
Edelweiss beruhigt Passagiere neu mit einer Frischluft-Ansage an Bord – Dabei ist die Technik über 20 Jahre alt
Sonntagmorgen, 26. Juli 2020, ein Rückflug von Kreta zurück in die Schweiz, an Bord unzählige Menschen, die gleiche Enge, die wir schon vor dem Ausbruch des Virus kannten, und doch so fremd. Keinerlei Sicherheitsabstand, acht Menschen pro Reihe auf dem Flug von Edelweiss Air. Stecke ich mich an, auf 10’000 Metern über Meer? Wie gefährlich ist das Fliegen überhaupt, in Zeiten von Corona? Verhalte ich mich moralisch korrekt, wenn ich überhaupt reise, in diesen Zeiten?
Während mir Sorgengedanken durch den Kopf schiessen, bleibt an Bord, abgesehen von einer Maskenpflicht und einem Ausfüllen eines Formulars zur Rückverfolgung, alles wie immer. Oder fast. Edelweiss hat neben der Maskenpflicht noch eine kleine, neue Handhabe gegen die Sorge: Ansagen, die seit Anfang Juni auf allen Flügen durch die Lautsprecher hallen. «Die Kabinenluft wird in unseren Flugzeugen mit speziellen Filtern permanent gereinigt und durch Frischluft ausgetauscht. Experten beurteilen die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung durch das Corona-Virus in der Kabine als äusserst gering.»
Fast wie im Operationssaal – aber nur fast
Die Ansage ist neu. Nie zuvor hatte die Fluggesellschaft mit diesem Filter geworben. Und sie ist nicht die einzige Fluggesellschaft, die mit Frischluftfiltern jetzt aktiv gegen Corona-Sorgen vorgeht.
Auf der Webseite der Swiss heisst es: «Die Luft an Bord sämtlicher Flugzeuge der Swiss ist sauberer als die auf der Erde. Sie besteht zu 60 Prozent aus Frischluft von aussen. Die in der Kabine zirkulierende Luft wird gefiltert und von Verunreinigungen wie Staub, Bakterien und Viren befreit. Filterleistung und Luftführung entsprechen den Standards für klinische Operationssäle.»
Haben die Fluggesellschaften nun, corona-bedingt, umgerüstet? Neue Technologie eingebaut?
Technik seit 1999 im Einsatz
Eine Nachfrage bei den Fluggesellschaften zeigt: Die Technik ist alles andere als neu. Bei Edelweiss ist sie gar seit 1999 im Einsatz – also seit über 20 Jahren. Bei der Swiss heisst es lapidar: «Unsere Flugzeuge sind standardmässig mit dieser Technik ausgestattet, sie wurden so konstruiert.» In Zeiten von Corona-Panik und eingebrochenem Reiseverkehr sind die Fluggesellschaften besonders darauf bedacht, nicht als Virenschleudern zu gelten. Da kommt das erneute Betonen bereits eingebauter Sicherheitsstandards gerade recht.
Was die Anlagen tatsächlich mit denjenigen in Operationssälen gemeinsam haben, ist die Zufuhr von Frischluft und der Einsatz von Schwebstofffiltern. Damit können Rauchpartikel, Staub, Pollen, und, ganz besonders wichtig, sogar Bakterien und Viren aus der Luft gefiltert werden. Trotzdem herrschen im Flugzeug nicht dieselben Voraussetzungen wie im Operationssaal: Im Flugzeug befinden sich sehr viel mehr Menschen.
Das Risiko hängt auch davon ab, wie lange ein Flug dauert und wie stark das Virus im besuchten Land verbreitet ist. Eine Ansteckung kann deshalb nicht ausgeschlossen werden. In einer Umfrage der Internationalen Luftverkehrsvereinigung (IATA) bei 18 grossen Fluggesellschaften kamen zwar keine Ansteckungen unter den Passagieren zum Vorschein und lediglich drei Fälle, in denen sich Crew-Mitglieder vermutlich bei Passagieren mit dem Coronavirus angesteckt hatten. Es ist aber auch ein Fall dokumentiert, bei dem sich auf einem fünfstündigen Flug mindestens neun Personen angesteckt haben.
Wählen Sie einen Fensterplatz
Wenn Sie also das Ansteckungsrisiko minimieren wollen, wählen Sie am Besten einen Fensterplatz. Dort ist die Gefahr kleiner, dass Sie von den Tröpfchen niesender Mitreisender getroffen werden. In einer Studie aus den USA kamen Passagierinnen und Passagiere mit Fensterplatz während eines Flugs mit durchschnittlich zwölf Personen in Kontakt, diejenigen am Gang dagegen mit 64.
Noch sicherer wird’s wohl nur, wenn Sie gänzlich aufs Reisen verzichten, bei dem Menschenansammlungen möglich sind. Egal, wie die aktuelle Situation sich entwickelt, ob bald ein Impfstoff gefunden wird oder sich die Lage wieder zuspitzt: Die Fluggesellschaften müssen sich auch nach dem Höhepunkt der Krise auf Monate, wenn nicht Jahre mit weniger Reisenden als noch 2019 einstellen.