«Quinoa statt Rüebli: Das kauft niemand» – Pilotprojekt zur Trockenheit bringt Aargauer Bauern ins Schwitzen

Das Bünztal hat sehr fruchtbare Böden. Kann man die künftig noch so bebauen wie heute, weil etliche Kulturen in Trockenmonaten bewässert werden müssen, und das schwierig bis gar unmöglich wird, sobald die Bünz kaum noch Wasser führt? Dann müssten Bauern auf die öffentliche Wasserversorgung zurückgreifen – das ist teuer. Ein Pilotprojekt von Bund und Kanton zur Anpassung an den Klimawandel ging solchen Fragen nach. Am Projekt machten viele Akteure mit, auch der Bauernverband Aargau. 

Der brandneue Bericht kommt zum Schluss, dass sich im Bünztal bei aktuellen Produktionsbedingungen eine Bewässerung aus Finanzsicht grundsätzlich bei allen Spezialkulturen (Gemüse, Obst, Beeren) und Kartoffeln lohnt. Diese machen im Bünztal aber durchschnittlich nur knapp 10 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche aus. Auf den übrigen 90 Prozent sind Kulturen angebaut, die «aus heutiger Sicht nicht bewässerungswürdig» seien.

Keine Zukunft auf leichten Böden für Zuckerrüben?

Problematisch werden könnte es künftig etwa für Körnermais, wenn er bewässert werden muss. Gemäss einer Experteneinschätzung sind auch Zuckerrüben auf leichten Böden künftig eine Herausforderung. Sie seien ohne Bewässerung grundsätzlich in Frage zu stellen.

Angestossen wurde das Projekt Anfang 2018 von Norbert Kräuchi, dem Leiter der Abteilung Landschaft und Gewässer beim Kanton. «Im Bünztal muss ich den Bauern fast jedes Jahr irgendwann das Wasser abstellen, weil die vorab von Niederschlägen gespiesene Bünz zu wenig Wasser führt», sagt er. Kräuchi wollte wissen, welche Folgerungen man für die dortige Landwirtschaft ziehen muss, wenn das so bleibt oder sich gar noch akzentuiert. Ihm sei sehr wichtig gewesen, so der Experte, «die Bauern miteinzubeziehen. Es geht nur zusammen. Wir wollen ihnen nichts vorschreiben, aber Risiken und Chancen aufzeigen». Denn die Bünz werde künftig öfter weniger Wasser führen als einst.

Gelten die Erkenntnisse nur für das Bünztal?

Eine Gelegenheit zu reagieren, ergibt sich mit dem Projekt «Wasser 2035», mit dem mehrere Gemeinden ihre Wasserversorgung verbessern wollen. Kräuchi hofft, dass man mit den Erkenntnissen die Menschen sensibilisieren kann, und dass dies in «Wasser 2035» einfliesst. Es gehe aber auch darum, zu schauen, wie die Wasserverteilung mit Ringleitungen optimiert werden kann, sodass es zur Verfügung steht, wo und wann man es braucht: «Gleichwohl ist Bewässerung nicht bei allen Kulturen sinnvoll.»

Gelten die Erkenntnisse nur für das Bünztal oder auch für andere Täler, wo Bauern bei Trockenheit auf Bäche angewiesen sind? Die Grundsatzfragen – wann lohnt sich Bewässerung, was soll man bewässern, wie soll man bewässern, was kann man sonst noch machen – seien übertragbar, sagt Kräuchi. Ein mit dem Bund zusammen aufgegleistes Folgeprojekt soll weitere Erkenntnisse bringen und mithelfen, die Landwirtschaft im Rahmen des Projekts «Wasser 2035» zu integrieren.

Was machen Bauern, wenn die Bünz gesperrt ist?

SVP-Grossrat und Bauer Christoph Hagenbuch aus Oberlunkhofen ist Mitglied der Arbeitsgruppe. Er erinnert sich gut an die langen Trockenphasen 2018 und 2019. Damals war es früh im Sommer schon so trocken, dass der Kanton eine Bewilligung nach der anderen zur Wasserentnahme aus verschiedenen Bächen (darunter auch der Bünz) widerrief. Was machen dann die Bauern? Was geschieht mit frisch gesäten Rüebli, die man bei Trockenheit alle zwei Tage giessen muss, damit sie nicht eingehen? Auch Kartoffeln, Gemüse, Beeren, Früchte etc. benötigen dann eine Bewässerung, dies zur Ertrags- und Qualitätssicherung.

Hagenbuch hofft auf eine Lösung für alle Seiten

Wenn die Bauern aus Fliessgewässern kein Wasser mehr entnehmen dürfen, müssen sie auf die Wasserversorgung der Gemeinde zurückgreifen, sagt Hagenbuch. Das ist einerseits teurer und kann andererseits zu Konflikten führen. «In solchen Situationen haben die Gemeinden im Bünztal oft selbst nicht genug Wasser, raten deshalb vom Rasensprengen ab oder verbieten es sogar. Da gibt es dann böses Blut in der Bevölkerung, wenn wir Bauern unsere Felder trotzdem noch bewässern dürfen», sagt der Bauer.

Deshalb hofft Hagenbuch sehr auf eine Lösung für alle Seiten mit «Wasser 2035». Da wollen sich die Gemeinden zusammentun. Wenn sie miteinander genug Wasser und genug grosse Leitungen haben, um es im Bedarfsfall untereinander auszutauschen, würde das auch den Bauern sehr helfen, ist Hagenbuch überzeugt.

Bei gewissen Kulturen lohnt sich das Bewässern

Der aus dem Pilotprojekt im Bünztal entstandene Bericht kommt zum Schluss, dass sich eine Bewässerung aus Kostengründen für etliche Kulturen nicht lohne, etwa für Zuckerrüben, wenn man den nahen Bach nicht mehr nutzen kann. Es sei klar, dass sich die Bauern bewegen müssen, wenn sich die Rahmenbedingungen ändern, sagt Hagenbuch dazu. Und klar sei, dass sich das Bewässern gewisser Kulturen lohne, so etwa bei Beeren, Obst und Kartoffeln.

Bei anderen Kulturen wie Weizen, Wiesen oder Mais sie dies nicht der Fall. Die Bauern könnten sehr gut unterscheiden, was bewässerungswürdig sei und sich deshalb auch lohne, und was nicht, sagt Hagenbuch.

Was sollen Bauern Quinoa anpflanzen?

Die eine oder andere Schlussfolgerung aus dem Bericht dünkt ihn «etwas theoretisch»: «Was sollen Bauern statt Rüebli auf trockenheitstolerantere Kulturen setzen und Quinoa anpflanzen, wenn niemand diese kauft und dafür dann ihre für die Rüebli gebauten, teuren Kühllager ungenutzt herum stehen?»

Er gibt zu bedenken, dass personalintensive Kulturen wie zum Beispiel Rüebli oder Beeren vielen Leuten direkt und indirekt – in vor- und nachgelagerten Betrieben – Arbeit verschaffen. «Diese Menschen haben ein Einkommen, sie mieten eine Wohnung, sie konsumieren, zahlen Steuern.» Der Landwirt beauftrage regionale Unternehmer für den Service an seinen Kühlgeräten und Erntemaschinen, der Transporteur liefere die gewaschenen Rüebli täglich aus: «Wenn wir stattdessen auf Weizenanbau umstellen, reicht ein Traktor mit einem Fahrer für ein riesiges Feld. Da bleibt für die Region wenig Wertschöpfung übrig», gibt er zu bedenken.

«Auf preiswertes Wasser angewiesen»

Hagenbuch fände es schade, wenn im vielfältigen Gemüsetal Bünztal künftig keine Rüebli mehr angebaut werden könnten: «Wir Landwirte müssen uns den veränderten Bedingungen anpassen, wo das möglich ist. Und wir sind dafür auf möglichst preiswertes und mit grosser Sicherheit zur Verfügung stehendes Wasser angewiesen, um die Kulturen mit hoher Wertschöpfung weiterhin anbauen zu können», hält er fest.