Karin Berglas ist Vordemwalds Aussenministerin: «Hier funktioniert die Solidarität»

Seit 2011 ist Karin Berglas im Gemeinderat, nun will die aktuelle Frau Vizeammann die zweite Frau Gemeindeammann in der Geschichte Vordemwalds werden. Die gebürtige Innerschweizerin kommt gut vorbereitet zum Termin im Gemeindehaus, hat sich etliche Notizen gemacht, was sie der Journalistin erzählen will. Dass hinter ihrer Arbeit als Gemeindepolitikerin viel Herzblut und Freude steckt, wird rasch klar. Dabei wollte Karin Berglas, als sie mit ihrem damaligen Ehemann nach Vordemwald zog, sich zuerst aus der Politik raushalten.

Geboren ist die heute 56-Jährige in Luzern, aufgewachsen ist sie in Hergiswil NW mit einem älteren Bruder. Am Kollegium in Stans NW machte sie die Matur im Bereich moderne Sprachen. Anschliessend studierte sie an der Universität in Bern Jus und schloss das Studium 1991 mit Lizenziat ab. Bereits während des Studiums absolvierte sie ein Praktikum bei einer Bank. In der Folge arbeitete sie auf einer Bank und in einem Treuhandbüro als Juristin und Kundenbetreuerin. 1998 wurde sie – überraschend, wie sie meint – für die FDP in den Nidwaldner Landrat gewählt. Das ist das Kantonsparlament. «In unserer Familie wurde immer politisiert, das Zeitgeschehen war am Tisch immer ein Thema», erklärt sie ihre Nähe zur Politik. Die Familie sei immer liberal eingestellt gewesen. Werte, mit denen sie sich ebenfalls identifizieren kann. Ein Jahr nach der Wahl heiratete sie ihren Mann, der ursprünglich aus Brittnau stammte. Im Landrat stieg sie zur Präsidentin der Justizkommission auf. Nach der Geburt der Tochter ein Jahr später, entschied sie sich bewusst für die Familie. Beruflich engagierte sie sich fortan reduziert in der Erwachsenenbildung. Mit dem Wegzug von Nidwalden 2003 zog sie sich aus der aktiven Politik weitgehend zurück.

«Hier funktioniert die Solidarität»

Mit ihrem Mann, von dem sie nun geschieden ist, suchte sie in der Umgebung Brittnau einen Bauplatz für ein Haus. «Als wir über die Schleipfe nach Vordemwald fuhren und ich das Dorf sah, dachte ich: ‹Wow, das ist hübsch!›», erinnert sie sich. Das Paar hatte Glück und fand einen Bauplatz. Es liess sich mit den zwei bereits geborenen Kindern, einem Mädchen und einem Buben, in Vordemwald nieder. Es folgte noch ein Bube. Alle drei sind mittlerweile junge Erwachsene. «Ich hatte sofort einen Draht zu Vordemwald», sagt Karin Berglas. «Wir wurden sehr offen empfangen.» Sie schätze es, dass das Dorf noch eine Chäsi, eine Metzgerei und einen Volg hat. Dank der Kinder lernte sie die Menschen im Dorf rasch kennen. «Hier funktioniert die Solidarität und das Zwischenmenschliche. Das finde ich unglaublich schön», sagt Karin Berglas. «Ich habe mich hier neu verwurzelt, Vordemwald ist meine zweite Heimat.»

Weil der Nachbar der Familie Berglas der FDP-Präsident war, rutschte sie doch wieder in die Politik rein. So übernahm sie ein Amt in der Geschäftsprüfungskommission des Altersheimvereins Hardmatt. 2010 kandidierte sie erstmals als Gemeinderätin, schied aber als Überzählige aus. Ein Jahr später gelang die Wahl, weil ein anderes Mitglied demissionierte. Karin Berglas übernahm das Ressort Soziales, Gesundheit und Sicherheit. Seit 2011 sei in diesen Ressorts viel gegangen, sagt sie. Mit der Gemeinde Rothrist wurde der Sozialdienst aufgebaut, die Spitex wurde regionalisiert und die Zusammenarbeit der Feuerwehren intensiviert. Sowieso: Regionale Zusammenarbeit ist Karin Berglas wichtig. Darum nennt sie sich mit einem Lachen auch «die Aussenministerin Vordemwalds». «Es gibt Themen, die kann man auf lokaler Ebene nicht optimal lösen. Regionale Zusammenarbeit ist wichtig, dafür muss man aber nicht fusionieren», findet sie. Dazu gehöre das Thema Pflege und Betreuung im Alter zu Hause oder auch die Infrastruktur wie beispielsweise die Abfallentsorgung. Darum engagiert sie sich gerne im Vorstand und in den beiden Arbeitsgruppen Pflege und Asyl des Regionalplanungsverbands Zofingen. Seit 2018 bzw. 2019 betätigt sich die Juristin auch in den Verwaltungsräten der Spitex Region Zofingen sowie des EW Rothrist.

Zwei Themen beschäftigen sie künftig besonders stark

Karin Berglas ist überzeugt, dass die beiden grossen Themen Gesundheits- und Energieversorgung die Region in den nächsten Jahren beschäftigen werden. «Hier müssen wir visionär vorausschauen. Es gilt, in den Gemeinden die Rahmenbedingungen für Wohnformen zu schaffen, die im Alter wichtig sein werden.» So wünscht sie sich für die Artemis-Überbauung in Vordemwald, wo 79 Wohnungen entstehen, dass die Investoren an Zusatzangebote wie Dienstleistungen für ältere Menschen denken. Apropos Überbauung: In Vordemwald wohnen bald 2000 Einwohner. Dass dies auch zu Kritik führt, viele Neuzuzüger würden sich nicht in die Dorfgemeinschaft eingliedern, ist sie sich bewusst. «Allerdings bin ich überzeugt, dass wir Menschen anziehen, die genau dieses Dorfleben suchen.» Zudem sei Vordemwald bekannt für seine Vereine, die ebenfalls einen grossen Beitrag für den Zusammenhalt im Dorf leisten. «Wichtig ist, dass wir die Infrastruktur erhalten und optimieren, wenn das Dorf wächst», betont sie.

Vorausschauend planen, das Beste fürs Dorf erreichen, das ist die Motivation für Berglas, um als Ammann zu kandidieren und vor allem auch, warum sie dieses Amt überhaupt ausübt. «Die Gestaltungsmöglichkeiten in der Exekutive gefallen mir», sagt sie. «Ich suche gerne den Kontakt zu den Menschen. Da ist die Parteipolitik nicht relevant.» Als Frau Gemeindeammann würden einige spannende Projekte auf sie zukommen. Einerseits will die Gemeinde das Geschäftsleitungsmodell einführen. Die Verwaltung erhält so mehr Spielraum und Kompetenzen. «Der Gemeinderat wird entlastet und die Arbeit für unsere Mitarbeitenden attraktiver», ist Berglas überzeugt. An der nächsten Gmeind wird das Projekt vorgestellt. Andererseits gibt es im Bereich Hochwasserschutz noch zu tun. Die Instandstellung läuft, einiges muss nun aber angepasst oder noch geplant werden. Eine Infoveranstaltung dazu folgt am 4. November.

Die familiäre und berufliche Situation würden es ihr ermöglichen, dass sie das Amt als Gemeindeammann gut ausführen könnte, sagt Berglas. Als amtsältestes Mitglied des – nach den Abgängen von Max Moor und Markus Schneitter – verbleibenden Gemeinderats möchte sie etwas zur Kontinuität beitragen. «Zudem möchte ich der Gesellschaft mit meinem Engagement auch etwas zurückgeben», ergänzt sie. Bei all der Politik braucht auch eine Karin Berglas mal etwas Abstand. Den findet sie vor allem zu Hause bei ihren Kindern. «Mit drei Kindern wird man ständig wieder auf den Boden geholt», sagt sie. In der Freizeit geht sie gerne joggen, walken oder wandern, im Winter geht sie Skifahren oder Schneeschuh laufen. «Ich bin ein Naturmensch», sagt sie. Immer wieder zieht es sie auch zurück zu ihren Wurzeln in Hergiswil, wo ihr Vater lebt. Sie schätzt ein Abendessen und einen guten Wein mit Freunden. So kann Karin Berglas Kraft tanken für den Alltag, den sie wohl bald als Frau Gemeindeammann bestreiten wird. Denn Konkurrenz hat sie keine um das Amt.