
Poet, Clown, Zauberer und Wolkenmaler Ron Dideldum: Der Traum ist der Plan
An aufgesteckten Hüten vorbei tritt man in einen hohen Raum ein, in dem ein riesiger Tisch zuerst alle Blicke auf sich zieht. An den Wänden stehen einzelne Bilder, auf dem violetten Teppich liegen Sitzkissen und Requisiten, im Hintergrund blickt ein Mondgesicht auf eine kleine Bühne. «Ich bin glücklich, dass ich hier im Talpi mein Traumstudio gefunden habe», sagt Ron Waeny, der in der Region in erster Linie unter seinem Künstlernamen Ron Dideldum bekannt ist. Auf dem Tisch – einem Relikt aus einem Konferenzzimmer der ehemaligen Schönenwerder Schuhfabrik Bally – liegen Auftragsarbeiten für den Kulturbereich der Stadt Zofingen, die der Künstler gerade überarbeitet.
Das Zeichnen nimmt momentan noch mehr Raum in der künstlerischen Arbeit des 63-jährigen Zofingers ein als bisher. Gezwungenermassen. «Der Lockdown war schockierend», blickt Ron Dideldum auf den März dieses Jahres zurück. Die Absagen von bereits gebuchten Auftritten purzelten damals reihenweise ein. Auch beim Theaterfundus Härkingen, wo Ron Dideldum als freier Mitarbeiter seit rund zehn Jahren durchschnittlich drei Tage in der Woche Kulissen und Requisiten für Theater und kommerzielle Unternehmen erstellt, gab es bald schon keine Aufträge mehr. Und die Einsätze als Spitalclown wurden zumindest temporär sistiert. Ein Plan B musste her. «Ich habe mich damals hingesetzt und mit dem Zeichnen begonnen», sagt Ron Dideldum. Auch Zeichnungen auf Auftragsbasis angeboten und über Social-Media-Kanäle Werbung dafür gemacht.
Ein Angebot, das glücklicherweise gut angekommen sei. «Meine Vielseitigkeit hat mich gerettet», ist sich Ron Dideldum sicher.
Vom Retoucheur zum Traumbauer
Erlernt hat Ron Waeny ursprünglich den Beruf eines Retoucheurs in einem Atelier in Zürich. Als solcher sorgte er unter anderem dafür, dass Mannequins makellos in Katalogen erscheinen konnten. Etwas andere Traumwelten, mit denen sich Waeny damals beschäftigte. Einige Jahre hat er auch bei Ringier gearbeitet – in der Abteilung, aus der so viele Künstler hervorgegangen sind: Willi Müller-Brittnau, Heinrich Gisler, Wilfried Hochuli, Miklos Szöllösy, Ernest Walthert. Und natürlich Cedric Meyer, in dessen ehemaligem Studio Ron Dideldum heute arbeitet. Später folgte der Schritt in die Selbständigkeit, mit Gelegenheitsjobs hielt sich Ron Waeny in den Anfängen über Wasser.
Nach den ersten gemeinsamen Auftritten mit Gögi Hofmann in Kindergärten habe er schon bald bemerkt, dass man nicht einfach so vor ein Publikum stehen könne. «Ich musste eine Persönlichkeit, eine Figur entwickeln», erläutert Ron Waeny. Durch den Versuch eines Selbstporträts sei die Clownfigur Ron Dideldum entstanden. «Ich habe mich immer als Gaukler gemalt», sagt Waeny.
Schlüpft Ron Dideldum in sein Clownkostüm, «in mein besseres Ich», wie er selber sagt, eröffnet sich dem Publikum eine poetische Welt. Die lauten Töne sind nicht das Ding des Zofinger Künstlers, ein Sprücheklopfer ist er schon gar nicht. Er zaubert und erzählt dazu und darum herum fantasievolle Geschichten, kommt in Kontakt mit seinem Publikum, indem er zwei verschiedene Schuhe anzieht oder eine Blume aus seinem Hut wächst. «Ich bin nicht der Typus des tolpatschigen Clowns, ich habe immer das Poetische im Clown gesucht», betont Ron Dideldum.
Für einen Moment die Sorgen verdrängen
Leise Töne sind auch gefragt, wenn Ron Dideldum als Spitalclown arbeitet. Im lila Mantel und mit dem Zylinder mit der Blume auf dem Kopf besucht Ron Dideldum seit rund 20 Jahren regelmässig kranke Kinder im Kantonsspital Aarau und auf der Onkologiestation des Kinderspitals Zürich. Zieht eine Lade aus seinem Rollkoffer, die zur Bühne wird, spielt mit Marionetten, erzählt Geschichten. Eigentlich erzähle er Zaubergeschichten, aus denen man durchaus auch die Möglichkeit folgern könne, dass das Kind wieder gesund werden kann, gibt Ron Dideldum zu verstehen. «Am wichtigsten ist aber, wenn die Sorgen von Eltern und Kindern für einen Moment einer Heiterkeit weichen können, auch wenn es dem Kind schlecht geht.» Wenn ihm dazu von einem Kind noch ein Lachen geschenkt werde, sei das umso schöner. «Aber das darfst du nicht in jedem Fall erwarten», sagt Ron Dideldum, manchmal komme auch nur ein feines Schmunzeln oder ein scheues Winken zum Abschied zurück.
Sein Engagement, das von der Krebsliga finanziert wird, mache er gern, auch wenn dieses viel Energie erfordere. Er gehe jeden Dienstag mit einer guten Energie in das jeweilige Spital. «Danach kann ich ja wieder nach Hause gehen und die Batterien neu aufladen», betont Ron Dideldum, während Ärzte und Pflegepersonal im gewohnten Umfeld verbleiben müssten.
Trotzdem habe er sich vor etwa fünf Jahren mit dem Gedanken nach einer Veränderung getragen, zog in Erwägung, seine Besuche als Spitalclown einzustellen. Eine zusätzliche Ausbildung zum therapeutischen Puppenspieler habe ihn schliesslich motiviert, damit weiterzufahren. «Ich habe dort viel Neues gelernt», verrät Ron Dideldum, vor allem auch über die Psyche des kranken Kindes. Zudem erfahre er von allen Seiten sehr viel Dankbarkeit und Wertschätzung. Von Kindern, dass jemand Zeit für sie habe und diese Zeit erst noch fantasievoll gestalte. Oder von Ärzten, die ihre Arztvisite verschieben würden, wenn Ron Dideldum im Zimmer sitzt und seine Traumwelten baut – auch unter erschwerten Bedingungen. «Ja», bestätigt der Traumbauer, «zuerst hatte ich grosse Bedenken, im Spital mit einer Maske und unter Einhaltung eines Hygienekonzepts auftreten zu müssen.» Er habe aber schnell gemerkt, dass das für Kinder kein Problem darstelle. «Ich stehe ja nicht im Mittelpunkt, sondern meine Figuren und Marionetten», erläutert Ron Dideldum. Und desinfizierte Ballontiere dürfe er den Kindern nach wie vor überreichen.
Ein Online-Adventskalender und ein Langzeitprojekt
Noch etwas weiter als üblich geht aktuell das Engagement für die Krebshilfe Aargau, für die Ron Dideldum einen Online-Adventskalender geschaffen hat. «Die Originale werden von der Krebsliga verkauft», führt Waeny aus, der aber auch sein Langzeitprojekt weiterführt. «Es ist eigentlich eine Geschichte über Ron Dideldum, an der ich seit etwa zehn Jahren arbeite», führt Ron Waeny aus.
Dreidimensionale Traumbilder sind am Entstehen, ein Buch soll ebenfalls geschrieben werden, eine Performance soll es auch geben. Momentan ist Waeny daran, das Buch in Comic-Form zu entwerfen. «Ich bin zuversichtlich, dass ich das Projekt im Alter von 70 Jahren abgeschlossen haben werde», sagt Waeny, lächelt und schlägt das Buch auf. «Der Traum ist der Plan», steht in schön geschwungenen Buchstaben auf dem Vorsatz. «Ein A soll der erste Buchstabe sein», sagt Ron Dideldum noch, nimmt den Schreiber zur Hand und lässt es dann doch sein. Auch wenn das Buch in sieben Jahren nicht fertig werden sollte – eines ist sicher. Die Ideen werden Ron Dideldum nicht so schnell ausgehen.
