«Wenn du jetzt Ja sagst, dann gilts!»: So kam die Hommage an «Dr Binz» zustande

Wenn er im Atelier zu einer Geschichte anhebt, streicht das Fluidum grossmütiger Erzählkunst durch den Raum. «Dr Binz», wie man den 76-Jährigen in seiner Heimatstadt Olten nennt, wird Hauptfigur eines Buchs, 200 Seiten stark mit gut 100 Abbildungen, lesbar und was fürs Auge. Denn «Dr Binz» wollte keine kunstphilosophische Betrachtung seiner Werke. «Die liest sowieso niemand», sagt er. So wurden Freunde gebeten, Literarisches zu schreiben. Alex Capus, Pedro Lenz etwa. Auch Jörg Binz selbst griff zur Feder, schildert Sequenzen aus seinem Leben. Es werde auch keinen Lebenslauf geben, sagt er noch, Biografisches kurz. «Ich muss immer lachen, wenn in Lebensläufen von Hauptpersonen, deren Reisen nach irgendwo aufgeführt sind.»

Eigentlich im April vorgesehen gewesen

Typisch für diese Monate: Das Buch hätte diesen Monat erscheinen sollen. Aber dann: Corona-Krise. Der Rest: bekannt. So erscheint «Jörg Binz, Zeichner, Maler» im Herbst. «Ein Glücksfall, das Buch in der Edition Patrick Frey herausgeben zu können», sagt er. Bei jenem Patrick Frey, der mit Beat Schlatter das Kabarett Götterspass bil­dete. Denn, so lässt sich nachlesen: «Das Programm der ‹Edition Patrick Frey› zielt auf das Aussergewöhnliche, auf die Einzigartigkeit jeder einzelnen Publikation.» Nicht nur Glücksfall also, auch Auszeichnung.

«Ich sag‘ Ihnen, das ist ein Chrampf.» Binz hält inne. Greift nach einem gefalteten Papierbogen, der Auszüge von Bildern des Buches birgt. «Jetzt sollte ich den Farbabgleich machen, kontrollieren, ob alles stimmt.» Nein, das mache er nicht gern. Er wolle zeichnen, malen. Damals, vor gut drei Jahren, als sein einstiger Berufskollege Urs Strähl ihn mit der Buch-Idee konfrontierte, reagierte Binz freudig-skeptisch. Er selbst wäre, gesteht er, nie auf die Idee gekommen.

Aber: Er sagte Ja. Strähl mahnte: «Wenn du jetzt Ja sagst, dann gilts!» Binz verhehlt nicht, dass er einmal vor dem Abbruch des Projekts stand. «Ach, die ganze Zeit arbeitete sich einer im Atelier durch meine Werke, Skizzen. Irgendwann hatte ich genug und sagte: ‹Ich will wieder allein sein im Atelier.›» Binz erzählt das alles im sanften Sprachduktus und heiterem Einschluss. Er war nie ein Polterer; keiner, der die Welt mit Bildern retten wollte. «Ich glaube, ich bin eher ein apolitischer Künstler», sagt Binz über Binz.

Keiner aus dem Kunstgeschäft

«Wissen Sie, ich war auch nie im Kunstgeschäft drin.» Grund: Binz übte immer einen Brotberuf aus, nahe am Gestaltenden, Darstellenden. Fachlehrer für Akt und Figur an der Schule für Gestaltung Luzern; vorher Zeichenlehrer in Pratteln, Grafiker. Der Weg dorthin: steinig. «Es gab Personen im familiären Umfeld, die meinen Eltern rieten, mich doch einen kreativen Beruf lernen zu lassen», erinnert sich Binz. Die Schule war ihm eher verhasst gewesen, Zeichnen und Malen sein Ding. Davon waren die Eltern überzeugt und Sohn Jörg besuchte die Kunstgewerbeschule Basel, wo man strengen Wert auf Farbe und Form legte. «Ich fands nicht zum Aushalten und folgerte: Kunstgewerbeschule – nichts für mich.»

Und jetzt? Der Oltner hatte Glück. Auch die akademische Berufsberatung riet zum Besuch einer Kunstgewerbeschule und Freunde des Hauses wussten, dass an jener in Luzern der weniger verschulte Geist herrschte. Das behagte dem jungen Binz. «Ich kann sagen: Ich bin meistens gerne hingegangen, auch wenn ich mal eine Zeit lang den Unterricht vernachlässigte. Ich wollte für mich arbeiten.» Seine Absenz wurde, abgesehen von der Schelte des Schulvorstehers, hintangestellt.

Eingedrückte Tür führte nach Olten zurück

Dass er vor Jahren wieder in seine Heimatstadt zog, ist nur einem geschuldet. Binz wurde in Luzern aus seiner Wohnung katapultiert, weil er einem Etagennachbarn die Eingangstür eingedrückt hatte. Nicht aus Bosheit. Der Nachbar hatte den unglücklichen Hang, die Hauptsicherung zu Binz‘ Wohnung rauszuschrauben, wenn der wieder mal etwas laut Musik hörte oder dessen Zusammenkunft mit Freunden den Lärmpegel strapazierte. «Ich weiss noch: Es war ein Sommertag, heiss. Und plötzlich machte der Schallplattenspieler schlapp. Und der Kühlschrank gab seinen Geist auf. Ich wusste: Das hatte mein Nachbar auf dem Kerbholz.» So machte sich Binz auf zu dessen Wohnung, bat ihn draussen vor der Tür stehend freundlich, zu öffnen.

Als sich nichts rührte, wurde Binz etwas unfreundlicher. «Am Schluss war der Ärger so gross, dass ich die Tür eindrückte und mit ihr in die Wohnung fiel.» Haken: Der Nachbar war gar nicht zu Hause und hatte auch die Sicherung nicht rausgedreht. Die war einfach so durchgebrannt. «Ich musste die Wohnung räumen und fand in Luzern, wo es mir sehr gefallen hat, keine passende mehr. Und ich glaub‘, im Oltner ‹Tiger› wars, wo ich von meiner jetzigen Wohnung erfuhr. Und zupackte.» Eine fast surreale Geschichte und passend zu einem, der René Magritte mag, den belgischen Surrealisten. «Ach, wissen Sie, nur weil ich Magritte mag, bin ich kein Surrealist. Mir gefällt auch Edward Hopper. Und ich bin begeistert von William Kentridge aus Südafrika: Der macht Bühnenbilder, Animationsfilme, Installationen. Unglaublich, dieser Mann, ein Feuerwerk», sagt Binz. «Ich glaube, der macht wirklich kreatives Arbeiten.» Aber bei aller Anerkennung und Begeisterung für andere lässt sich heraushören: Binz bleibt Binz.

Und jetzt: Bald liegt sein Œuvre in Buchform vor. «Man hat mir immer gesagt, ich hätte zu wenig Selbstvertrauen. Ich glaube, das stimmt», sagt Binz. Aber wie hatte Pedro Lenz an einer Vernissage über seinen Freund doch gesagt: Er, Binz, würde malen als Getriebener. Wohl deshalb erinnert der Zeichner und Maler, sieht man ihn durch die Gassen der Stadt ziehen, an Figuren aus Friedrich Dürrenmatts Kriminalromanen.