
Die «Mohrenkopf»-Debatte erreicht Kolumbien – Nestlé entfernt Produkt aus dem Sortiment
Die «Mohrenkopf»-Debatte geht in eine weitere Runde. Jetzt zieht auch der Schweizer Lebensmittelkonzern Nestlé nach und nimmt ein Produkt mit einem provozierenden Namen aus dem Sortiment: Den «Beso de Negra», zu Deutsch Negerinnenkuss. Dass das Produkt hierzulande bisher nicht in den Fokus gerückt ist, liegt daran, dass es sich um eine Marke in Kolumbien handelt. Ansonsten hätten der Name und das Bild auf der Verpackung mit Sicherheit schon heftige Diskussion ausgelöst: Die roten Kartons zeigen eine grossbusige schwarze Frau mit roten Lippen, die mit einem einladenden Blick auf das Schokoladenprodukt deutet. Bei der Darstellung handelt es sich also nicht nur um einen rassistischen, sondern auch um einen sexistischen Stereotyp.
Die Nestlé-Führung war sich über die Existenz dieses Produkts offenbar selbst nicht bewusst. Zum international tätigen Konzern gehören um die 2000 Marken, da kann selbst der Konzernchef mal den Überblick verlieren. Die Geschichte mit den «Beso de Negra» sei Mark Schneider am Donnerstagmorgen zu Ohren gekommen, schreibt Mediensprecher Christoph Meier gegenüber CH Media. «Es wurde sogleich angeordnet, das Produkt zurückzuziehen und den Namen zu ändern. Wir schauen uns jetzt das vollständige Produktportfolio an, um Namen und Bilder dieser Art zu eliminieren. Diskriminierung und Rassismus haben bei uns keinen Platz.»
Detailhändler verbannen «Mohrenköpfe» aus den Regalen
Empörungswellen um die Bezeichnung «Mohrenkopf» gab es in der Schweiz in den letzten Jahren immer wieder. Aufgrund der aktuellen Anti-Rassismus-Protesten in den USA und dem Entscheid der Migros, die «Mohrenköpfe» des Aargauer Herstellers Dubler aus dem Sortiment zu nehmen, flammte die Diskussion erneut auf. Dubler-Patron Robert Dubler ist einer der letzten Produzenten, der noch an der Bezeichnung «Mohrenkopf» festhält. Die meisten nennen ihr Produkt inzwischen Schoko- oder Schaumkuss.
Auf Französisch und Italienisch kommen die Produktnamen allerdings häufig noch nicht politisch korrekt daher. So verkauft die Migros etwa weiterhin die hauseigene M-Budget-Linie Schaumküsse, die auf Italienisch «moretti» heissen. Übersetzt bedeutet das «kleiner Mohr», respektive «Negerlein». Die Migros will die Produkte nun umbenennen. Das Vorgehen der Migros könnte Signalwirkung haben. Auch bei weiteren Detailhändlern steht die Zusammenarbeit mit Dubler auf der Kippe, beispielsweise beim Spar. Volg hingegen hat entschieden, weiterhin «Mohrenköpfe» zu verkaufen.
In Kolumbien ruft der Name angeblich keine Empörung hervor
Auf die Nestlé-Marke «Beso de Negra» in Kolumbien wurde diese Zeitung derweil schon vor ein paar Jahren aufmerksam gemacht. Eine Touristin in Kolumbien fotografierte damals die Verpackung. «Das glaubt mir sonst keiner», schrieb sie. In Kolumbien rufe die Verpackung jedoch keine Empörung hervor, so die damalige Einschätzung von Yvette Sánchez. Die Venezolanerin ist Direktorin des Centro Latinoamericano-Suizo an der Universität St. Gallen. Der «Kuss der Negerin» klinge für hiesige Ohren stossend, in Kolumbien bezeichne man dunkelhäutige Menschen jedoch häufig als «Negros» und diese selbst hätten wenig Probleme damit.
Der St. Galler Rassismus-Experte Hans Fässler sah noch einen anderen Grund für den nahezu ausbleibenden Protest im südamerikanischen Land: «Name und Bild eines Produkts sind für viele Menschen in armen Ländern nicht besonders wichtig, weil die Probleme des Alltags fast alles andere erdrücken», sagt Fässler. Bedingt Kritik gab es damals jedoch auch in Kolumbien. In einer Diskussion auf Twitter zum Nestlé-Produkt bezeichnete eine Nutzerin dieses als «eine Perversion». Der Nestlé-Führung war der Zeitungsartikel nicht bekannt.