«Freiheitsrechte für Geimpfte», «Angst vor Zweiklassengesellschaft»: Das halten Aargauer Bundesparlamentarier von Impfprivilegien

Am Donnerstag vermeldete der Aargau einen Meilenstein: Alle Bewohnerinnen und Bewohner der Altersheime hatten ihre zweite Impfung erhalten. Die weiteren Risikogruppen werden weiterhin geimpft. Und sobald genügend Impfstoff vorhanden ist, auch alle anderen, die das wollen. Je nach Voraussage soll es bis im Sommer so weit sein.

Und dann? Sollen Geimpfte an Konzerte, in Kinos oder Restaurants dürfen, Ungeimpfte aber nicht? Soll es Impfprivilegien geben? Das meinen verschiedene Aargauer Bundespolitiker:

Ruth Humbel, Die Mitte: «Geimpfte Personen müssen ihre Freiheitsrechte zurückbekommen»

Es sei falsch, von Impfprivilegien zu sprechen, findet Die-Mitte-Nationalrätin Ruth Humbel. Wer sich impfen lässt, würde selbst nicht mehr stark erkranken und dadurch das Gesundheitswesen belasten, und er sei auch kaum noch ansteckend. Darum seien unverhältnismässige Einschränkungen nicht mehr gerechtfertigt. «Geimpfte Personen müssen ihre Freiheitsrechte zurückbekommen.»

«Entweder nutzen wir die Möglichkeiten von Impfen und Testen und können frühstens ab dem Sommer wieder Anlässe durchführen, oder es bleibt alles verboten, nach dem Motto, wir lassen es allen gleich mies gehen, damit sich kein Impf- und Testgegner diskriminiert fühlt. Eine solche Einstellung ist einfach abwegig.» Wichtig sei, dass Menschen bei öffentlich-rechtlichen Leistungen, etwa im ÖV, nicht benachteiligt würden. «Da dürfte die Maskenpflicht für alle noch lange gelten.»

Irène Kälin, Grüne: «Einen Impfzwang lehnen wir ganz klar ab»

Eins steht für Nationalrätin Irène Kälin fest: Menschen, die sich nicht impfen lassen können oder aus persönlichen Gründen nicht wollen, dürften nicht benachteiligt werden. «Einen Impfzwang lehnen wir Grünen ganz klar ab.» Wenn die Impfung denn einmal für alle zugänglich ist, findet sie es in Ordnung, wenn geimpfte Personen zum Beispiel an Grossveranstaltungen teilnehmen können.

Aber: «Es braucht eine Gleichbehandlung.» So müssten auch Leute an Veranstaltungen zugelassen werden, die nach einer Infektion etwa immun sind oder einen negativen Coronatest vorweisen können. Sie betont, dass eine abschliessende Beurteilung momentan noch schwierig sei. Zwar gäbe es erste Hinweise, dass die Impfung auch eine Übertragung des Virus verhindere, dazu bräuchte es aber weitere Daten. Ist das erwiesen, müssten laut Kälin Geimpfte oder Immunisierte auch von der Quarantäne befreit werden: «Man muss die Menschen ja nicht sinnlos isolieren und sie vom sozialen Leben und dem Arbeitsplatz fernhalten.»

Thomas Burgherr, SVP: «Ich will keine Zweiklassengesellschaft»

Er habe grossen Respekt vor den anstehenden Entscheidungen, sagt SVP-Nationalrat Thomas Burgherr. «Die Unzufriedenheit ist bereits heute bei vielen Menschen gross.» Und zwar auf beiden Seiten, bei Impfgegnern wie auch Befürwortern. Burgherr möchte kein zusätzliches Öl ins Feuer giessen. Und mit zu ausgeprägten Privilegien würde genau das passieren. «Ich will keine Zweiklassengesellschaft.» Und auch wenn er persönlich fürs Impfen ist, wie er betont: «Es gibt Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen, und das gilt es zu respektieren.»

Darum ist er gegen Impfprivilegien im Alltag, etwa beim Restaurantbesuch. Bei aussergewöhnlichen Anlässen kann er sich noch eher damit abfinden. Etwa bei einem Festival, das einmal im Jahr stattfindet. Ausserdem: Wenn Private, etwa eine Fluggesellschaft, Impfprivilegien verteile, müsse man das diskutieren. Tests vor Ort könnten eine Alternative sein, findet Burgherr.

Lilian Studer, EVP: «Nicht geimpfte Personen müssen mit Einschränkungen leben»

«Geimpfte Personen haben nicht Privilegien, sondern nicht geimpfte Personen müssen mit gewissen Einschränkungen leben», sagt EVP-Nationalrätin Lilian Studer. Zum Beispiel beim Contact-Tracing: So sollen laut Studer Geimpfte nicht mehr in Quarantäne müssen.

Allerdings: Eine Person, die sich nicht impfen lassen möchte, soll in bestimmten Situationen, etwa an einem Festival oder im Flugzeug, die Möglichkeiten, einen negativen Test anstelle eines Impfnachweises vorzulegen. Ausserdem, so Studer: «Für Menschen, die ins Ausland reisen wollen, werden die Regeln vom jeweiligen Land bestimmt. Dies muss sich jeder, der sich nicht impfen lassen will, bewusst sein.»

Thierry Burkart, FDP: «Einreisen sollen nur Geimpften erlaubt werden»

Abgesehen von den vulnerablen Menschen und dem Gesundheitspersonal sollten vor allem Menschen, die aus beruflichen Gründen ins Ausland reisen müssen, von raschen Impfungen profitieren können, findet FDP-Ständerat Thierry Burkart. «Erst wenn etwa Piloten, Reisebuschauffeure oder Lokführer geimpft sind, kann die grenzüberschreitende Mobilität wieder funktionieren». Einreisen sollen nur Geimpften erlaubt werden. Im Inland seien ab dem Zeitpunkt, ab dem alle in unserem Land die Möglichkeit gehabt hätten, sich zu impfen, sämtliche Restriktionen und Schliessungen aufzuheben. Frühere Privilegien für Geimpfte seien nicht machbar. «Sonst ist ein Teil der Bevölkerung benachteiligt.»

Yvonne Feri, SP: «Ich akzeptiere, dass sich Personen nicht impfen lassen möchten»

Für SP-Nationalrätin Yvonne Feri ist es aktuell noch zu früh, um über Impfprivilegien zu diskutieren: «Aus Gleichbehandlungsgründen ist es wichtig, dass Privilegien – wenn überhaupt – erst gelten dürfen, wenn alle Menschen sich impfen lassen konnten.» Dass geimpfte Personen künftig auf die Quarantäne verzichten oder ihre Angehörigen in einer Pflegestation besuchen könnten, findet sie in Ordnung. Jedoch müsse das Besuchen der Angehörigen auch mit Schutzmassnahmen möglich sein.

Auch sieht Feri bei den diskutierten Privilegien die Gefahr eines indirekten Impfzwanges. Auch wenn sie sich selbst impfen lassen wird, betont sie: «Ich akzeptiere, dass sich Personen aus ethischen, gesundheitlichen oder religiösen Gründen nicht impfen lassen können oder möchten.» Wichtig findet die SP-Nationalrätin auch, dass eine gesetzliche Grundlage ausgearbeitet wird: Damit für alle klar ist, was möglich ist und was nicht.

Beat Flach, GLP: «Die Wahlfreiheit zwischen verschiedenen Nachweisen muss gewährleistet bleiben»

Bis die Impfung allen Personen zur Verfügung steht, «muss ungeimpften Personen eine andere Möglichkeit offenstehen, sich als nicht ansteckend auszuweisen», findet Beat Flach, Nationalrat der Grünliberalen. Etwa mit einem negativen Coronatest oder einem Immunitätsnachweis. Systematische Ungleichbehandlung würde sonst die epidemiologisch begründete Impfreihenfolge gefährden. Auch wenn sich theoretisch alle impfen lassen können, sei es wichtig, dass niemand von Privilegien ausgeschlossen werde: «Die Wahlfreiheit zwischen verschiedenen Nachweisen muss gewährleistet bleiben.» Während Flach es als legitim erachtet, dass man sich bei einem privaten Konzertveranstalter als nicht ansteckend ausweisen muss, «sollten Tätigkeiten des alltäglichen Bedarfs keiner Einschränkung unterstellt sein».