Verwaltungsratspräsident: «In zwei Jahren hätten wir sowieso einen neuen CEO für das Kantonsspital Aarau suchen müssen»

Kurz nach dem Mittag verschickte das Kantonsspital Aarau (KSA) am Dienstag eine Mitteilung mit dem Titel «Neuausrichtung der Geschäftsleitung». Darin teilte der Verwaltungsrat des KSA mit, dass man sich von CEO Robert Rhiner trennt, der das grösste Aargauer Spital seit Dezember 2014 geführt hatte. Begründet wurde die Trennung mit Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Spitalneubau, der damit einhergehenden Transformation des KSA und dem Wunsch nach personeller Kontinuität in der Führung. Die AZ hat bei Verwaltungsratspräsident Peter Suter nachgefragt, warum Robert Rhiner wirklich gehen muss.

In der Mitteilung vom Dienstag heisst es, für die Transformation des Kantonsspitals Aarau mit dem Neubau brauche es Kontinuität in der Führung. Dass der Neubau kommt, war ja schon vor zwei Jahren bekannt, als Sie das VR-Präsidium übernahmen – warum trennt sich das KSA heute von CEO Robert Rhiner?

Peter Suter: Ich möchte zuerst festhalten, dass der Entscheid nichts mit der Person von Robert Rhiner zu tun hat, der ein sehr loyaler, engagierter und charakterstarker CEO war. Die Ausgangslage für den Verwaltungsrat ist so: Wir stehen kurz davor, nach Covid in die Normalität zurückzukehren, nächstens soll der Spatenstich für den Neubau erfolgen und wir sind mitten in einem Transformationsprozess. Dieser Prozess ist nicht abgeschlossen, wenn wir vielleicht 2026 in den Neubau einziehen – unser Zeithorizont geht darüber hinaus, bis ins Jahr 2028.

Also ist das Alter von Herrn Rhiner ausschlaggebend – er ist 62 und würde in drei Jahren pensioniert – und Sie wollten einen jüngeren CEO?

Ja, das ist ein Aspekt, in zwei Jahren hätten wir ohnehin einen neuen CEO für das Kantonsspital Aarau suchen müssen. Wir sind aber zum Schluss gekommen, dass es besser ist, den Wechsel jetzt zu machen, damit die neue Führungsperson die ganze Transformation in den nächsten sieben, acht Jahren begleiten und gestalten kann.

Noch im März sagte Robert Rhiner in einem Interview mit der AZ fast dasselbe: «Wir als Spital müssen bis zum Bezug des Neubaus einen Wandel durchmachen. Die Abteilungen – ich spreche ungern von Königreichen –, die über das weitläufige Areal verteilt sind, müssen lernen, zusammenzuarbeiten. Deshalb steht der Wandel auch unter dem Motto einer Wir-Kultur». Haben Sie Herrn Rhiner nicht zugetraut, diesen Wandel zu moderieren?

Doch, das hätten der Verwaltungsrat und ich ihm durchaus zugetraut – aber nochmals: Wir möchten Kontinuität in der Führung in den nächsten Jahren, deshalb haben wir uns entschieden, uns jetzt von Robert Rhiner zu trennen und die Stelle neu zu besetzen. Wir haben beschlossen, dass die Trennung per sofort vollzogen wird, weil es aus meiner Sicht menschlich und führungsmässig schwierig wäre, wenn der CEO während der Kündigungsfrist von sechs Monaten noch im Amt bleibt, obwohl schon klar ist, dass nachher jemand anderes übernimmt.

Warum kommunizieren Sie den Entscheid, sich von Robert Rhiner als CEO zu trennen, gerade heute?

Wir gehen davon aus, dass der Neubau nächstens gestartet werden kann, zudem findet diese Woche die Generalversammlung der Kantonsspital Aarau AG statt, darum ist der Zeitpunkt logisch. Wir wollen transparent sein gegenüber allen Beteiligten, wollen diesen Entscheid kommunizieren und danach mit der Suche nach dem neuen CEO beginnen.

Seit dem letzten Herbst läuft im Zusammenhang mit Vorwürfen von ehemaligen Chefärzten eine Untersuchung des Kantons gegen das KSA. In der Kritik standen insbesondere Robert Rhiner und der medizinische Direktor Christoph Egger, es war von «Angstkultur» die Rede. Hat diese Untersuchung negative Ergebnisse gebracht und den Verwaltungsrat veranlasst, Herrn Rhiner zu entlassen?

Die Geschäftsleitung und der Verwaltungsrat haben eigene Untersuchungen durchgeführt und die vorgebrachten Punkte auch extern prüfen lassen. Wir gehen davon aus, dass von der Kritik der Herren Killer, Huber (ehemaliger stv. CEO des KSA, die Redaktion) und Fandino gar nichts hängen bleibt. Zudem läuft die Untersuchung noch, laut Auskunft des Gesundheitsdepartements dürften die Ergebnisse im Oktober vorliegen. Der Entscheid, in der Spitalführung, einen Wechsel vorzunehmen, hat überhaupt nichts mit dieser Untersuchung zu tun.

In den letzten Jahren hat das KSA die Vorgaben des Kantons beim Betriebsergebnis nie erreicht, für 2020 resultierte gar ein Verlust. Nach der Covid-Pandemie will der Kanton die Spitäler für coronabedingte Ausfälle und Zusatzkosten entschädigen, nicht aber für Folgen von Managementfehler. Muss sich Robert Rhiner solche Fehler vorwerfen lassen?

Nein, absolut nicht, die Einbussen wegen der Coronapandemie liegen beim Kantonsspital Aarau im ähnlichen Rahmen wie bei anderen Spitälern. Natürlich ist die Ebitda-Marge (eine Kennzahl für die Rentabilität, die Redaktion) mit 0,2 Prozent sehr tief, doch der Rückgang liegt am KSA mit sechs Prozent nicht höher als bei vergleichbaren Spitälern.

Interimistisch übernimmt Sergio Baumann die Funktion als CEO – er war bisher Betriebsleiter und verantwortlich für den Neubau. Wie kann der daneben diesen Zusatzaufwand leisten?

Sergio Baumann hat einen hervorragenden Leistungsausweis, ist intern und extern bestens anerkannt und deshalb die richtige Person für diese Funktion. Natürlich braucht es eine gewisse Entlastung in anderen Bereichen, das haben wir angeschaut, aber wir sind sicher, dass Sergio Baumann diese Aufgabe bestens meistern wird.

Robert Rhiner (links), seit Dezember 2014 CEO des Kantonsspitals Aarau, muss seinen Posten räumen ‒ interimistisch übernimmt Sergio Baumann (rechts), bisher Leiter Betrieb und Verantwortlicher für den Neubau.

Robert Rhiner (links), seit Dezember 2014 CEO des Kantonsspitals Aarau, muss seinen Posten räumen ‒ interimistisch übernimmt Sergio Baumann (rechts), bisher Leiter Betrieb und Verantwortlicher für den Neubau.

Alex Spichale

Neben CEO Robert Rhiner muss auch der medizinische Direktor Christoph Egger gehen. Zudem wird Monya Todesco Bernasconi, die Präsidentin der Ärztekonferenz, künftig nicht mehr in der Geschäftsleitung sitzen. Alle drei sind Mediziner, das ist doch ein Widerspruch zur Aussage in der Medienmitteilung, es brauche eine optimale Einbindung der medizinischen Bereiche.

Das mag auf den ersten Blick so aussehen, aber das ist kein Widerspruch. Künftig werden drei Chefärzte als Vertreter der medizinischen Abteilungen in der Geschäftsleitung Einsitz nehmen. Wir heben das Modell auf, dass die Ärzteschaft von einem medizinischen Direktor und von der Präsidentin der Ärztekonferenz in der Führung vertreten wird, und schaffen dafür drei direkte ärztliche Vertretungen.

Früher sassen zahlreiche Chefärzte in der Geschäftsleitung des KSA, nun sollen drei dort wieder Einsitz nehmen. Das erinnert an das Modell im Kantonsspital Baden, wo Sie früher auch Verwaltungsratspräsident waren – auch dort sitzen drei Chefärzte in der Geschäftsleitung.

Ja, das ist korrekt. Aus meiner Sicht braucht es die Hierarchiestufe des medizinischen Direktors nicht, die Chefärzte der einzelnen Departemente sind Leistungsträger unseres Spitals und deshalb valable Mitglieder in der Geschäftsleitung.

In der Medienmitteilung heisst es, eines der Ziele sei die personelle Kontinuität innerhalb der Geschäftsleitung. Wie wollen Sie das erreichen, wenn die drei Vertreter der Ärzteschaft im Turnus ausgewechselt werden?

Das wird problemlos funktionieren, die Überlegung dahinter ist folgende: Wir integrieren drei von fünf Chefärzten, die jeweils einen Bereich führen, in die Geschäftsleitung und nehmen sie damit direkt in die Verantwortung. Wenn alle fünf dort sitzen würden, wäre das Führungsgremium tendenziell zu gross und weniger effizient. Wenn wir immer die gleichen drei Chefärzte in der Geschäftsleitung hätten, würden diese nur für ihre Departemente denken und dieses vertreten, mit dem Turnus ist das anders.

Laut der Mitteilung wurde die Rekrutierung eines neuen CEO bereits eingeleitet – wie sieht das Anforderungsprofil aus, muss es ein Arzt oder eine Ärztin sein?

Dass die Rekrutierung eingeleitet wurde, heisst nicht, dass wir vor der Kommunikation über die Trennung von Robert Rhiner schon mögliche Nachfolger kontaktiert hätten. Zum Anforderungsprofil: Es ist nicht zwingend, dass der neue CEO ein Arzt oder eine Ärztin ist. Natürlich wäre ein medizinischer Hintergrund kein Nachteil, es kann aber auch eine Person sein, die bisher in einer anderen Branche eine Führungsposition innehatte. Der neue CEO ist der wichtigste Botschafter des Spitals nach aussen, es ist wichtig, dass das eine Person mit positiver Denkweise und viel Energie ist.

Wann wird der Nachfolger oder die Nachfolgerin von Robert Rhiner die Arbeit am Kantonsspital Aarau aufnehmen?

Wir haben ein Headhunter-Büro mit der Suche nach dem neuen CEO beauftragt, diese Rekrutierung dürfte erfahrungsgemäss zwei bis drei Monate dauern. Dazu kommt die Kündigungsfrist von sechs Monaten, die eine Person hat, die in einem Anstellungsverhältnis bei einer anderen Firma ist. Insgesamt gehe ich von rund neun Monaten aus, der oder die neue CEO dürfte also im Frühling 2022 anfangen.