Mit vielen Tests gegen den Corona-Ausbruch: So kämpft Arosa um die Sportferien

Er ist noch ein Knirps, aber schon jetzt sucht er die Falllinie. Am Ende des kleinen Hangs schafft er es sogar noch, irgendwie zum Stehen zu kommen. In der Skischule Arosa herrscht an diesem Morgen Hochbetrieb. Die Schüler wuseln. Die Lehrer zurren Helme fest. Zeigen Stemmbogen. Schenken Tee aus.

Vor einer anderen Schule, ein paar hundert Meter entfernt, ist alles anders. Komplette Ruhe. Kein Mensch weit und breit. In der Glastür hängt ein Schild, Die Schule Arosa bleibt bis 7. Februar geschlossen, heisst es da.

Die Schule ist also zu. Wegen Corona. Die Skischule ist wieder offen. Trotz Corona.

Am letzten Mittwoch meldete der Kanton Graubünden, dass in der Aroser Schule 14 Corona-Fälle aufgetreten sind, die britische, ansteckendere Mutation. In den Tagen darauf fanden Flächentests statt. Bis gestern meldete der Kanton 76 Fälle, davon 63 Mutationen – bei 2794 Tests. Die Fälle seien «hauptsächlich» auf das schulische Umfeld zurückzuführen, die Betroffenen in Quarantäne.

Die letzte Woche verhängten Massnahmen hoben die Behörden bereits am Sonntagabend wieder auf, als die ersten Erkenntnisse der Massentests vorlagen: die Skischulen durften wieder öffnen. Auch die Verbindungsbahn oben am Berg, die Arosa mit der Lenzerheide verbindet. Die generelle Maskentragpflicht gilt zudem nicht mehr.

Alles gut also, das zumindest ist die Botschaft. Und doch: Die Geschichte wirft Fragen auf, gerade jetzt, in der Sportferien-Zeit. Zum Beispiel die, ob es sinnvoll ist, auch im Corona-Winter im Februar in die Berge zu fahren.

Die Bündner wollen ein Schweizer Vorbild sein

Tourismusdirektor Pascal Jenny sagt, als er von den Corona-Fällen an der Schule von Arosa gehört habe, da sei er zuerst einmal erstarrt. Doch jetzt steht er auf dem Balkon seines Hauses und versprüht schon wieder jede Menge Zuversicht. Trotz der Quarantäne, in der er mit seiner Familie steckt, seit drei Tagen schon und noch bis Freitag.

Seine Kinder besuchten die Schule, in der das Virus sich ausbreitete. Ungefähr 50 Familien geht es in Arosa gerade so wie Jennys. Quarantäne. Nicht lustig, schmunzelt der 46-Jährige.

Auf seinem Pullover prangt in blauen Buchstaben «Arosa». Früher spielte Jenny erfolgreich Handball, absolvierte 73 Länderspiele und 348 in der höchsten Schweizer Liga. Als Tourismusdirektor kam er unter anderem auf die Idee, in Arosa ein Bärenland aufzubauen, um im Sommer mehr Touristen ins Dorf zu locken. Jetzt wirbt er für die Bündner Strategie mit den Massentests, die nirgendwo sonst so konsequent durchgezogen wird. Sie funktioniert etwa so: offen bleiben. Und bei Ausbrüchen rasch breit testen, um die Verbreitung des Virus zu verhindern. In Arosa wird diese Woche zudem nochmals getestet – eine weitere Sicherheitsmassnahme.

Jenny sieht seinen Kanton und sein Dorf damit als Vorbild für den Rest der Schweiz. «Wir haben gezeigt, wie man das Virus eindämmt und gleichzeitig einen Ferienort sinnvoll betrieben kann», sagt er. Wobei auch er weiss, dass sich zwar viele, aber nicht alle Menschen in Arosa testen liessen. Jenny schätzt die Quote auf 85 Prozent.

Touristiker wandeln in diesem Winter auf einem schmalen Grat. Sie wollen einerseits dem Gast so viel Normalität wie möglich anbieten. Andererseits müssen sie unbedingt verhindern, dass ihr Ort zu einem Corona-Hotspot wird. Die Tests, die bald auch in den Betrieben wie Hotels oder Bergbahnen regelmässig stattfinden sollen, sind für Jenny die Lösung.

Epidemiologen sind skeptisch. So sagt Nicola Low von der wissenschaftlichen Taskforce des Bundes, dass Tests kein Ersatz seien für Massnahmen, welche die Anzahl Kontakte reduzieren. «Sie sind eine wesentliche zusätzliche Säule der Prävention», sagt Low.

Pascal Jenny erwidert, er könne diejenigen verstehen, die lieber alles herunterfahren würden. Solche Stimmen habe es auch in Arosa gegeben. Es sei bisher wegen der Skigebiete aber noch zu keinen grossen Ausbrüchen gekommen, auch nicht über die Festtage. Alles herunterzufahren, sei deshalb vor allem eines: schädlich für die Volkswirtschaft – und auch die Volksgesundheit. «Wir brauchen einen Mittelweg», sagt er. Dazu könnte für ihn auch gehören, dass Touristen auf dem Weg nach Arosa in Chur einen Stopp einlegen und dort einen Corona-Test machen.

Die Sonne und das gute Gefühl

In der Aroser Skischule ist Noldi Heiz der Chef, und in den letzten Tagen hatte er alle Hände voll zu tun. Es gab viele Fragen. Viel Verunsicherung. Heiz befürchtete Absagen. Doch die blieben aus. Natürlich, der Winter wird kein guter mehr. Es kommen weniger Kinder, 40, vielleicht sogar 50 Prozent dürfte der Rückgang betragen. «Wir sind einfach froh, dass wir arbeiten können», sagt er. Das sei gerade auch für die Skilehrer wichtig, weil sie sonst kein Einkommen hätten.

So oder ähnlich tönt es auch anderswo im Dorf. Etwa beim Kutscher, der am Bahnhof auf Kunden wartet und hofft, dass das Virus Arosa jetzt in Ruhe lässt, damit im Februar und März noch viele Fahrten dazu kommen. «Alles zu, das wäre eine Katastrophe», sagt er.

Und die Gäste? Die sind da. Aber nicht im Übermass. Sie flitzen über die Pisten, ziehen Schlitten durchs Dorf. Ein paar haben keine Lust, über Corona zu reden. Andere kein bisschen Angst vor dem Virus. Und dann ist da noch die Frau, die beim Buchen skeptisch war und sich bestätigt sah, als sie vom Ausbruch las. Aber jetzt ist sie doch gekommen. Steht bei der Skischule in der Sonne. Und sagt, dass sie gerade ein sehr gutes Gefühl habe.