
Wie erfolgreich war die Integration im Corona-Jahr? Ein Gespräch mit zwei Vorstandsmitgliedern des Integrationsnetzes Zofingen.
Kathrin Petkovic: Frau Ruthiraswaran, womit wären Sie in einem normalen Jahr gerade beschäftigt?
Rahave Ruthiraswaran: Im Dezember findet immer das Jahresendfest statt, normalerweise ein Highlight im Verein. Dieses Jahr mussten wir es absagen, das ist ein seltsames Gefühl. Sonst wären wir mit dem Planen der Aktivitäten für das kommende Jahr und dem Drucken des Flyers beschäftigt. Danach würden wir die GV im März vorbereiten.
Und was machen Sie stattdessen?
Ruthiraswaran: Im Moment können wir gar noch nicht abschätzen, welche Aktivitäten ab dem 22. Januar wieder möglich sind und welche nicht. Die Planung ist extrem schwierig, wir haben zwar Daten und Ideen für Aktivitäten, aber noch keine definitiven Flyer.
Wie hat sich die Arbeit im Corona-Jahr für Sie geändert?
Ruthiraswaran: Das Ressort Sponsoring ist mit den Aktivitäten quasi weggefallen. Wer will schon etwas finanzieren, das nicht stattfindet? Wir hatten immer wieder zu tun mit den Fragen: Kann man das durchführen? Welche Massnahmen müssen wir treffen? Lohnt sich das?
Meinen Sie finanziell?
Ruthiraswaran: Finanziell, aber auch vom Aufwand her. Wir haben viele Mitarbeiterinnen, die ihre Freizeit investieren.
Wie sehen die Finanzen fürs nächste Jahr aus?
Mahperi Elma: Wir haben ernsthafte Probleme. Einige Sponsoren sind im Verlauf des Jahres weggefallen und wir erhalten weniger Beiträge vom Kanton, weil wir weniger Aktivitäten durchgeführt haben als normal.
Ruthiraswaran: Hinzu kommt, dass wir weniger Neumitglieder begrüssen durften und somit auch die Mitgliederbeiträge nicht sehr gestiegen sind.
Von wie hohen Verlusten reden Sie?
Elma: Das Budget haben wir noch nicht berechnet. An der GV im März können wir es sagen. Das Ausmass abzuschätzen, ist im Moment sehr schwierig. Aber grundsätzlich bedeutet weniger Geld gleichzeitig auch weniger Aktivitäten, die wir durchführen können. Der Verlust ist aber nicht nur materiell in Form von Geld. Wir haben den Zugang zu manchen Mitgliedern und Sympathisanten verloren, weil wir nicht mehr präsent sein können. Das berühmte Abstandhalten ist daher auf den ersten Blick für uns schwierig einzuhalten, denn was uns ausmacht, ist die Nähe zu unseren Mitgliedern und Sympathisantinnen. Manche Aktivitäten müssen wir nun praktisch von Grund auf neu aufbauen, zum Beispiel den Chor der Kulturen.
Wie schwer trifft die Corona-Krise Leute mit Migrationshintergrund?
Elma: Es ist für alle schwer, aber für Migrantinnen und Migranten ist es noch ein bisschen schwerer. Ich treffe die Leute zum Teil auch privat. Ich habe gemerkt, dass ihnen ohne unsere Aktivitäten der soziale Umgang wegfällt. Man kann keine neuen Kontakte knüpfen oder Beziehungen pflegen. Das kann man auch nicht digital ausgleichen, zumal längst nicht alle den Zugang zu den digitalen Medien haben.
Ruthiraswaran: Deutsch kann man in einem gewissen Grad zuhause alleine lernen. Aber es ist wichtig, es anzuwenden. Ohne unsere Anlässe fällt das bei vielen Mitgliedern komplett weg. Integration wurde aufgrund der Pandemie zusätzlich erschwert. Trotz viel Technik und Fortschritt ist am Ende das «Live-vor-Ort-Erlebnis» einprägender und hilfreicher als die Online-Versionen.
Haben alle Mitglieder die Massnahmen des BAG akzeptiert oder gibt es da kulturelle Unterschiede?
Elma: Für gewisse Kreise war das schwieriger, weil Verständnisfragen aufgetaucht sind. Es ist nicht so, dass sie die Massnahmen nicht akzeptieren, aber sie verstehen häufig nicht, was es heisst, eine Maske anzuziehen oder weniger Leute zu treffen. Hinzu kommt, dass viele von ihnen aus einem Land kommen, in dem man kein so grosses Vertrauen ins funktionierende System hat wie hier in der Schweiz. Wenn sie dann die Massnahmen hinterfragen, hat das nichts mit dem Verhältnis zur Schweiz zu tun, sondern vielmehr mit ihren Erfahrungen aus dem eigenen Land.
Gab es trotzdem Highlights dieses Jahr?
Elma: Der Zusammenhalt war enorm. Das war schön. Im ersten Lockdown war die Unterstützung auch noch deutlich, zum Beispiel erhielten wir vom Kanton trotzdem noch Geld, um die Entschädigungen der Leiterinnen zu bezahlen. Ansonsten durften wir leider keine Highlights erleben. Ich kenne das Integrationsnetz seit 13 Jahren, seit ich in Zofingen wohne. Der Verein hatte noch nie ein so schlimmes Jahr wie dieses. Zu den finanziellen Problemen kommt, dass wir dringend neue Leute im Vorstand brauchen, weil zwei Mitglieder aus familiären oder beruflichen Gründen zurücktreten. Es ist nicht einfach, in dieser Situation jemanden zu finden.
Frau Ruthiraswaran, gab es denn für Sie Highlights?
Ruthiraswaran: Schwierig zu sagen. Ich kenne den Verein von klein auf. Meine Mutter war Mitglied seit der Gründung. Auch ich habe den Verein noch nie so erlebt wie dieses Jahr, es gibt ihn zwar noch und hinter den Kulissen läuft viel, aber vordergründig gibt es fast nichts mehr. Wir hatten viele Herausforderungen. Aber ein kleines Highlight bleibt: Als wir im August wieder mit einem Teil der Aktivitäten starten konnten, haben wir gemerkt, dass die Leute trotz langer Pause wieder gerne daran teilnehmen. Es war schön zu sehen, dass die Mitglieder nach wie vor Interesse am Verein haben, selbst wenn wir nun wieder schliessen mussten.
Worauf freuen Sie sich im nächsten Jahr?
Elma: Zuerst mal wollen wir die GV durchführen, die dieses Jahr nicht stattfinden konnte. Wir freuen uns auch sehr darauf, neue Interessenten für den Vorstand begrüssen zu dürfen. Wir hoffen, dass wir das Picknick im Sommer und das Jahresendfest durchführen können. Das sind immer die schönsten Momente des Jahres. Grundsätzlich wäre es schön, wenn alle Aktivitäten kontinuierlich wieder gut starten könnten, ob im Februar oder im April.