
Swisslife senkt den Umwandlungssatz in der 2. Säule – so viel weniger haben Rentner nun im Portemonnaie
Helvetia hat bereits vor zwei Jahren die Umwandlungssätze in der beruflichen Vorsorge (BVG) gesenkt, Anfang 2021 hat Bâloise nachgezogen. Nun ist mit Swiss Life auch der führende Anbieter für Vollversicherungen – ihr Marktanteil beträgt 45 Prozent – an der Reihe. Der Zürcher Konzern hat am Montag mitgeteilt, dass er die Umwandlungssätze im obligatorischen und im überobligatorischen Bereich schrittweise bis ins Jahr 2023 senken will. Die Renten werden dadurch gegenüber dem Vorjahr um 2 bis 4 Prozent sinken, schreibt Swiss Life.
Wie werden die Umwandlungssätze gesenkt?
So senkt Swiss Life die Umwandlungssätze
2021 | 2022 | 2023 | |
---|---|---|---|
Obligatorium | |||
– Frauen | 6,8 | 6,5 | 6,2 |
– Männer | 6,8 | 6,5 | 6,2 |
Überobligatorium | |||
– Frauen | 5 | 4,76 | 4,54 |
– Männer | 4,95 | 4,71 | 4,49 |
Was bedeutet die Senkung des Umwandlungssatzes?
Der Umwandlungssatz wandelt das individuell angesparte Altersguthaben eines Versicherten in eine jährliche Rente um. Wird der er gesenkt, reduziert sich die pro Jahr ausbezahlte Rente. Konkret bedeutet ein Satz von 6,8 Prozent: Wer zum Zeitpunkt der ordentlichen Pensionierung ein Alterskapital von beispielsweise 100’000 Franken angespart hat, erhält mit der Pensionierung eine jährliche Rente in der Höhe von 6800 Franken.
Sinkt der Umwandlungssatz auf 6,5 Prozent, reduziert sich die jährlich ausbezahlte Rente auf 6500 Franken. In der Regel ist das Sparkapital deutlich höher und der Einkommensverlust kann schnell einige tausend Franken betragen.
Was sind die Gründe für die Senkung?
Der wichtigste Grund ist die steigende Lebenserwartung: 1980 ging man bei einem 65-jährigen Mann von einer verbleibenden Lebenserwartung von 15,3 Jahren aus. Heute ist die Lebenserwartung deutlich höher: Schweizerinnen werden im Schnitt 85,6 Jahre alt, Schweizer 81,9 Jahre.
Das heisst, dass das Geld, das jeder Arbeitnehmende für sich in der zweiten Säule anspart, mehr als drei Jahre länger reichen muss. Verschärft wird diese demografische Entwicklung durch das anhaltende Tiefzinsumfeld. Die Versicherer haben grosse Mühe, die versprochene Rendite zu erwirtschaften. In Kombination führen diese Faktoren dazu, dass die Umverteilung von aktiven Versicherten zu Rentenbezügern stetig zunimmt.
Mit der Anpassung der Umwandlungssätze reduziere sich diese Querfinanzierung in Zukunft «substanziell», rechtfertigt Swiss Life den Schritt.
Wie viele Unternehmen mit wie vielen Angestellten sind von dieser Änderung betroffen?
Die angepassten Umwandlungssätze gelten für alle aktiv Versicherten in der Vollversicherung von Swiss Life. Aktuell zählt der Versicherer dort rund 40’000 Unternehmen mit rund 350’000 aktiv versicherten Personen als Kunden. Eine Vollversicherung ist insbesondere für KMU-Kunden attraktiv, weil sie mit diesem Modell am meisten Ressourcen sparen können.
Mit einer Vollversicherung können die Firmen auch die Anlagerisiken ihrer Vorsorgeeinrichtungen abgeben. Die Versicherung garantiert den Zins und trägt das Anlagerisiko. Insbesondere Firmen in Branchen mit tiefen Margen, Reserven und Löhnen sind auf die Vollversicherung angewiesen.
Doch auch internationale Holding-Firmen mit kleinen Strukturen in der Schweiz mögen das Vollversicherungs-Modell. Dieses wird nur noch von fünf Lebensversicherern, nämlich Swiss Life, Helvetia, Bâloise, Allianz Suisse und Pax angeboten.
Was ist der obligatorische und der überobligatorische Bereich?
In der beruflichen Vorsorge wird zwischen dem überobligatorischen und dem obligatorischen Bereich unterschieden. Zum obligatorischen Bereich gehört der durchschnittliche Jahreslohn von weniger als 84’600 Franken. Der Umwandlungssatz darf in diesem Bereich nicht unter die gesetzlich geregelten 6,8 Prozent sinken.
Lohnanteile darüber werden der überobligatorischen Vorsorge zugeordnet. Hier bestimmt die Pensionskasse den Umwandlungssatz. Er beträgt meist deutlich weniger als die 6,8 Prozent.
Um beim Beispiel mit 100’000 Franken zu bleiben, gilt für 84’600 Franken derzeit für einen Mann ein Satz von 6,8 Prozent (jährliche Rente: 5753 Franken), für die restlichen 15’400 Franken gilt ein Umwandlungssatz von 4,95 Prozent (jährliche Rente: 762 Franken). Pro Jahr beträgt die Rente in diesem Beispiel 6515 Franken.
Weshalb kann Swiss Life im obligatorischen Bereich den gesetzlich vorgeschriebenen Umwandlungssatz von 6,8 Prozent unterbieten?
Sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen unterschreitet Swiss Life den gesetzlichen Satz ab dem 1. Januar 2022. Swiss Life betont, dass das gesetzliche Minimum in jedem Fall garantiert sei. Sollte es im Einzelfall mit dem neuen Umwandlungssatz nicht erreicht werden, stocke die Versicherung die jeweilige Altersrente entsprechend auf.
Im Prinzip sind die Anbieter von BVG-Vorsorgelösungen und auch Pensionskassen frei, einen beliebig hohen Teil der im Überobligatorium liegenden Gelder zur Erfüllung der garantierten Mindestleistung zu transferieren. Diese Schattenrechnungen oder Querfinanzierungen sind bekannt. Dass nun der Branchenführer im obligatorischen Bereich den Umwandlungssatz etappenweise senkt, ist ein starkes Signal.
Swiss Life will die jährlich stattfindende Umverteilungsübung, die zulasten der Jüngeren und der laufend ins BVG Einzahlenden gehen, nicht mehr hinnehmen. Denn diese haben in der Regel wenig von der Überschussrendite, welche die Versicherungen zum Stopfen der finanziellen Löcher verwenden müssen.
Mit der Reduktion der Umwandlungssätze im Obligatorium könne Swiss Life diese Umverteilung «substanziell» reduzieren.
Wie steht es um die BVG-Reform?
Die Stabilisierung der beruflichen Vorsorge steht seit längerem auf der politischen Agenda. Die laufende BVG-Reform wurde aber mehrfach verzögert und dürfte in der zweiten Jahreshälfte im Parlament vorangetrieben werden.
In der aktuellen bundesrätlichen Botschaft zur BVG-Reform ist die Senkung des gesetzlichen Mindestumwandlungssatzes auf 6.0 Prozent vorgesehen. Helvetia, Bâloise und nun Swiss Life nehmen mit der Senkung des obligatorischen Satzes diese Entwicklung voraus.