FCA-Sportchef Sandro Burki: «Dafür können wir uns nichts kaufen»

Stephan Keller sprach nach dem Cupspiel gegen Lausanne von «struktureller Benachteiligung»: So verständlich der Ärger über mehrere nicht gegebene Penaltys – dahinter ein System zu erkennen, ist absurd.

Sandro Burki: Der FC Aarau steht zu hundert Prozent hinter Stephans Aussagen. Klar, ohne die Hintergründe zu kennen, kann die Wortwahl irritieren. Leider hatte Stephan nicht die Gelegenheit, zu sagen, was er genau damit meint: Es geht um die Häufung der Fälle in den vergangenen Wochen, in denen der FC Aarau Spiel für Spiel fälschlicherweise keinen Penalty erhalten hat. Er unterstellt den Schiedsrichtern mit Sicherheit keine Absicht. Das Problem ist in meinen Augen das System: Der Fussball wird immer schneller und professioneller, aber die Schiedsrichter gehen weiterhin unter der Woche einem anderen Beruf nach. Wären sie Profis, wäre die Fehlerquote tiefer. Wenn jemand vom Verband einen Plan zur Professionalisierung anstösst, würden wir vom FC Aarau unseren Teil dazu beitragen. Übrigens: Die Forderung von Ludovic Magnin, dass Schiedsrichter, genauso wie Trainer und Spieler, nach interner Analyse der strittigen Szenen für Interviews zur Verfügung stehen müssen, finde ich gut. Die Kritik an den Unparteiischen würde mässiger ausfallen, gleichzeitig würde das Verständnis für ihren schwierigen Job grösser, wenn sie sich erklären und Fehler zugeben. Jeder macht Fehler.

Captain Olivier Jäckle sagt: «Wir dürfen nicht nur die Schiedsrichter für unsere Niederlagen verantwortlich machen, müssen die Fehler bei uns suchen.» Heisst: Der FC Aarau muss aufpassen, nicht im Selbstmitleid zu versinken.

Man muss schon sehen: Ein Schiedsrichter-Fehler kann ebenso verheerende Folgen haben wie ein Fehlschuss. Im schlimmsten Fall muss ein Klub Leute auf der Geschäftsstelle entlassen, weil er wegen eines ungerechtfertigten Penaltys abgestiegen ist. Zu Olis Aussage: Er hat Recht, aber ich sehe diese Gefahr bei uns nicht. Unter der Woche sind Schiedsrichter-Entscheidungen im Training und in den Sitzungen kein Thema – wir nutzen unsere Energie für das, was wir beeinflussen können. Zum Beispiel müssen wir wieder effizienter im Torabschluss werden und so oft treffen, dass Schiedsrichter-Fehler kein grosses Gewicht haben.

Gut gespielt, trotzdem verloren: Ein Erfolgserlebnis muss schnell her, sonst stimmt neben den Resultaten bald auch die Leistung nicht mehr.

Völlig richtig! Für schönen Fussball können wir uns nichts kaufen, wir haben grosse Ziele und dafür brauchen wir Punkte. Hinter uns liegt eine schwierige Woche mit zwei Niederlagen in der Meisterschaft und dem Ausscheiden im Cup. Dennoch ist es noch zu früh und unsere Leistungen waren zu gut, um grundlegend über die Bücher zu gehen. Ich bin überzeugt, dass die Mannschaft gegen Yverdon wieder dominant auftritt und sich endlich wieder belohnt. Sorgen machen würde ich mir, wenn wir in den vergangenen drei Partien schlecht gespielt hätten.

Im Schnitt 3,4 Wechsel in der Startelf sind zu viel: Der FCA braucht eine Stammformation, keine Experimente.

Ja mit Experimentieren steigt man nicht auf, aber damit haben unsere Wechsel nichts zu tun. Der Trainer hat aus Leistungs- und Systemgründen Änderungen vorgenommen. Mit Enzler im Tor, Thaler und Bergsma im Abwehrzentrum, Jäckle – trotz kurzem Tief – im Mittelfeldzentrum, Rrudhani und Spadanuda in der Offensive haben wir einen Stamm. Mit elf Spielern werden wir die Saison nicht durchstehen. Wir können auf praktisch jeder Position gleichwertig wechseln, das war in der vergangenen Saison nicht der Fall, weshalb sich die Mannschaft einige Male von selbst aufgestellt hat.

Kehrt FCA gegen Yverdon zum Siegen zurück?

Als wäre die schlechte Torquote nicht Problem genug, ist der Gegner, gegen den der FC Aarau nach drei Niederlagen in Folge zum Siegen zurückkehren will, ausgerechnet das Bollwerk der Liga: Yverdon hat in den vergangenen sechs Partien nur einen Treffer kassiert – Bestwert! Ein Verdienst von Trainer Uli Forte, der Anfang August beim Aufsteiger übernommen hat und die Mannschaft nach kurzer Anlaufzeit zu jener mit der stabilsten Defensive geformt hat. FCA-Coach Stephan Keller muss auf den gesperrten Bastien Conus verzichten, für den Kronig hinten links verteidigen dürfte. Gashi, Thiesson, Ammeter und Qollaku fehlen weiterhin verletzt.

Ständige Änderungen im Mittelfeldzentrum sind wie eine Operation am Herzen: Extrem riskant!

Bei 3000 Leuten im Brügglifeld gibt es 3000 Meinungen zur Startelf. Die einen sagen, wir haben zuletzt verloren, weil Imran Bunjaku nicht gespielt hat. Die anderen sagen, wegen Randy Schneider haben wir gegen Thun und Vaduz so gut gespielt. Oder: Muss ein Stürmer nach zehn torlosen Spielen auf die Bank? Oder bringt man ihn erst recht, weil er es in der Vergangenheit ja bewiesen hat, Tore am Laufmeter erzielen zu können? Die Startformation ist das Hoheitsgebiet des Trainers, im Gegenzug zielt der Grossteil der Kritik auf ihn, wenn wir das Spiel nicht gewinnen. Das Resultat bestimmt die Richtung der Diskussion, das ist bei uns intern nicht anders, ausser dass die Emotionen eine kleinere Rolle spielen als bei den Zuschauern.

13 von 15 Gegentoren nach der Pause kassiert, nur 7 von 18 Toren nach der Pause erzielt: Der FC Aarau hört nach der Pause auf mit Fussball spielen!

Leider nicht – sonst hätten wir viel mehr Spiele gewonnen! (lacht) Im Ernst: Die Statistik ist uns bekannt, eine schlüssige Erklärung für das Phänomen haben wir nicht. Kurios ist ja, dass wir fussballerisch in vielen Spielen in der zweiten Halbzeit besser waren – ein krasser Fall war zuletzt das Vaduz-Spiel.

Nur drei Tore erzielt in den vergangenen sechs Partien: Jetzt rächt sich, dass der FC Aarau im Sommer zu lange auf die Rückkehr von Stojlkovic gehofft hat – danach war die Zeit für den Transfer eines anderen Topstürmers zu knapp.

Ja, wir haben auf Stojilkovic gehofft, wussten aber von Anfang an, dass es schwierig wird. Wir hatten Alternativen auf der Liste, gleichzeitig sind wir überzeugt, mit Gashi und Almeida im Sturmzentrum gut genug zu sein. Unser Konzept gibt vor, jede Position doppelt besetzt zu haben. Die Verpflichtung von Gobé Gouano Ende August war kein Paniktransfer, wir wollten eine Absicherung haben, falls sich einer der anderen Stürmer verletzt, so wie momentan Shkelzen Gashi. Bei uns schiessen nicht nur die Stürmer Tore, unser Offensivpotenzial ist sehr gross, auch wenn gewisse Spieler momentan eine Durststrecke haben.

Wenn unter dem Weihnachtsbaum kein Stürmer liegt, der Tore verspricht, wird der Aufstieg zur «Mission impossible».

Mit Gashi und Almeida liegen bereits zwei Stürmer unter dem Weihnachtsbaum – schon ausgepackt (lacht). Die beiden werden im weiteren Saisonverlauf ihre Tore machen. Wir analysieren momentan, auf welchen Position im Winter Handlungsbedarf besteht – das muss nicht zwingend im Sturm sein. Gouano hatte seine Anlaufschwierigkeiten, zeigte zuletzt aber gute Ansätze.

Der FC Aarau spielt lieber gegen Teams, die mitmachen, als gegen solche, die sich hinten verbarrikadieren.

Wem geht es da schon anders? Die Gegner anerkennen unsere Stärke und haben Respekt, was dazu führt, dass sie gegen uns eine eher destruktive Spielweise wählen. Das ist Kompliment und Herausforderung zugleich: Nachdem wir uns im ersten Saisonviertel gegen defensive Teams schwer taten, hat unser Trainer Lösungen gefunden, in Vaduz hatten wir gegen einen sehr defensiven Gegner viele Torchancen. Wir wollen Spiele mitunter dank unserer Offensivstärke gewinnen, im Brügglifeld werden wir uns nie mit zehn Feldspielern hinten reinstellen und vorne auf das Glück hoffen.

Wegen der Zielsetzung «Rang 1 oder Rang 2» ist der FC Aarau selber schuld, wenn nach schlechten Resultaten schnell Kritik aufkommt.

Darum seid Ihr Journalisten ja froh um unsere Zielsetzung (lacht). Natürlich bieten wir damit Angriffsfläche, aber letztlich haben wir einfach ehrlich nach aussen kommuniziert, was wir uns intern sowieso zum Ziel gesetzt hätten. Wir dürfen wegen Kritik nicht vom Weg abkommen und oder Entscheidungen treffen, nur weil die Medien oder Fans es so fordern. Aber mal ehrlich: Wir sind vier Punkte hinter Rang 2, nach einem Drittel der Saison – es könnte schlimmer sein. Natürlich hinterfragen wir unsere Arbeit dauernd und suchen Verbesserungspotenzial. Gerade Corona hat ja gezeigt, dass negative Stimmen immer lauter sind als positive. Ich habe nichts gegen sachliche Kritik, abgerechnet wird aber Ende Saison.

Nur wenn der Aufstieg gelingt, können Schlüsselspieler wie Rrudhani, Spadanuda, Enzler oder Bergsma gehalten werden. Ansonsten droht der Ausverkauf und der FC Aarau wäre in der nächsten Saison kein Aufstiegskandidat.

Das ist zu extrem formuliert. Ja, wir haben Druck, aber alles im Rahmen, den FC Aarau wird es auch nächste Saison geben. Wir möchten vor jeder Saison eine realistische Zielsetzung herausgeben, in diesem Jahr sind das die Aufstiegsplätze. Im Wissen, dass neben uns fünf andere Teams mehr oder weniger klar geäussert haben, dass sie auch in die Super League wollen. Es kann sein, dass wir eine gute Saison spielen, am Ende aber nur Vierter oder Fünfter werden, was natürlich nicht unser Anspruch ist. Und zu Spielerverkäufen: Die wird es, unabhängig von der Liga, immer wieder geben. Aber nur, wenn wir mit den Konditionen einverstanden sind.