiner Antwort auf den GLP-Vorstoss hält der Regierungsrat indes fest, die entsprechenden Vorgaben seien eingehalten worden.
«Die Überprüfung dieser Sachverhalte ergab, dass sie in Übereinstimmung mit den aktuell geltenden Richtlinien der Public Corporate Governance erfolgten.»
Dies gilt auch für zwei weitere Fälle von Verwaltungsratsmitgliedern, die Geschäfte mit Spitälern machten, bei denen sie gleichzeitig im Führungsgremium sitzen.
Kantonsspital Baden: 117’000 Franken für Kanzlei eines Verwaltungsrats
Aus dem Dokument des Regierungsrats geht hervor, dass das Kantonsspital Baden (KSB) einen Auftrag für Rechtsabklärungen an Kellerhals Carrard vergab. Partner der Kanzlei in Bern ist Christoph Zimmerli, der seit Ende Mai 2019 auch im Verwaltungsrat des KSB sitzt, für die Abklärungen zahlte das Spital gut 117’000 Franken.
Bei den Mandaten an die Kanzlei Kellerhals Carrard AG handelte es sich laut KSB-Sprecher Omar Gisler um insgesamt sieben komplexe Abklärungen zu Kooperations- und Zusammenarbeitsverträgen, teilweise mit internationalem Bezug und auf Englisch. «Die Kanzlei, in der Christoph Zimmerli einer von dreizehn Partnern sei, verfügt über Experten mit dem notwendigen Spezialwissen», teilt Gisler mit.
KSB-Sprecher: «Frage von Interessenkonflikten wird sorgfältig geprüft»
Die Koordination durch Zimmerli versprach aus Sicht des KSB zudem «eine raschere, effizientere und günstigere Abwicklung als bei einem Einbezug einer Drittkanzlei, was mit aufwändigen Briefings und Sitzungen zwecks Einarbeitung und Abstimmung verbunden gewesen wäre».
Vor diesem Hintergrund habe die Geschäftsleitung des Kantonsspitals Baden beschlossen, die Kanzlei Kellerhals Carrard mit den Abklärungen zu betrauen. «Dabei wurden, wie auch der Regierungsrat in seiner Antwort festhält, sämtliche Vorgaben der Corporate Governance eingehalten», betont Gisler.
Die Frage der Opportunität von Mandaten und Aufträgen oder allfällige Interessenkonflikte werde vom Verwaltungsrat und von der Geschäftsleitung jeweils sorgfältig und gewissenhaft geprüft. «So hat insbesondere Christoph Zimmerli diverse Anfragen abgelehnt, um jeglichen Verdacht von Befangenheit zu vermeiden», hält Gisler fest
Psychiatrische Dienste: 8600 Franken an Beratungsfirma des Präsidenten
Auch bei den Psychiatrischen Diensten Aargau (PDAG) gab es einen Fall, in dem Geld an die Firma eines Verwaltungsrats floss. In der Auflistung des Regierungsrats ist bei Verwaltungsratspräsident Kurt Aeberhard ein Betrag von 8616 Franken aufgeführt.
Aeberhard präsidiert das Leitungsorgan der PDAG seit Mitte 2018, zugleich ist er Partner der Beratungsfirma Innopool, sie sich auf das Gesundheitswesen spezialisiert hat. Die gut 8600 Franken erhielt seine Firma gemäss Erklärung in der Liste der Regierung «im Zusammenhang mit der Strategie-Beratung durch eine Mitarbeiterin von Innopool».