
Der vermeintliche Federhaufen war der König am Wiggertaler Himmel
Wenn Frau Holle, wie in diesem Winter, auch im Unterland Schneeflocken reichlich übers Land verteilt, bricht für viele Wildvögel eine harte Zeit an: In unserer zivilisierten Umwelt wird es für sie immer schwieriger, natürliche Nahrung zu finden. Dies beobachten Vogelexperten vor allem in Ballungsräumen und landwirtschaftlich intensiv genutzten Gegenden. Für den Eisvogel, den Mäusebussard, die Schleiereule oder den Turmfalken machen zugefrorene Gewässer und geschlossene Schneedecken die Nahrungssuche denn auch schwer. Doch: «Nur weil Kleinvögel wie Finken und Meisen nicht so zahlreich zu den Futterhäuschen kommen, bedeutet das nicht, dass es ihnen schlecht geht oder sie gestorben sind», heisst es in einer Medienmitteilung der Vogelwarte Sempach. Die Vogelwarte geht davon aus, dass viele Vögel bislang noch genügend Samen, Nüsse und Beeren von Büschen und Sträuchern stibitzen können.
Trotzdem sei es möglich, dass einige Vögel den harten Winter nicht überleben würden. «Aber Bestände können sich nach einem einzelnen strengen Winter rasch wieder erholen», heisst es weiter. Tatsächlich haben sich die Vögel, die das ganze Jahr in der Schweiz bleiben, über Jahrtausende an das harsche Klima im Winter angepasst. Und: Die Fähigkeit zum Fliegen macht sie unabhängiger als andere Tiere. Ist die Nahrung knapp, fliegen sie kurzerhand an einen anderen Ort, wo ein besseres Angebot herrscht. Beispielsweise könne ein Rotmilan in nur zwei Tagen nach Spanien fliegen und sich dort den Magen vollschlagen. So zählten Freiwillige im Januar deutlich weniger Rotmilane als in anderen Jahren. Winterflucht und Änderung der Jagdstrategien vergrössern zwar die Überlebenschance, verursachen aber auch Not und Unfälle. Dieser schneereiche Winter hat dem Tierreich arg zugesetzt. Das steht schon jetzt fest. – Einen Rettungsversuch für den «König der regionalen Lüfte» ohne Happyend können Sie nachfolgend lesen…
Der Milan ist der unbestrittene Luftkönig im Wiggertal
Kürzlich, an einem Sonntag mit heftigem Nassschneetreiben, begaben sich der Schreibende und seine Frau auf eine ausgedehnte Schneewanderung über den Born oberhalb der A1. Auf dem Heimweg durch die Autobahnunterführung in Boningen entdeckten wir im Schnee liegend einen vermeintlichen Tierkadaver. Beim genaueren Betrachten entpuppte sich der «Federhaufen» als noch lebender, allerdings stark unterkühlter und bis auf die Knochen abgemagerter Rotmilan: Flügelspannweite über 150 cm. Aber er lebte, so schwach er auch war. Handelte es sich dabei um den geschickten Jäger und eleganten und wendigen Flieger, der im Sommer und Herbst täglich über unserem Wohngebiet nach Nahrung Ausschau hielt? Manchmal flog der prächtige Vogel so tief über die Häuser, dass man ihn selbst mit dem Handy gestochen scharf ablichten konnte. Der Ruf des Rotmilans war oft zu hören und klingt gedehnt pfeifend etwa «wiiuu» oder «pië». Vor allem in der Nähe des Brutplatzes ist ein lang gezogenes, trillerndes «gliehihihihi»/«gliühuhuhu» zu hören. Der Warnruf klingt wie «bijö-biwitt». Ausserhalb der Brutzeit ist der Rotmilan aber recht schweigsam.
Jetzt hiess es schnell handeln
Sorgfältig wickelte der Schreibende den Rotmilan trotz Kälte und Schneetreiben in seinen ausgezogenen Pullover. Zu Hause angekommen, wurde der Vogel zum Aufwärmen neben der Heizung im Keller in einen mit Badetüchern ausgelegten Wäschekorb gelegt. Und siehe da, nach einer halben Stunde öffnete der unterkühlte Greifvogel seine scharfen Augen. Das mit Pinzette eingegebene Hackfleisch fand den Weg aber leider nicht in den Verdauungstrakt des Vogels. Schnell war mit Roland Zimmerli ein Mitglied der Vogelpflegestation Oftringen (VPS) helfend zur Stelle. In einer abgedunkelten Kartonschachtel nahm er den stattlichen Vogel mit der imposanten Flügelspannweite von über 1,50 Meter mit in die Station Loo in Oftringen. Dazu Roland Zimmerli: «Der Rotmilan ist in einer schlechten Verfassung, eigentlich nur ein Skelett mit Federn und stark unterkühlt. Wir werden aber alles versuchen ihn zu retten.» Vogelretter Roland Zimmerli weiter: «Wichtig bei solchen Rettungsaktionen ist, den verletzten Vogel mit einem Tuch abzudecken, damit er sich beruhigt. Unbedingt Handschuhe anziehen (Hackangriffe), den Vogel von hinten fassen und in eine Schachtel packen. Greifvögel sind Augentiere. Man kann den Vogel dann gefahrlos festhalten, indem man über den Rücken zugreift und mit beiden Händen die Flügel am Körper fixiert. Bleiben die Augen verdeckt – selbstverständlich so, dass der Vogel noch Luft bekommt –, wird er sich ruhig verhalten und man kann ihn auch transportieren. Nie sollten Käfige genutzt werden, aus denen der Vogel herausschauen kann: Er könnte sich durch Fluchtversuche zusätzlich verletzen oder wäre durch geknickte und gebrochene Federn nicht mehr wildbahntauglich. Dunkelheit bedeutet Ruhe.» – Trotz aller Bemühungen überlebte der Rotmilan nicht. Die traurige Nachricht übermittelte NVO-Präsident Urs Meier den Findern persönlich. Urs Meier: «Klar ist, dass es in diesem schneereichen Winter für die Greifvögel schwer ist, an Futter zu kommen. Vor allem die Bussarde werden dezimiert. Für die meisten der uns angelieferten, stark geschwächten Bussarde kam leider jede Hilfe zu spät.»
Erschöpften oder verletzten Greifvogel gefunden?
Seit Jahren ist der sehr aktive Natur- und Vogelschutzverein Oftringen im Besitz einer Vogelpflegestation. Diese befindet sich im alten Schützenhaus beim Loohof. Vieles konnte in dieser Zeit schon realisiert werden. Das Team, das sich um verwaiste und verletzte Vögel kümmert, hält sich bereit. Damit die Pfleglinge versorgt werden können, braucht es ein tatkräftiges Team. Drei Hauptverantwortliche und einige Helfer stehen bereit. Weitere Verstärkung ist jedoch erwünscht. Vor allem sucht der Natur- und Vogelschutzverein Oftringen dringend Verstärkung in den Vorstand, so zum Beispiel einen Aktuar oder eine Aktuarin. Interessierte können sich bei Vizepräsidentin Susanne Stocker (079 289 27 76), Präsident Urs Meyer (079 568 95 03) oder Ehrenmitglied Roland Zimmerli (079 407 07 94) melden. (BM.)