
«Das Gute liegt so nah»: Drei Kantone animieren zum «SommerSpass» vor der eigenen Haustür

Es herrscht aufgeräumte Stimmung an diesem Mittwochnachmittag. Die Sonne brennt vom Himmel. Der Asphalt der Oltner Bahnhofbrücke glüht. Die Tourismusdirektoren Jürgen Hofer (Solothurn Tourismus), Andrea Portmann (Aargau Tourismus) und Michael Kumli (Baselland Tourismus) lassen sich nichts anmerken. Zu gross ist die Vorfreude darauf, dass der «SommerSpass – vor der eigenen Haustüre!» heute Montag zum Fliegen kommt. Es ist das gemeinsame Projekt der drei Tourismusorganisationen in Zusammenarbeit mit CH Media. Es ist in gewisser Weise ein Kind der Krise, aber kein Krisenkind. Im Gegenteil, es soll den Menschen Freude machen. Und das ganz nah statt sehr fern.
Jürgen Hofer, Sie sind der Erfinder des «SommerSpass». Was steckt dahinter?
Jürgen Hofer: Eben nicht der reine Spass, sondern die Tatsache, dass der Tourismus in der Coronakrise sehr gelitten hat – auch in unserer Region. Deshalb braucht es jetzt einen Effort, um die touristischen Angebote gleichsam wiederzubeleben. Das schaffen wir mit der heute lancierten digitalen Plattform.
Es ist also auch eine Art Anti-Krisen-Programm…
Andrea Portmann:… ja, das kann man so sagen. Wir müssen uns vor Augen halten: Viele Anbieter von touristischen Dienstleistungen sind in existenzielle Nöte geraten. Es wäre jammerschade, wenn das, was in den letzten Jahren aufgebaut wurde, einfach so weggefegt würde…
Michael Kumli: …genau. Deshalb braucht es nun einen kräftigen Anschub. Der «SommerSpass» ist ein kleines Konjunkturprogramm. Aber nicht eines, in das einfach Geld gepumpt wird. Wir machen mit dem «SommerSpass» sicht- und erlebbar, was unsere Region touristisch zu bieten hat. Und wir animieren die Menschen zum Entdecken. Und zwar vor ihrer Haustüre.
Das sind die Macherin und die beiden Macher des «SommerSpass» (von rechts): Jürgen Hofer (Solothurn Tourismus) , Andrea Portmann (Aargau Tourismus) und Michael Kumli (Baselland Tourismus). © Bruno Kissling
Corona ist in dem Sinn Fluch, aber auch Segen?
Hofer: Ja, so könnte man das vielleicht sagen. Corona stürzte uns in die Krise, Corona sorgt aber auch dafür, dass viele Menschen den Sommer und den Herbst in heimischen Gefilden verbringen werden. Diese Chance wollen wir packen.
Muss sich der Tourismus also quasi selbst retten?
Portmann: Ja, das ist sicher so. Deshalb ist bei allem Spass, den Ausflüge in unserer Region versprechen, auch die Solidarität ein wichtiger Gedanke. Wenn Aargauer, Baselbieter und Solothurner ihre eigene und die Nachbarregionen touristisch erkunden, haben sie ebenso etwas davon wie die Träger der touristischen Angebote. Eine klassische Win-win-Situation.
Hofer: Sehr! Wir starten ja nicht an einem Nullpunkt. Alle drei Kantone haben tolle touristische Angebote und Infrastrukturen. Natürlich, wir spielen nicht in der Liga der Alpen-Destinationen oder der Grossstädte. Aber wir haben eine enorme Vielfalt an Landschaft, Kultur, Sport, Gastronomie usw.
Portmann: Ich sage es so: Man muss nicht in der Super League spielen, um tolle Erlebnisse zu bieten. Unsere Kleinräumigkeit hat ihren ganz eigenen Charme. Wir beweisen immer wieder, dass es keine «Ikonen» braucht, um Erfolg zu haben. Die Vielfalt ist unser Kapital. Das müssen wir jetzt einsetzen.
Kumli: Das sehe ich auch so: Das Gute liegt so nah. Und hoffentlich nicht nur im Tagestourismus, das geht leider immer wieder vergessen. Wir sehen auch Potenzial bei Gästen, die sich zwei, drei, vier Tage im Gebiet aufhalten Die Krise hat aufgezeigt, dass viele Einheimische das, was sie vor der eigenen Haustüre antreffen können, doch nicht immer so gut kennen. Noch nicht Das ist in einer Zeit, in der die Leute weniger reisen wollen oder können, ein absolut entscheidender Faktor.
Stehen wir touristisch vor einer Renaissance des Regionalen?
Portmann: Ja, das kann gut sein. Die Menschen haben wieder Lust, das Nahe zu entdecken. Und zwar unabhängig von Kantonsgrenzen. Deshalb finde ich es so toll, dass wir uns zu einem trikantonalen Vorhaben zusammengefunden haben. Es geht um zusammenhängende Lebens- und Kulturräume, die touristisch erstklassig erschlossen sind.
Hofer: Was auch die Frucht der Arbeit in den vergangenen Jahren ist! Es wurde sehr viel investiert in die touristische Infrastruktur. Wir sind längst kein weisser Fleck mehr auf der Tourismus-Landkarte, im Gegenteil.
Kumli: Und hoffentlich nicht nur im Tagestourismus, das geht leider immer wieder vergessen. Wir sehen auch Potenzial bei Gästen, die sich zwei, drei, vier Tage im Gebiet aufhalten.
Die Konkurrenz ist aber gross.
Kumli: Ja, das ist so. Aber wir haben mit unserer landschaftlichen und kulturellen Vielfalt, mit unserer Nähe zu den Zentren auch sehr gute Argumente, die keinesfalls zu unterschätzen sind.
Portmann: Unbedingt. Zudem: Konkurrenz belebt das Geschäft. Gerade jetzt müssen wir beweisen, was wir können. Es ist eine grosse Herausforderung, aber auch eine Chance. Jetzt ist Eigeninitiative an allen Fronten gefragt.
Hofer: Und zwar solche, die über den Tag hinaus wirkt. Natürlich ist es so, dass wir jetzt ein Anti-Krisen-Programm durchführen, um das zu retten, was aufgebaut wurde. Wir denken aber weiter: Ich bin sehr zuversichtlich, dass uns die touristischen Trends, die zurück zu den Wurzeln, zum Einfachen und Unkomplizierten führen, helfen werden.
Die Tourismusorganisationen können das anstossen, machen müssen es aber die Anbieter aber selbst.
Hofer: Ja, das ist so. Aber wir kennen die Angebote und ihre Macher selbstverständlich sehr gut. Deshalb sind wir überzeugt, als Impulsgeber das Richtige anzustossen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch: Der «SommerSpass» ist keine Marketingaktion, die mit Dumpingpreisen funktioniert. Vielmehr geht es um Tourismusangebote unter realen Bedingungen. Denn der Franken muss dort ankommen, wo es ihn braucht.
Portmann: Das ist auch etwas, das die Leute gut verstehen: Sie geben ihr Geld gern dort aus, wo man sich kennt und wo man weiss, was man dafür bekommt. Das ist bei unserer Aktion in jeder Hinsicht so.
Kumli: Davon bin ich ebenfalls überzeugt. Für mich ist die Aktion umso sympathischer, weil mit einfachen Mitteln klar sichtbar gemacht wird, was unsere Region zu bieten hat.
Da steckt auch ein Stück Kritik an der derzeit tobenden Schlacht an der Tourismusfront drin.
Hofer: …ja, zweifellos. Mir ist bewusst, dass es unterschiedliche Mittel und Wege gibt, die Menschen für touristische Angebote zu interessieren. Und es braucht auch nicht überall dasselbe. Es ist ein Unterschied, die Stadt Zürich, das Berner Oberland oder den Solothurner Jura zu bewerben. Trotzdem finde ich, das Rad werde im Schweizer Tourismus derzeit überdreht.
Portmann: Diesen Eindruck teile ich. Aber es ist eine Tatsache, dass die Tourismusbranche vielerorts ums Überleben kämpft. Es ist eine Tatsache, dass die Konsumenten stark verunsichert sind. Und es ist eine Tatsache, dass auch der Tourismus nicht von selbst wieder zum Laufen kommt. Deshalb braucht es auch einen wahrnehmbaren Werbeschub. Über das Ausmass kann man sich streiten.
Der «SommerSpass» richtet sich an die Daheimgebliebenen in der Region. Aber andere dürfen auch kommen, oder?
Hofer (lacht): Oh ja, herzlich gern sogar! Selbstverständlich beackern wird mit der Aktion hauptsächlich unseren «Heimmarkt». Aber wir schauen natürlich auch über die Region hinaus. So wie das die Daheimgebliebenen auch tun. Es ist spannend: Wir hatten in Solothurn jüngst die Situation, dass alle Betten in Dreistern-Häusern belegt waren. Das zeigt: Der Tourismus lebt. Und er wird sich erholen.
Kumli: Unbedingt dürfen auch «andere» kommen! Wir hatten in den letzten Tagen verschiedene sehr positive Rückmeldungen von Schweizer Gästen, die nicht in der Region wohnhaft sind. Ich sehe auch eine Chance darin, die regionale Bevölkerung in diesem Sommer durch die positiven Erlebnisse noch stärker als begeisterte Botschafter unserer Region gewinnen können. Diese Geschichten erzählen sie dann weiter, was im Idealfall wieder weitere Gäste zu uns bringt.
Wann ist der «SommerSpass» ein Erfolg?
Portmann: Das ist quantitativ nicht so einfach zu fassen. Aber es ist klar: Die Aktion muss sich bei den Anbietern von touristischen Dienstleistungen aller Art – seien Hotels, Restaurants, Museen, Schlössern usw. – in der Kasse niederschlagen. Sonst hat unser kleines Konjunkturprogramm sein Ziel verfehlt. Ich bin aber sehr zuversichtlich, dass wir einen Sommer erleben werden, den wir so schnell nicht vergessen werden – im positiven Sinn!.
Kumli: Der Anschubcharakter ist in der Tat essenziell. Auch ich glaube fest daran, dass es zur beschriebenen Win-win-Situation kommen wird. Hier die tollen Angebote, dort das Publikum, das sich nach sicheren und erlebnisreichen Ferientagen sehnt, ohne in die Ferne schweifen zu müssen.
Hofer: Genau! Es ist die Kombination von tollen Angeboten vor der Haustür, die Anbieter und Kunden in allen drei Kantonen zusammenbringt, sowie von Solidarität und Gemeinsinn, etwas Einzigartiges zu erleben und dabei noch etwas Gutes zu tun. Ich bin sicher, dass das funktionieren und über den Tag hinaus Bestand haben wird.
Mehr als nur ein paar Tagesausflüge
Ein paar Flüsse, ein paar Hügel, ein paar Schlösser. Nicht zu vergessen die paar Altstädte. So stellen sich immer noch viele Nicht-Aargauer die Tourismusregionen Aargau, Baselland und Solothurn vor. Gut zu machen in einem Tagesausflug. So die gängige Vorstellung. Dem widersprechen die Tourismusdirektoren vehement. Es stimme zwar, dass sich in der Region wunderbare Eintagesausflüge machen liessen, bestätigen sie. Mit einem klaren Akzent im Erlebnistourismus für die ganze Familie.
Doch das ist längst nicht alles. Allein in Blick in die Statistik der Logiernächte zeigt, dass in den drei Kantonen auch fleissig genächtigt wird. Im Aargau beispielsweise waren im vergangenen Jahr gut 751’000 Logiernächte zu verzeichnen. Tendenz steigend. Knapp die Hälfte der Gäste in den 143 Betrieben mit 5780 Betten stammte dabei aus dem Ausland.
Immerhin auf gut 283’000 Logiernächte kommt Baselland, allerdings mit leicht negativem Trend. Die Auslastung in den 48 Betrieben mit 2222 Betten betrug dabei gut 35 Prozent. Und dies ohne Berücksichtigung der wachsenden Parahotellerie. Gleichzeitig war im Stadtkanton in den vergangenen Jahren ein massiver Kapazitätsausbau zu beobachten.
Im Kanton Solothurn resultierte mit gut 435’000 Logiernächten ein moderates Plus – eines, das zu einem Allzeithoch führte. Wobei die Entwicklung in den Regionen und Städten uneinheitlich ist. Vor allem die Stadt Solothurn legt kräftig zu. (bbr.)