
Schon Ende Juni sollen alle Impfwilligen gepiekst sein: Der Bund hält an seinem Impfplan fest
Es ist geradezu ein Flehen. «Wann, Herr Ackermann, können wir wieder mit Normalität rechnen? Können Sie uns ein Zeichen der Hoffnung geben?», fragen die Journalistinnen und Journalisten in Bern den Leiter der Covid-19-Taskforce. Das möchte der ETH-Professor noch so gerne tun. Doch vorher muss er zeigen, dass die Fallzahlen immer noch in die falsche Richtung gehen oder bestenfalls stagnieren. 1370 Neuinfektionen waren es gestern. Immerhin gehen die Hospitalisationen zurück und noch mehr die Todesfälle, von denen gestern 13 zu beklagen waren. Die Übersterblichkeit bei Menschen über 65 ist überwunden.
So hält Ackermann die Entwicklung generell für gut, war der 14-Tage Inzidenzwert Ende Oktober noch bei 1250 hat er sich seither auf 170 reduziert. «Die Massnahmen am 18. Januar haben die Ansteckungen nochmals verringert», sagt der Taskforce-Chef. Doch dann hat sich die britische Variante B.1.7.7 in der Schweiz verbreitet und die Schutzmassnahmen sabotiert. Diese Variante dominiert heute die Schweiz zu 70 Prozent und macht die Lage unsicher, wie Virgine Masserey vom Bundesamt für Gesundheit erklärt. Zwei Faktoren können nach Ackermann aus epidemiologischer Sicht zum Anstieg, drei zur Reduktion der Infektionen führen: zu mehr das weitere Vordringen der britischen Variante sowie mehr Kontakte und Mobilität. Zu weniger dagegen Massentests, wärmere Temperaturen mit Menschen, die sich im Freien treffen, und drittens die zunehmende Immunisierung der Bevölkerung durch durchgemachte Erkrankungen und vor allem durch die Impfungen.
Und so kommt Ackermann doch wieder, so vorsichtig er seine Worte auch wählt, zu den von der Öffentlichkeit verlangten Aussagen zur möglichen Rückkehr ins normale Leben. Die steigenden Fallzahlen trotz laufender Schutzmassnahmen zeigen, dass es keine Alternative zur Impfung gibt. «Impfen ist die grosse Hoffnung. Sie ist der wichtigste Faktor bei der Überwindung der Pandemie.» Ackermann kann es kaum mehr erwarten, bis er selber an der Reihe ist. «Ich werde wohl in den nächsten Monaten irgendwo auf das Virus treffen. Mein persönliches Ziel ist, geimpft zu sein, wenn das passiert.» Jeden Tag müsse deshalb so viel wie möglich geimpft werden, denn die Lage sei immer noch uneindeutig. Zwar habe man die Fallzahlen seit Oktober dreimal halbieren können. Schnell sei aber auch wieder eine Verdoppelung der Infektionen erreicht, wenn man unvorsichtig sei. Deshalb müsste die Pandemie mit Massentests gemanagt und mit der Impfung besiegt werden.
Impfung verhindert Erkrankung und Übertragung
Optimistisch stimmen Ackermann zudem die wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass die Impfung nicht nur die Erkrankung an Sars-CoV-2 verhindert, sondern auch die Übertragung auf andere Menschen stoppt. «Wer geimpft ist, ist nach den neusten Erkenntnissen nicht mehr Glied der Ansteckungskette». Dazu brauche es noch weitere Studien, aber Grund zur Hoffnung biete das.
Wie auch die Aussagen der Impfdelegierten des Bundes Nora Kronig. Das Februar-Loch, als zu wenig Impfstoff zur Verfügung stand, könne im März kompensiert werden. Und im zweiten Quartal nach Anfang April stehe der Schweiz viel Impfstoff zur Verfügung. «Wir haben einen ambitiösen Impfplan», sagt Kronig. Aber man sei auf Kurs: «Ende Juni können alle geimpft sein, die das wollen». Und dabei widerspricht nicht mal Rudolf Hauri, Zuger Kantonsarzt und Präsident der Vereinigung der Kantonsärzte, der im selben Saal am Mikrofon sitzt. Noch vergangene Woche war seitens der Kantone die Rede davon, dass es wohl Mitte August werden würde. Die Ausführung liegt schliesslich bei den Kantonen.
Ein Datum für das Ende der Pandemie könne man nicht ausrufen, sagt Kronig. Eine grosse Erleichterung und Entlastung sei im Sommer bei Durchimpfung zu erwarten, sagt Ackermann. «Doch das Virus wird nicht verschwinden. Unser Ziel muss sein, dass es keine Bedrohung mehr ist.» Das Virus könnte ein saisonales Phänomen werden, wie die Grippe. Vielleicht müsse man sich immer wieder impfen, mit auf die neusten Varianten angepassten Wirkstoffen. «Es wird kein einzelner Schritt sein in die normale Welt, sondern ein schrittweiser Weg», sagt Ackermann. Vielleicht im Winter punktuell sogar wieder mit Maske.