
Thomas Burgherr will den Lohn der National- und Ständeräte drastisch senken – das ist sein Plan
Bekommen Bundesparlamentarierinnen und -parlamentarier eine zu hohe Entschädigung? Ist deshalb der Milizgedanke gefährdet, werden immer mehr faktisch Berufspolitiker? Diese Fragen kommen seit Jahren immer wieder auf. So dachte beispielsweise alt Bundesrat Christoph Blocher 2016 laut über die Lancierung einer Volksinitiative nach. Demnach sei das Parlament so zu organisieren, «dass ein Parlamentarier höchstens einen Drittel der jährlichen Arbeitszeit für die parlamentarische Tätigkeit verwenden muss». «Die Parlamentarierentschädigung ist total auf einen Drittel des durchschnittlichen Schweizer Jahreslohnes festzusetzen.» Die Initiative kam dann allerdings nicht.

Thomas Burgherr im Interview.
Doch das Thema treibt Politiker weiter um, etwa den Aargauer SVP-Nationalrat Thomas Burgherr. Er will den Faden wieder aufnehmen und sucht Mitstreiterinnen und Mitstreiter für eine Volksinitiative. Sein Ziel ist – ähnlich wie damals bei Blocher –, «den Gedanken des Milizparlaments zu stärken und die Verankerung der Politikerinnen und Politiker im zivilen Leben zu betonen».
Burgherr legt sich noch nicht fest, wie die Initiative genau aussehen soll. Eine Möglichkeit wäre, dass es für die parlamentarische Tätigkeit eine Entschädigung gemäss Erwerbsersatzordnung gibt sowie einen Beitrag zur Deckung der effektiven Kosten, die bei der parlamentarischen Tätigkeit entstehen.
Eine weitere Möglichkeit wäre festzulegen, wonach der Parlamentsbetrieb so zu organisieren sei, dass ein Ratsmitglied höchstens einen Drittel der jährlichen Arbeitszeit für die parlamentarische Tätigkeit verwenden muss.
Als weitere Variante sähe Burgherr, die Parlamentarierentschädigung total auf einen Drittel eines durchschnittlichen Schweizer Kaderlohns festzusetzen, also etwa auf 40’000 Franken. Das entspräche mindestens dreimal weniger als heute.
Die Reaktionen der Aargauer Nationalrätinnen und Nationalräte:
Burgherr: Beruf soll Haupteinnahmequelle sein
Warum das, gönnt er sich und den anderen 245 im Bundeshaus die Gesamtentschädigung von 110’000 bis 150’000 Franken pro Jahr nicht? Darum gehe es überhaupt nicht, weist Burgherr diesen Vorwurf zurück: «Ziel ist, dass der angestammte Beruf die Haupteinnahmequelle der 246 Parlamentarierinnen und Parlamentarier ist», sagt Holzbauunternehmer Burgherr. Für den Dienst an der Gesellschaft und damit eben auch für die Zeit, in der man freigestellt wird, solle dann der Arbeitgeber entschädigt werden.
Um konkret zu zeigen, wie sich die Entschädigung für einen Nationalrat zusammensetzt, stellt Burgherr seinen parlamentarischen Lohnausweis zur Verfügung. Er ist überzeugt, dass sie als Parlamentarier zu viel Entschädigung bekommen.

Der Lohnausweis von Nationalrat Thomas Burgherr.
Jagd nach Mandaten als Kompensation?
Burgherr will erreichen, dass Politikerinnen und Politiker dank privater Erwerbstätigkeit unabhängig sind. Aber riskiert er mit einer drastischen Senkung der Entschädigung nicht das Gegenteil, nämlich dass Politiker noch mehr (bezahlte) Mandate von Interessengruppen annehmen und so die Gefahr erst recht steigt, dass immer mehr Lobbyisten im Parlament sitzen?
Dass Milizpolitiker Mandate innehaben, stört Burgherr grundsätzlich nicht: «Wenn ich beispielsweise als Holzbauunternehmer Verwaltungsratspräsident eines Baugeschäfts bin, ist das Teil meines Berufes.» Es soll aber nicht so weit führen, dass man dann finanziell von solchen Mandaten abhängig wird. Er wünscht sich aber schon, dass die Wirtschaft wie früher wieder stärker bereit ist, Mitarbeitenden etwa eine Teilzeitarbeit zu ermöglichen, damit sie in der Politik aktiv sein können. Vor 20 Jahren hätten sich viel mehr Unternehmer erfolgreich in den kantonalen Parlamenten und im eidgenössischen Parlament engagiert, sagt Burgherr.
«Heute fehlen Unternehmer zu einem grossen Teil, da das Milizsystem nur noch auf dem Papier vorhanden ist.»
Wenn immer mehr Politiker, welche die Wirtschaft nur aus der Theorie kennen würden, die Rahmenbedingungen für die Unternehmungen in diesem Land festlegten, sei dies mit einem hohen Risiko verbunden, befürchtet Burgherr.
Es sei die Stärke unseres Systems, «dass die Politik fest mit der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft verbunden ist und sich keine professionellen, abgehobenen Strukturen und keine Entkoppelung zwischen Parlamentarier und Bevölkerung entwickeln», sagt Burgherr, früherer Präsident der SVP Aargau. Leider sei diese Stärke mehr denn je in Frage gestellt. Burgherr:
«Mit den heutigen Entschädigungen wandelt sich das Parlament schleichend hin zu einem Berufsparlament.»
Die Stärkung des Milizparlaments würde zu mehr Effizienz führen und einen gewissen parlamentarischen Aktivismus bremsen, was die Demokratie und die Nähe zu den Bürgerinnen und Bürger stärke, glaubt der Aargauer SVP-Nationalrat.
Nun will er Gegensteuer geben. Er führt derzeit innerhalb der Partei Gespräche und sucht Verbündete, um die Initiative auf die Beine zu stellen.
Es brauche ein klares Zeichen durch das Volk, das Milizparlament zu retten und damit wieder zu mehr Bürgernähe zurückzufinden, sagt Burgherr. Da so ein Vorstoss im Parlament völlig chancenlos wäre (vor Jahren blitzte auch Burgherrs Parteikollege Toni Brunner ab), will der Aargauer Holzbauunternehmer direkt eine Volksinitiative lancieren.