
«Schwammige» Begrenzungsinitiative
Nicht weniger als acht Abstimmungsvorlagen – fünf des Bundes und drei des Kantons – warten am 27. September auf die Aargauer Stimmbürgerinnen und -bürger. Eines der zum Entscheid anstehenden Geschäfte ist die sogenannte «Begrenzungsinitiative» der SVP. Ein Ja zu ihr ist für die Familie Blocher eine Herzensangelegenheit. Am Wochenende ritt Magdalena Martullo-Blocher – Bündner SVP-Nationalrätin mit Wohnsitz im Kanton Zürich und CEO der Ems-Gruppe – eine Attacke gegen ihre Kolleginnen und Kollegen in den Direktionen von Schweizer Unternehmen.
Die Schweizer Wirtschaftsverbände seien für ein Nein – so Martullo-Blocher –, weil sie befangen seien. «An der Spitze vieler Schweizer Konzerne stehen heute Ausländer.» Die hätten andere Interessen als Schweizer Unternehmer, zu denen sie gehöre.
Im «Tages-Anzeiger» musste sich Martullo-Blocher die Frage gefallen lassen, wie viele Angestellte aus dem EU-Raum die Ems-Chemie beschäftigt. Ihre Antwort? «Die Zahl zu den EU-Bürgern weiss ich nicht. Aber wir beschäftigen weniger Ausländer, als die Ausländerquote in der Schweiz beträgt.»
Ganz freiwillig dürfte dem nicht so sein. Domat-Ems liegt grenzfern südlich von Chur. Auf Grenzgänger – wie die Basler Chemie oder Siegfried in Zofingen – kann die Firma, welche 40 Prozent ihres Umsatzes im EU-Raum erzielt, weder zählen noch hoffen.
Vor dem Risiko, dass nach einem Ja und damit der Aufkündigung der Personenfreizügigkeit die bilateralen Verträge wie ein Kartenhaus in sich zusammenbrechen, hat Martullo-Blocher keine Angst. Im Stil ihres Vaters sagte sie: «Nimmt die EU die Kündigung der Bilateralen in Kauf, verhandeln wir die einfach neu und besser.» Angesichts der Probleme, in welchen die Europäische Union intern steckt, ein wohl wenig realistisches Szenario. Wie sich beim Brexit zeigt, lässt sich die EU nicht durch Machtspiele beeindrucken und verhandelt Rahmenverträge nicht so einfach nach.
Was Martullo-Blocher offen bestätigt hat, ist, dass die Begrenzungsinitiative, mit der die Zuwanderung aus EU-Ländern beschränkt werden soll, eigentlich als «Kündigungsinitiative» bezeichnet werden müsste. Was hingegen nach wie vor fehlt, ist eine konkrete Aussage der SVP, wie stark Zuwanderung reduziert werden soll – Zahlen gibt es im Initiativtext nicht. Die Initianten sprechen von einer Zuwanderung «bis gegen null» oder aber «ein paar Zehntausend Personen im Jahr».
Was ist der Grund für diese «Schwammigkeit»? Arbeitskräfte aus dem europäischen Raum werden in der Schweiz dringend benötigt. Der Katalog beginnt im Gesundheitswesen, setzt sich in der Landwirtschaft fort und endet bei Industrie und Gewerbe. Wie soll ein kontingentiertes Angebot an ausländischen Arbeitskräften auf die Branchen verteilt werden? Was die «Begrenzungsinitiative» im Endeffekt begrenzt, ist unser Wirtschaftswachstum.