
Ohne Eltern und mit Picknick-Korb: die Maturfeiern an Aargauer Kantonsschulen finden statt
Die Mittelschulen nehmen voraussichtlich erst am 8. Juni wieder den Präsenzunterricht auf. Ein abschliessender Entscheid dazu wird morgen Mittwoch vom Bundesrat erwartet. Nicht mehr interessieren wird es die diesjährigen Maturandinnen und Maturanden. In diesen Tagen legen sie ihre letzten schriftlichen Prüfungen ab, die mündlichen fallen aus. Damit sind sie fast einen Monat früher fertig als ursprünglich geplant. Die Zeugnisübergaben samt entsprechenden Maturfeiern werden aber nicht vorgezogen. Doch sie finden statt – wenn auch unter strenger Einhaltung der Abstands- und Hygienemassnahmen zur Eindämmung des Coronavirus.
Dass dies nicht nur negativ zu verstehen ist, zeigt Thomas Renold, der Leiter Zentrale Dienste der Kantonsschule Wettingen auf: «Es gibt kleine Abschlussfeiern, die aber einmalig und unvergesslich sein werden.» Die Schülerinnen und Schüler erhalten ihre Zeugnisse am 25. Juni gestaffelt, immer zwei Klassen zusammen in der Klosterkirche. Den Maturanden wird ein Picknick-Korb für weitere Feierlichkeiten im Park mitgegeben und als Andenken werden Gruppenbilder gemacht – immer unter Einhaltung der Abstandsregeln, wodurch das Bild zum Zeitdokument werde, sagt Renold. «In einigen Jahren werden die jetzigen Maturanden dieses Foto ihren Kindern und Enkeln zeigen und davon erzählen können, wie sie in dieser aussergewöhnlichen Zeit die Matura gemacht haben. Das ist besonders.»
Markus Dieth spricht per Video in Zofingen
Speziell ist auch, dass Eltern und Freunde an den Feiern nicht dabei sein werden. Neben Wettingen verzichten darauf sicher auch die Neue Kantonsschule Aarau und die Kantonsschule Baden. Um Angehörigen dieses Erlebnis nicht ganz zu nehmen, werden die Feiern in Wettingen, Wohlen und Aarau jedoch online übertragen. Geladene Gäste können sich live zuschalten. In Zofingen hingegen sind Gäste auch im Saal willkommen; pro Maturand allerdings nur deren zwei. Ganz ohne Videoübertragung kommt aber auch Zofingen nicht aus, der diesjährige Redner, Landammann Markus Dieth, wendet sich aus der Ferne an die Maturanden. Und auch hier: Anstatt einer grossen Sause werden am 25. und 26. Juni fünf kleine Feiern abgehalten. Selbst für die Zeit zwischen den Anlässen besteht laut Prorektor Andreas Buchmüller ein Schutzkonzept, damit die Abstände zwischen Gästen, Maturandinnen und Lehrpersonen jederzeit eingehalten werden können. Lohnt sich dieser Aufwand überhaupt? Für Buchmüller ist es keine Frage, dass die Feiern stattfinden sollen. «Die Schülerinnen und Schüler haben ein Recht auf diese Feier», sagt er. Schliesslich hätten sie sich ihre ganze Schulzeit auf diesen Abschluss vorbereitet.
Es soll um die Maturanden gehen, das ist der Tenor an allen Kantonsschulen. «Im Fokus stehen die Schülerinnen und Schüler», betont darum auch Matthias Angst, der Rektor der Kantonsschule Wohlen. Wie genau die Feier aussehen wird, verrät er noch nicht, aber: «Trotz des Coronavirus versuchen wir, dieses Schuljahr zu einem würdigen Abschluss zu bringen.»
Maturaprüfungen verliefen reibungslos
Details zu den Maturfeiern kann auch Daniel Franz, Rektor der Kantonsschule Baden, noch nicht nennen. Er zieht dafür ein positives Zwischenfazit zu den Maturaprüfungen, die unter erschwerten Bedingungen stattfinden, die letzten am kommenden Mittwoch. «Bis jetzt kann man aber sagen, dass die schriftlichen Maturaprüfungen an allen Aargauer Schulen reibungslos abliefen», so der Präsident der kantonalen Rektorenkonferenz. Nachprüfungen aus medizinischen Gründen müssten nur sehr wenige durchgeführt werden. Und: «Die Schülerinnen und Schüler haben sich gefreut, dass sie sich wieder einmal sehen konnten, das hat man in der Prüfungszeit gemerkt», so Franz.
«Verschieben ist wie kalter Kaffee»
Die Berufsschule Aarau (BSA) hat die Abschlussfeier der Berufsmaturanden, jeweils ein Riesen-Anlass mit 800 bis 900 Personen, nicht verschoben, sondern ganz abgesagt. Rektor Paul Knoblauch erklärt: «Eine Feier online durchzuführen, kam für uns nicht infrage, da das zentrale Element des gemeinsamen Feierns mit Publikum im Moment so nicht möglich ist – und sie auf nach den Sommerferien zu verschieben ist irgendwie wie kalter Kaffee.»
Die Feiern für die Lehrabgänger organisiert die BSA nicht selber, hilft aber den Berufsverbänden bei der Organisation. Deshalb weiss Paul Knoblauch, dass fast alle diese Anlässe, die jeweils etwa 150 bis 500 Personen umfassen, ebenfalls abgesagt sind. Glück haben einzig die Berufe Kunststoffverarbeiter EBA und Kunststofftechnologe EFZ: Der Berufsverband Kunststoff Schweiz will laut Knoblauch die Abschlussfeier im Rahmen einer Berufsbildner-Tagung im August durchführen, falls das dann aufgrund der Coronakrise möglich ist.
Am Berufsbildungszentrum Fricktal in Rheinfelden wurden die Abschlussfeiern ersatzlos gestrichen. «Schweren Herzens», wie Rektor Hans Marthaler sagt. «Die Feiern sind einerseits ein Zeichen der Wertschätzung gegenüber den Lernenden. Andererseits sind sie auch immer eine Gelegenheit, um für das Modell Berufslehre mit Praxis und Theorie zu werben», sagt er. Marthaler geht derzeit davon aus, dass ab 8. Juni der Präsenzunterricht wieder aufgenommen wird. Derzeit gibt es Fernunterricht und die meisten Lehrkräfte arbeiten im Homeoffice. Marthaler zieht dazu ein positives Fazit: «Anfangs war die Situation eine Herausforderung. Mittlerweile aber funktioniert es sehr gut.»
Das Berufsbildungszentrum Freiamt (BBZ) in Wohlen will noch die Entscheide des Bundesrates von morgen Mittwoch abwarten. «Klar ist schon jetzt, die traditionelle Abschlussfeier mit rund 600 Gästen ist unrealistisch», sagt Rektor Philippe Elsener. Man habe aber zwei, drei Szenarien im Hinterkopf, um sich dennoch feierlich von den Schülern verabschieden zu können. (nro, fvo, nbo)