
Müllhaufen? Ein Ehrenplatz!
Kaum war letzten Sonntag das Abstimmungsergebnis amtlich, ging die Debatte um das Ständemehr los. Wieder einmal. Will eine Volksinitiative erfolgreich sein, braucht es bekanntlich auch zwölf Standesstimmen. Dass die Konzernverantwortungsinitiative daran scheiterte, brachte manche Befürworter dazu, aus der Hüfte gegen das Ständemehr zu schiessen. Es gehöre auf den Müllhaufen der Geschichte, befand etwa Juso-Präsidentin Ronja Jansen. Das Ständemehr «sabotiere die Demokratie und blockiert die Schweiz», sekundierte der bekannte Zürcher Historiker Philipp Sarasin. Manche meinen, Jansen, Sarasin und Co. seien schlechte Verlierer. Ich finde, man muss ihnen dankbar sein. Man muss nämlich immer ein bisschen länger über das Ständemehr nachdenken, um zu begreifen, wie wertvoll es eigentlich ist (lesen Sie dazu auch das Interview mit dem Zofinger Politikwissenschaftler Urs Vögeli ab Seite 30). Das Ständemehr hilft, die Schweiz zusammenzuhalten. Es verhindert Maximalforderungen. Und es verhindert das, was der der helvetischen Polit-DNA seit Jahrhunderten suspekt ist: Einmischung von aussen. Dass die Stadt über das Land regiert. Oder umgekehrt. Wenn man es sich genau überlegt, ist es eine wunderbare Sache, dieses Ständemehr – und viel einfacher zu durchschauen als beispielsweise das System der US-Präsidentschaftswahlen, das auch nicht auf ein einfaches Volksmehr abstellt. Kurz und gut: Das Ständemehr gehört nicht auf den Müllhaufen der Geschichte – ihm gebührt im Gegenteil ein Ehrenplatz in unserem demokratischen System.