
Warum geht es so langsam? Und wie viel Impfstoff hat die Schweiz wirklich? 11 Fragen und Antworten
Wo wird jetzt geimpft? Und welche Prominenten durften sich zuerst impfen lassen?
Ohne einen Hauch von «Glanz & Gloria» ging es nicht, jedenfalls nicht in Zürich: Zu den ersten, die sich am Montag im bevölkerungsreichsten Kanton impfen lassen durften, gehörten der Schauspieler Walter Andreas Müller und der Schriftsteller Franz Hohler. Als Vorbilder sollen sie anderen Mut machen. Mit Zürich begannen am Montag rund ein Dutzend Kantone offiziell mit dem Impfen. Ab dieser Woche wird nun in praktisch allen Kantonen geimpft. Bern startet erst am 11. Januar.
Wer und wie wird geimpft?
Das unterscheidet sich von Kanton zu Kanton. Während etwa in Basel-Stadt und Baselland oder in Zürich Impfzentren den Betrieb aufgenommen haben, konzentrieren sich andere Kantone vorderhand darauf, mobile Einsatzteams in die Altersheime zu schicken. In einem ersten Schritt werden Personen über 75 Jahre und solche mit schweren Vorerkrankungen geimpft.
Wie ist der Start geglückt?
Alles andere als reibungslos. So macht die vom Bund angeschaffte Impf-Software Probleme. Verschiedene Kantone, etwa Aargau, Solothurn oder Thurgau, setzen sie vorerst nicht ein – weil sie noch nicht einsatzfähig sei. Teilweise arbeiten die Kantone nun mit eigenen Lösungen. Andernorts war die Software beim ersten Einsatz überlastet, namentlich in Zürich. In der Kritik steht auch das Bundesamt für Gesundheit (BAG), das den Auftrag für die Impf-Software erst am 17. Dezember vergab.
Bund und Kantone wussten schon seit Monaten, dass sie eine Impf-Software brauchen. Warum hat man sich nicht früher darum gekümmert?
Sang-Il Kim, Leiter der Abteilung Digitale Transformation beim BAG, schreibt auf Anfrage, man habe bereits seit September mit Anbietern in Kontakt gestanden. Es sei aber immer klar gewesen, dass Impfstrategie und -empfehlungen definiert sein müssten, damit die Software den Prozess unterstützen könne. Die Impfstrategie habe erst Anfang Dezember, die Empfehlungen gar noch später vorgelegen.
Wie steht es um die Impfbereitschaft?
Der Ansturm auf die Termine, die via Internet oder Telefon vergeben wurden, war gross. Allerdings lassen sich daraus noch keine Rückschlüsse ziehen, weil der Impfstoff und damit auch die Termine sehr knapp sind.
Der Impfstoff des Duos Pfizer/Biontech muss tiefgekühlt transportiert werden. Im Bild: Die erste Lieferung, die das Kantonsspital Baden am 29. Dezember 2020 erhalten hat.
© Britta Gut
Wie viel Impfstoff hat die Schweiz aktuell zur Verfügung?
Derzeit ist nur der Impfstoff des Duos Pfizer/Biontech zugelassen. 107’000 Dosen wurden bereits im Dezember geliefert. Ab diesem Monat kommen jeweils weitere 250’000 dazu, wobei die erste Hälfte der Januar-Dosen am Montag eingetroffen ist. Weil es für einen wirksamen Schutz zwei Impfungen braucht, reicht der Pfizer/Biontech-Impfstoff bis Ende Januar für rund 178’500 Personen – und also nicht weit. Denn es gibt in der Schweiz rund 756’000 Personen über 75 Jahre, rund 1,6 Millionen über 65 – und rund 620’000 unter 65 mit Vorerkrankungen.
Wie viele Dosen hat der Bund insgesamt bestellt?
Die Schweiz hat bisher mit drei Impfstoffherstellern Verträge geschlossen. Das Duo Pfizer/Biontech wird rund 3 Millionen Dosen liefern, von Moderna erhält der Bund 7,5 Millionen und von Astrazeneca rund 5,3 Millionen. Insgesamt sind dies 15,8 Millionen Dosen, womit 7,9 Millionen Menschen geimpft werden können. Wie bei Pfizer und Moderna zeigen Studien auch beim Astrazeneca-Impfstoff, dass die beste Schutzwirkung mit zwei vollen Dosen erzielt wird.
Nein. Gewerbeverbandsdirektor Hans-Ulrich Bigler etwa bezeichnet die Debatte als polemisch. «Ich kann die Kritik von Economiesuisse nicht nachvollziehen. Kaum wird in der Schweiz mit dem Impfen begonnen, fängt schon die Kritik an. Ich finde das deplatziert.» Schliesslich handle es sich hier um eine grosse logistische Übung. Es sei daher klar, dass es zu Beginn etwas Zeit braucht, bis die Impfkampagne so richtig anlaufe. Sobald neue Impfstoffe kämen, werde sich die Aktion beschleunigen. Der Gewerbeverband erwarte, dass die Kampagne spätestens Ende Juni oder Anfang Juli abgeschlossen sei, sagt Bigler. Damit werde verhindert, dass Reisende das Virus bei ihrer Rückkehr einschleppten. Das sei ein sportlicher Fahrplan, aber machbar.
Mit 7,5 Millionen Dosen hat die Schweiz am meisten Impfungen bei der US-Biotechfirma Moderna bestellt. Wann ist mit einer Zulassung zu rechnen?
Moderna geht davon aus, die Schweizer Zulassung Anfang diesen Jahres zu erhalten. Konkreter will das Unternehmen nicht werden. Firmenchef Stéphane Bancel sagte im Interview mit «CH Media»: Wenn die Zulassung im Januar erfolge, dann würden im Januar die ersten Dosen geliefert. Die Zulassungsbehörde Swissmedic wiederum sagt, dass die bis heute eingereichten Daten und Antworten der Pharmafirmen geprüft und beurteilt worden seien. Aber: «Die uns bis heute vorliegenden Daten zur Sicherheit, Wirksamkeit und Qualität reichen für eine Zulassung noch nicht aus», sagt ein Sprecher. Sobald die Daten stimmten, könne über weitere Gesuche zeitnah entschieden werden. Gut unterrichte Quellen sagen, im besten Fall sei Ende Woche mit einer Zulassung zu rechnen oder dann bis Mitte Januar.
In den USA hat Moderna Mitte Dezember eine vorläufige Autorisierung für den Impfstoff erhalten. Wann ist es in Europa soweit?
Ursprünglich hat der zuständige Ausschuss für Humanarzneimittel der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) angekündigt, sich am Mittwoch zu einer Sitzung zu treffen. Nun haben bereits heute erste Sitzungen stattgefunden, wie ein Sprecher der EMA laut der britischen Zeitung «The Guardian» sagt. Der Ausschuss könne deshalb bereits heute Abend eine positive Empfehlung abgeben. Gibt der Ausschuss grünes Licht, so dürfte die EMA innerhalb weniger Tage eine Zulassung für den Moderna-Impfstoff erteilen.
Mehrere Experten sehen das kritisch. Dazu gehört etwa der führende US-Virologe Anthony Fauci. «Wenn wir statt den vorgesehen 28 etwa 50 oder 70 Tage warten, dann wissen wir nicht, ob das gut genug ist», sagte er in der US-Talkshow «Meet the Press» am Sonntag. Es sei klar, «was uns die Wissenschaft sagt», so Fauci. «Wir sollten mit dem Impfungen so verfahren, wie dies in den klinischen Studien getan wurde.» Diese sind so angelegt worden, dass beim Pfizer-Produkt nach 21 Tagen die zweite Dosis geimpft wurde. Beim Moderna-Impfstoff war dies nach 28 Tagen der Fall.