
«Children’s Hope School»: Ohne Schule fehlen auch die Mahlzeiten

Ursula Schneebergers Reise nach Kenia im September stand bis zum Abflug auf wackeligen Beinen. Schneeberger ist Gönnerin der Children’s Hope School, deren Sitz in Strengelbach ist, und verbringt zwei- bis dreimal jährlich ihre Ferien im kenianischen Dorf Umoja. Der Verein hilft bedürftigen Kindern und Jugendlichen primär in Kenia, damit sie durch Ernährung, Schulung und Einführung in das Gesundheitswesen eine bessere Zukunft erlangen können.
Nicht nur der Flug und die Destinationen für die Zwischenlandungen waren unsicher. Die 62-Jährige wusste ausserdem nicht, was sie in Umoja erwarten würde. «Mein grosser Wunsch, trotz dieser Ungewissheit zu reisen, meine Verbundenheit zu den Menschen, zum Dorf, zur Schule und die Sehnsucht nach der afrikanischen Wärme bestärkten mein Vorhaben», so Schneeberger.
Lebensmittel wurden zur Verfügung gestellt
Der erste Blick in die Children’s Hope School war ungewohnt: leere Schulzimmer, keine Lehrerstimmen, die durch ihre Lautstärke die Aufmerksamkeit der Kinder erfordern, kein Rauch aus der Schulküche, kein fröhlich-farbiges Treiben auf dem Schulareal. «Ein trauriger Anblick», erinnert sich Schneeberger zurück. Alle Schulen Kenias waren seit März geschlossen. Der coronabedingte Lockdown sei für die staatlichen wie auch privaten Schulen Kenias eine sehr bedenkliche Massnahme. «Ich wusste um das Schicksal der 200 Kinder der Children’s Hope School.» Damit spricht sie an, dass ohne Schulunterricht auch die beiden zum Überleben wichtigen Mahlzeiten wegfallen. Nach der Schliessung der Schule musste der Verein dringend handeln. Das monatliche Budget für das Essen an der Schule wurde sofort dazu eingesetzt, dass jedes Kind immer montags Lebensmittel an der Schule abholen und mit nach Hause nehmen kann. Dieses Angebot habe sich bereits nach der ersten Lebensmittelausgabe im Dorf herumgesprochen, es wurden zunehmend mehr und mehr Kinder. «Schwierig, Grenzen zu setzen, wo es um hungrige Kinder geht», so die Gönnerin. Bis heute, auch wenn ein Teil der Klassen wieder zum Unterricht erscheint, werden am Montag Lebensmittel verteilt.
Auch das Kinderheim musste schliessen
Nicht nur die Schule musste schliessen. Die Regierung forderte, dass alle Mädchen aus dem Kinderheim, das sich auf dem Schulareal befindet, ausquartiert werden sollen: Mädchen, die wegen Missbrauch oder familiären Schwierigkeiten dort untergebracht oder verwaist sind. Auch sie mussten im März von heute auf morgen ihr vertrautes, geschütztes Zuhause verlassen. Sie fanden teilweise Unterkunft bei den Lehrern zu Hause oder bei Familien aus ihrem näheren Umfeld. Aber auch das sei nicht einfach für diese Familien gewesen, denn: «Mehr Kinder, die versorgt werden mussten, obwohl sonst schon nicht viel übrigbleibt.»
Nachdem ein Teil der Klassen ab Mitte Oktober wieder zum Unterricht erscheinen durfte, kehrte auch ein Teil der Mädchen ins Kinderheim zurück. Die Älteren mussten gleich am ersten Tag einen Schwangerschaftstest machen, weil sich viele Mädchen in Afrika während des Lockdowns prostituierten, um zu überleben. Die Tests mussten sofort durchgeführt werden, damit bei einer allfälligen Schwangerschaft ein Übergriff im Schulareal ausgeschlossen werden konnte. Denn ein solcher würde zur Schliessung des Kinderheims führen. Ein Test war positiv.
Ursula Schneeberger befürchtete vor ihrer Reise, dass sie als weisse Frau von den in Not geratenen Menschen bedrängt werden könnte. «Doch ich wurde respektvoll aufgenommen», so Schneeberger. Während ihres Aufenthalts traf sie praktisch keine Touristen an der beliebten Diani Beach in Ukunda an. Die meisten Hotels waren geschlossen. Das ist vor allem für viele Einwohner von Umoja schwierig, weil sie ihren Unterhalt am Strand, in den Hotels und allgemein im Tourismus verdienen. Die Wirtschaft steht laut Schneeberger auch heute noch still.
Zum wirtschaftlichen Stillstand kam vor Kurzem noch die Pandemie hinzu. «Im Oktober war Corona noch keine grosse Gefahr an der Küste», weiss Schneeberger. Heute sehe die Situation anders aus, das Virus würde auch hier Opfer fordern. Viele könnten sich einen Arztbesuch nicht leisten. Sie sterben an Malaria oder anderen sonst heilbaren Krankheiten. Einen kleinen Lichtblick gibt es trotzdem: «Da und dort beobachtete ich auch positive, innovative Veränderungen. Um etwas Geld zu verdienen, werden die Menschen kreativer.» So erzählt Schneeberger vom Verkauf von Gemüse, Früchten und Kleidern von Tür zu Tür. «Die Menschen unterstützen und helfen einander», so Ursula Schneeberger und ergänzt: «Die speziellen Umstände dieses Jahres führen uns vor Augen, dass wir nichts für selbstverständlich nehmen dürfen.» (us/kpe)