
Littering am Aarestrand: «Das war grauenhaft, wie das aussah!»
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Einige Bewohner des Dietiwart in Rothrist – also des Gebiets zwischen der Aare und den Bahngeleisen – hatten vergangene Woche spezielle Post im Briefkasten. Mit einem Flyer macht eine anonyme Person Werbung für zwei Online-Petitionen, die auf der Plattform ACT by Campax laufen. Ein älterer Herr wurde gesehen, wie er die Flyer in die Briefkästen legte. Die unter dem Alias «Anwohner Dietiwart» verfassten Petitionen haben ein gemeinsames Anliegen: die Zustände bei den Sandbänken unterhalb des Kraftwerks Ruppoldingen auf Rothrister und Solothurner Seite – und vor allem die für die Anwohner negativen Begleiterscheinungen. Eine der beiden Petitionen befasst sich mit dem Parkplatz der Alpiq unterhalb des Aarewegs. Die Alpiq, Betreiberin des Kraftwerks unmittelbar in der Nähe, stellt diesen Parkplatz der Öffentlichkeit zur Verfügung. Damit will sie einen Beitrag gegen das wilde Parken im Quartier leisten. Gemäss Anwohnern des Parkplatzes sind die rund 20 Stellplätze aber nur der berühmte Tropfen auf den heissen Stein. Vielmehr verschlimmere der Parkplatz die Verkehrssituation im Wohnquartier. Gefühlt jeder, der an die Aare wolle, versuche sein Glück zuerst beim Parkplatz. Pro Stunde seien dies mehrere Autos, die den Parkplatz anfahren, wenden und wieder durch das Quartier wegfahren.
Petition fordert Fahrverbot für gesamtes Gebiet
Die zweite Petition fordert ein Fahrverbot, ausgenommen Zubringerdienst, für die Wohnzonen W2 und W3 des Dietiwart. Damit sollen laut Petition wieder «wohnzonenkonforme Verhältnisse» hergestellt werden. Konfrontiert mit den Forderungen der Petitionen muss Gemeinderat Hans Rudolf Sägesser erst einmal relativieren. «Zu der Petition rund um den Alpiq-Parkplatz können wir als Gemeinde nichts sagen.» Der Parkplatz sei Privatgelände der Alpiq, und die dürfe den Parkplatz freigeben, wie sie wolle, sagt Sägesser. Anders sieht es beim Fahrverbot aus. Das falle sehr wohl in den Zuständigkeitsbereich der Gemeinde. «Allerdings haben wir uns nicht damit befasst, weil wir bis vor kurzem noch gar nichts von den Petitionen wussten und diese noch nicht offiziell eingereicht worden sind», erklärt der für das Bauwesen zuständige Gemeinderat. Sägesser findet es schade, dass die Petitionen – die keine rechtliche Verbindlichkeit ausstrahlen – anonym eingereicht wurden. So sei eine Diskussion ja gar nicht möglich.
Selbst wenn die Gemeinde ein Fahrverbot in Erwägung ziehen würde, gebe es laut Sägesser mehrere Hürden. «Vielleicht erlaubt der Kanton in dem Bereich gar kein Fahrverbot.» Denn alle haben das Recht, die Aareufer zu besuchen. Mit einem Fahrverbot wird dieses Recht aber möglicherweise beschnitten.
Sägesser versteht die Anliegen der Bewohner, aber gibt zu bedenken, dass der Gemeinderat die Interessen der gesamten Bevölkerung wahren muss. Deshalb könne er die Sandbänke nicht einfach sperren.
Corona sollte eigentlich für Ruhe sorgen
Doch wie kam es dazu, dass mittlerweile anonyme Petitionen verfasst werden und ein Austausch scheinbar nicht möglich ist? Die natürlichen Sandbänke unterhalb des Kraftwerks Ruppoldingen sind seit ihrer Entstehung in der Region ein beliebtes Badeziel. Aare, Sand und Sonne lassen ein Ferienfeeling direkt vor der Haustüre aufkommen. Vor einigen Jahren erlebte das Gebiet aber dank Social Media einen wahren «Sandbank-Tourismus». Leidtragende waren die Anwohner auf der Rothrister Seite, im Dietiwart. Ohne Konzept parkten die «Sandbänkler» die Strassen zu oder stellten ihre Fahrzeuge ungefragt auf privaten Plätzen ab. Mitten in der Nacht wurden Autotüren und Kofferräume zugeknallt und wurde mit dröhnender Musik und quietschenden Reifen abgefahren. Laute Musik war in der Nacht auch regelmässig direkt an der Aare zu hören, begleitet von Geschrei und Gejohle. Mehrere Anwohner berichten von wahren Alkoholexzessen. Gar von einem scheinbar rechtsfreien Raum war die Rede, denn werde die Polizei gerufen, passiere nichts. Der Abfall dieser Exzesse wurde liegen gelassen oder gar frech in die Gärten der Bewohner geschmissen. Zwischen Bierdosen und Geflügelknochen fanden die Anwohner auch Kot und Urin in ihren Gärten.
Im Herbst 2018 reichten rund 60 Anwohner eine Initiative beim Gemeinderat ein. An einer Informationsveranstaltung präsentierte dieser ein Konzept, das Verbesserungen der Verkehrssituation und bei der Litteringproblematik versprach. Mehr Abfalleimer gegen das Littering, eine mobile Toilette gegen andere unerwünschte Hinterlassenschaften, ein mobiles Fahrverbot – gültig zwischen Freitag und Sonntag – sowie beschilderte Parkplätze sollten Abhilfe schaffen. Die Fahrverbotstafeln wurden in der Vergangenheit bereits versprayt und entwendet. Gegen Parksünder gingen die Polizei und eine private Sicherheitsfirma mit Bussen vor. Im Herbst 2019 zog der Gemeinderat an einem weiteren Infoanlass ein erstes Fazit. Die Gemeinde zeigte sich zufrieden, einige Anwohner etwas weniger. Auf den Sommer 2020 gab es seitens der Gemeinde keine grösseren Anpassungen. Im Frühling schliesslich war die Hoffnung gross, dass dank Corona in diesem Sommer etwas Ruhe herrscht. Die Polizei sperrte zeitweise gar die Strände unter dem Notrecht ab. An die Absperrungen hielten sich aber nicht viele, Lärm und Verkehr waren dennoch da. Einige Anwohner – von denen viele etwas zu sagen haben, aber anonym bleiben möchten – haben Angst, dass es nun, sobald die Temperaturen auf über 30 Grad klettern, noch schlimmer wird. «Man kann im Ausland keine Badeferien machen, dann kommen alle hierhin», meint etwa ein Anwohner.
Saubere Plätze erhöhen die Hemmschwelle zum Littern
Nachhaltig verbessert hat sich zumindest das Ausmass des Litterings. Die Gemeinde zeigt sich zufrieden mit der aktuellen Situation – die grossen blauen Fässer zeigen ihre Wirkung. «Sind die Fässer überfüllt, wird der Abfall direkt daneben deponiert, was das Einsammeln erleichtert», sagt Hans Rudolf Sägesser. Auch die wohl bekannteste Rothrister Kämpferin gegen Littering, Esther Marbach, sieht eine Verbesserung entlang der Aare. Die Rothristerin, die 2019 auf ihren Touren knapp 41 000 Pet-Flaschen, Glasbehälter und Aludosen eingesammelt hat und dieses Jahr mit ihrem E-Bike bereits 4300 Kilometer beim Sammeln von Abfall zurückgelegt hat, sammelte vor zwei Jahren das erste Mal Abfall entlang der Aare zusammen. «Es war grauenhaft, wie das aussah!», sagt sie zu der damaligen Situation. Deponieren die «Aaresträndler» ihren Abfall neben den blauen Fässern, sortiert Esther Marbach diesen, um das Entsorgen zu erleichtern. Pet, Glas und Dosen nimmt sie mit dem E-Bike ab und zu auch nach Hause. «Mit den Gemeindearbeitern habe ich ein Abkommen, damit sie das recyclebare Leergut bei mir zu Hause abholen.» Beim Sortieren erlebte sie auch schon unschöne Szenen. Während sich viele zumindest durch ihre Anwesenheit dazu verleiten lassen, den Abfall selbst zu sortieren, wurden ihr schon Säcke vor die Füsse geworfen – «Nach dem Motto: ‹Da, mach!›.» Schon mehrfach hat sie beobachtet, wie Abfall von zu Hause mitgenommen und irgendwo liegen gelassen wird.
Für Esther Marbach gibt es zwei Ansätze, die gegen Littering helfen. Einerseits müsste ein Depot eingeführt werden. «Aber nicht nur mit einem Franken, das ist zu wenig und interessiert die Leute überhaupt nicht», sagt sie. «Im Ausland klappt das Depot wunderbar. Nur in der Schweiz scheint es nicht zu gehen.» Der andere Lösungsansatz ist regelmässiges Einsammeln, notfalls auch auf Basis von Freiwilligenarbeit, so wie sie es selbst macht. «Die Hemmschwelle zu littern ist sehr viel grösser, wenn alles schön sauber ist.» Wenn es schon überall Abfall herumliege, seien die Menschen schneller bereit, ihren Müll einfach liegen zu lassen.


Feuerstelle oberhalb Kraftwerk Ruppoldingen am 21. März 2020, 09:09 Uhr. Fotos: Lukas Hemmeler Feuerstelle oberhalb Kraftwerk Ruppoldingen am 21. März 2020, 09:09 Uhr. Fotos: Lukas Hemmeler Feuerstelle oberhalb Kraftwerk Ruppoldingen am 21. März 2020, 09:09 Uhr. Fotos: Lukas Hemmeler Feuerstelle oberhalb Kraftwerk Ruppoldingen am 21. März 2020, 09:09 Uhr. Fotos: Lukas Hemmeler Feuerstelle oberhalb Kraftwerk Ruppoldingen am 21. März 2020, 09:09 Uhr. Fotos: Lukas Hemmeler Feuerstelle oberhalb Kraftwerk Ruppoldingen am 21. März 2020, 09:09 Uhr. Fotos: Lukas Hemmeler Feuerstelle oberhalb Kraftwerk Ruppoldingen am 21. März 2020, 09:09 Uhr. Fotos: Lukas Hemmeler Feuerstelle oberhalb Kraftwerk Ruppoldingen am 21. März 2020, 09:09 Uhr. Fotos: Lukas Hemmeler Feuerstelle oberhalb Kraftwerk Ruppoldingen am 21. März 2020, 09:09 Uhr. Fotos: Lukas Hemmeler Feuerstelle oberhalb Kraftwerk Ruppoldingen am 21. März 2020, 09:09 Uhr. Fotos: Lukas Hemmeler Feuerstelle oberhalb Kraftwerk Ruppoldingen am 21. März 2020, 09:09 Uhr. Fotos: Lukas Hemmeler Feuerstelle oberhalb Kraftwerk Ruppoldingen am 21. März 2020, 09:09 Uhr. Fotos: Lukas Hemmeler Feuerstelle oberhalb Kraftwerk Ruppoldingen am 21. März 2020, 09:09 Uhr. Fotos: Lukas Hemmeler Feuerstelle oberhalb Kraftwerk Ruppoldingen am 21. März 2020, 09:09 Uhr. Fotos: Lukas Hemmeler Feuerstelle oberhalb Kraftwerk Ruppoldingen am 21. März 2020, 09:09 Uhr. Fotos: Lukas Hemmeler Feuerstelle oberhalb Kraftwerk Ruppoldingen am 21. März 2020, 09:09 Uhr. Fotos: Lukas Hemmeler Feuerstelle oberhalb Kraftwerk Ruppoldingen am 21. März 2020, 09:09 Uhr. Fotos: Lukas Hemmeler Feuerstelle oberhalb Kraftwerk Ruppoldingen am 21. März 2020, 09:09 Uhr. Fotos: Lukas Hemmeler Feuerstelle oberhalb Kraftwerk Ruppoldingen am 21. März 2020, 09:09 Uhr. Fotos: Lukas Hemmeler Feuerstelle oberhalb Kraftwerk Ruppoldingen am 21. März 2020, 09:09 Uhr. Fotos: Lukas Hemmeler Feuerstelle oberhalb Kraftwerk Ruppoldingen am 21. März 2020, 09:09 Uhr. Fotos: Lukas Hemmeler Feuerstelle oberhalb Kraftwerk Ruppoldingen am 21. März 2020, 09:09 Uhr. Fotos: Lukas Hemmeler Feuerstelle oberhalb Kraftwerk Ruppoldingen am 21. März 2020, 09:09 Uhr. Fotos: Lukas Hemmeler Feuerstelle oberhalb Kraftwerk Ruppoldingen am 21. März 2020, 09:09 Uhr. Fotos: Lukas Hemmeler