
Schweiz prescht vor und öffnet Grenzen zum Schengenraum schon am 15. Juni
Knapp einen Monat vor den Sommerferien hat der Wettbewerb eingesetzt, wer die Grenzen am schnellsten öffnet. Niemand in Europa will zu spät kommen im Kampf um die Touristen. Italien hat seine Grenzen am 3. Juni unilateral geöffnet. Auch am 3. Juni verkündete Österreich, dass es Grenz- und Gesundheitskontrollen gegenüber den Nachbarstaaten einstellt. Mit Ausnahme von Italien.
Recherchen zeigen: Auch die Schweiz plant einen Befreiungsschlag. Das Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) will die Personenfreizügigkeit mit den EU-Staaten und die Reisefreiheit in den Schengen-Staaten bereits am 15. Juni wieder etablieren. Die Regelung soll auch für Italien gelten.
Epidemiologische Lage macht es möglich
Justizministerin Karin Keller-Sutter will die Reisefreiheit mit den Schengen-Staaten am 15. Juni wieder einführen. © Keystone
Der Bundesrat hat schon am 27. Mai kommuniziert, dass die Einschränkungen bei der Einreise in die Schweiz, bei der Zulassung zum Arbeitsmarkt und zum Aufenthalt «ab Mitte Juni bis spätestens am 6. Juli» für alle Schengen-Staaten aufgehoben werden sollen. Sofern es die epidemiologische Lage zulasse.
Diese Lage hat sich nun in der Schweiz und im gesamten EU/Efta-Raum so günstig entwickelt, dass dies schon am 15. Juni möglich werden soll. Deshalb will das Justizdepartement dem Gesamtbundesrat in einer Woche die komplette Öffnung der Grenzen gegenüber den Schengen-Staaten unterbreiten. In Zusammenarbeit mit dem Innen- und dem Finanzdepartement. Sie sind für die epidemiologischen Aspekte und die Grenzkontrollen zuständig.
Mario Gattiker nimmt gleich an zwei Konferenzen teil
Vieles deutet darauf hin, dass der 15. Juni zum grossen Grenz-Öffnungstag in allen Schengen-Staaten wird. Diese Tendenz zeigt sich im Vorfeld der Tagung des Rats für Justiz und Inneres (JI-Rat) der EU-Staaten vom Freitag. Staatssekretär Mario Gattiker nimmt an den Gesprächen teil, weil Keller-Sutter verhindert ist: Sie hat eine Bundesratssitzung.
Gattiker bespricht sich am Freitag auch an einer Telefonkonferenz mit den Staatssekretären Frankreichs, Österreichs und Italiens. Das bestätigt Daniel Bach, Leiter Kommunikation des Staatssekretariats für Migration: «Es geht bei beiden Konferenzen um ein koordiniertes Vorgehen im Hinblick auf die Grenzöffnungen.» Klar ist: Sowohl Deutschland wie Frankreich wollen die Reisefreiheit in den Schengen-Staaten ebenfalls am 15. Juni wieder etablieren.
Staatssekretär Mario Gattiker nimmt am Freitag gleich an zwei Konferenzen teil. © Keystone
Vier verschiedene Grenz-Regimes in der Schweiz
Die Situation an den Grenzen ist zurzeit für Schweizerinnen und Schweizer sehr komplex. Aktuell gelten vier verschiedene Regimes:
Italien: Das südliche Nachbarland hat am 3. Juni die Grenze zur Schweiz geöffnet. Die Öffnung bleibt bis zum 15. Juni einseitig. Bern beurteilt die italienische Öffnung als verfrüht. Schweizer dürfen Ferien in Italien machen. Nicht erlaubt ist Einkaufstourismus. Der Bund rät aber von Reisen ab. Es brauche einen triftigen Grund.
Österreich: Das östliche Nachbarland hat zwar die Grenzen zur Schweiz eben geöffnet. Auch für Österreicher gibt es bereits Lockerungen, wenn sie in die Schweiz reisen wollen. Die Schweiz öffnet die Grenzen zu Österreich aber erst am 15. Juni.
Frankreich: Die Grenzen sind von beiden Seiten her noch immer geschlossen. Auch hat Frankreich bisher keine Lockerungen bei der Einreise in Kraft gesetzt. Anders als Deutschland und Österreich.
Deutschland: Die Grenzen mit dem nördlichen Nachbarn sind beiderseits noch geschlossen. Doch Deutschland wie die Schweiz haben die Einreise gelockert.
Justizministerin Keller-Sutter hatte schon Mitte Mai vorhergesehen, dass der Druck auf Grenzöffnungen wachsen wird. «Es würde mich nicht erstaunen, wenn unter dem wirtschaftlichen Druck plötzlich der ganze Schengen-Raum Mitte Juni offen wäre», sagte sie am 16. Mai in der «Samstagsrundschau» von Radio SRF. «Man merkt jetzt, dass sich verschiedene Staaten wegen des Tourismus öffnen werden.» Es gehe alles wohl «ein wenig schneller».
Nun bekommt die Justizministerin Recht – wenn sich die epidemiologischen Voraussetzungen nicht plötzlich wieder ändern. Wie sehr die Grenzöffnungen die Bevölkerung interessiert, zeigen Zahlen der Helpline des Staatssekretariats für Migration. Die 60 Mitarbeiter beantworten zurzeit Tag für Tag 800 bis 1000 E-Mails oder Telefonanrufe mit Fragen zu Einreise und Aufenthalt in der Schweiz. Teilweise hatte die Helpline gar einen Stau von 5000 Anfragen pro Tag.