Es macht (k)einen Sinn, wenn Politiker mitspielen – MIT AUDIO

Pascal Kamber: Ab dem 21. Mai sollen in Lettland und Weissrussland die Eishockey-Weltmeisterschaften über die Bühne gehen. Gegen dieses Vorhaben regt sich vonseiten des Co-Gastgebers Lettland nach den von Fälschungsvorwürfen überschatteten weissrussischen Präsidentschaftswahlen im vergangenen August Widerstand. Die lettischen Mitorganisatoren möchten verhindern, dass der autoritär regierende weissrussische Staatschef Alexander Lukaschenko wie so oft einen Sportanlass dazu nutzt, um sich im besten Licht zu präsentieren. Unterstützung erhält Lettland aus Brüssel: 49 EU-Abgeordnete haben in dieser Sache bereits zwei Briefe an den Internationalen Eishockeyverband (IIHF) unterzeichnet. Dieser tagt Ende Januar, dann zeigt sich, ob der politische Druck gross genug ist oder nicht. Für mich ist das ein Beweis, dass Sport und Politik längst stark miteinander verwoben sind – was, je nach Entscheid des IIHF, durchaus auch positive Aspekte haben kann.

Melanie Gamma: Gerade das Beispiel Weissrussland und Lukaschenko zeigt aber, dass es gefährlich sein kann, wenn sich Politik und Sport unkontrollierbar vermischen. Oder nehmen wir die Olympischen Spiele, das Internationale Olympische Komitee (IOC), das sich seit Jahren mit Ermittlungen wegen Korruption konfrontiert sieht. Letzten Frühling tauchten Bescheinigungen von Geldzahlungen auf, die den Verdacht schürten, dass bei der Vergabe der Spiele an Tokio nicht alles sauber lief.  Auch der ehemalige japanische Ministerpräsident soll vom Bewerbungskomitee Geld kassiert haben. Ich glaube, dass viele Politiker sich nur aus Eigeninteresse für den Sport «engagieren». Um Wählerstimmen zu sichern, Präsenz zu markieren oder eben das eigene Portemonnaie zu füllen. Auch bei Sportevents in der Schweiz übernimmt ja oft eine Regierungsrätin, ein Parlamentarier oder ein Stadtrat das OK-Präsidium. Da frage ich mich, ob das nun dem OK, dem Anlass oder eben doch vor allem dem Politiker dient.

pka: Korruption gehört sicher zur Kehrseite der Medaille, wenn sich die Politik ins sportliche Geschehen einmischt. Bleibt das Engagement aber rein von jeglichen Zweifeln, hat es auch seine Vorteile, wenn eine politische Grösse an der Spitze der Organisation mitwirkt. Diese Person kennt nur schon von Amtes wegen viele wichtige Leute aus Wirtschaft und Gesellschaft persönlich und kann mit ihnen Anliegen besprechen, die für den Anlass nützlich sind. Dieser unbürokratische Weg spart je nach dem viel Geld, was auch dem Steuerzahler zugute kommt. 

gam: Den Steuerzahler kann es aber auch bös verarschen, wenn ein Politiker meint, seinen Grössenwahn durch den Sport ausleben zu müssen. Damit meine ich etwa, wenn ein Minister den Bau von Stadien und Sportstätten vorantreibt, um Olympische Spiele oder eine Fussball-WM in seinem Land durchführen zu können. So ein Grossanlass kann schliesslich gut ablenken von den eigentlichen Probleme in seinem Gebiet. Und nach diesen paar Wochen, in denen alle Welt hingesehen hat, bleiben Sportruinen stehen, die der Steuerzahler nicht nutzen, aber mitfinanzieren muss(te).

pka: Genau aus diesem Grund ist es wichtig, dass das Volk mitsprechen darf. Dieser Prozess kann ernüchternd sein, wie beim «Nein» zu einer möglichen Schweizer Olympia-Kandidatur, oder sich als endlose Geschichte entpuppen wie beim geplanten Stadion-Neubau des FC Aarau. Weil aber das Geld der Steuerzahler auf dem Spiel steht, braucht es diesen demokratischen Weg. Auch das ist politische Einmischung in den Sport – in meinen Augen aber eine sinnvolle.

gam: Das mag stimmen. Wie Politik den Sport aber bremst, zeigt sich seit letztem März durch Covid-19 – Stichwort «Kantönligeist». Offene Turnhallen da, geschlossene Sportstätten dort, finito mit interkantonalen Meisterschaften. Drehen wir doch den Spiess um: Der Sport müsste sich mehr in die Politik einmischen. Klare Regeln, Fairplay, Respekt vor dem Gegner, Teamspirit – wie gut täte dies so manchem Politiker.

Korruption, Chance, Risiko, Schwierigkeiten – was schiesst Ihnen durch den Kopf, wenn Sie an Politik und Sport denken? Wir freuen uns auf Ihre Kommentare!