
Lehrerinnen und Lehrer werden bald geimpft: Kita-Betreuende nicht – nun wehren sie sich
In den Kantonen Aargau, Bern und Solothurn werden demnächst Lehrerinnen und Lehrer bei Impfungen gegen das Coronavirus bevorzugt behandelt. In Solothurn und Bern spielt dabei das Alter impfwilliger Lehrpersonen keine Rolle, im Aargau werden sie ab 50 Jahre in die vierte – und damit eine priorisierte – Impfkategorie aufgenommen.
Nicht angesprochen sind dabei die Betreuungspersonen von familienergänzenden Angeboten, sprich Betreuungspersonen in Kindertagesstätten, schulergänzenden Tagesstrukturen oder Tagesfamilien. Das kommt beim Verband Kinderbetreuung Schweiz (Kibesuisse) schlecht an.
Letzte Woche ist er mit einem Brief an den Aargauer Gesundheitsdirektor Jean-Pierre Gallati gelangt. Darin schreibt der Verband:
«Wir bitten Sie dringend, die Impfpriorisierung auf die familienergänzende Bildung und Betreuung auszuweiten»
Er nehme «erstaunt und verärgert» zur Kenntnis, dass die prioritäre Impfung erst ab Kindergartenstufe gilt, nicht aber für Betreuungspersonen in der familienergänzenden Bildung und Betreuung. Der Entscheid erstaune umso mehr, als dass die Einhaltung des Mindestabstandes im Frühbereich offensichtlich noch viel weniger möglich sei.
Betreuende wünschen sich Gleichbehandlung
Sie begrüsse es, dass Lehrpersonen ab 50 im Aargau bevorzugt werden, sagt Kim Schweri, die Regionalleiterin Nordwestschweiz von Kibesuisse, auf Anfrage. Aber:
«Wir wünschen uns hier eine Gleichbehandlung. Die familienergänzende Bildung und Betreuung ist wie die Schule ein systemrelevantes Angebot, das offen bleiben muss. Diese Trennung macht keinen Sinn.»
Im Vergleich zum regulären Schulbetrieb seien die Schutzmassnahmen, wie etwa das Abstandhalten, schwerer umsetzbar, insbesondere bei den Kleinsten. «Daher ist es umso wichtiger, auch dort anzusetzen und die dort arbeitenden Personen zu schützen», so Schweri.

Kim Schweri, Regionalleiterin Nordwestschweiz Kibesuisse
Familienergänzende Bildungs- und Betreuungsangebote seien zwar systemrelevant, jetzt aber wieder vergessen gegangen. Es wäre ein wichtiges Signal der Wertschätzung der Branche, würde sie bei der Coronaimpfung ebenfalls prioritär behandelt, schreibt Kibesuisse. Schliesslich seien die Angebote selbst während des harten Lockdowns nicht geschlossen gewesen, die Betreuerinnen und Betreuer seien ohne Unterbruch ihrer Aufgabe nachgekommen. «Wir möchten dringend vermeiden, dass die nicht sachgerechte Ungleichbehandlung zwischen Volksschule und familienergänzender Bildung und Betreuung schweizweit Schule macht und bitten daher um schnellstmögliche Rückmeldung», so der Verband.
Ausweitung derzeit nicht vorgesehen
Diese steht noch aus, bis am Montag hat Kibesuisse keine Antwort vom Kanton erhalten. Das Gesundheitsdepartement schreibt auf Anfrage der AZ, eine Ausweitung der Impfpriorisierung sei derzeit nicht vorgesehen. Das Anliegen von Kibesuisse werde geprüft.
Auch in den Kantonen Bern und Solothurn laufen Abklärungen. «Ein solches Angebot wird auch für Mitarbeitende in Kindertagesstätten geprüft, weil auch bei diesen Personen die Schutzmassnahmen wie Maskenpflicht und Abstand nur begrenzt eingehalten werden können», teilt Güvengül Köz vom Fachstab Pandemie des Kantons Solothurn auf Anfrage mit.
Schweri vermisst den Stellenwert
Die ehemalige Grünen-Grossrätin Kim Schweri enttäuscht das Vorgehen des Aargaus. Bereits bei den Ausfallentschädigungen seien die Kitas vom Kanton vertröstet worden, bis der Entscheid des Bundes kam. «Der Aargau behandelt die familienergänzende Kinderbetreuung einmal mehr stiefmütterlich, das ist für einen Kanton dieser Grösse nicht adäquat», so Schweri. Familienergänzende Strukturen seien gerade an einem Wirtschaftsstandort wie dem Aargau wichtig und solle den entsprechenden Stellenwert erhalten.