Wohltemperierte Panik

Nach der ersten Woche Schweizer Corona-Krise kann man bilanzieren: Die Behörden agieren resolut und umsichtig. Die Bevölkerung verhält sich solidarisch und klug. Und die sonst gerne gescholtene Verwaltung hat vorerst ein Lob verdient: Daniel Koch vom BAG informiert in einer bemerkenswerten Ruhe kompetent die Öffentlichkeit. Die Kantone haben sich zusammengerauft, möglichst einheitlich zu handeln. Und die Verwaltungen haben die neue Bewilligungsbürokratie unbürokratisch schnell auf die Beine gestellt und umgesetzt. Das Veranstaltungsverbot des Bundesrates ist eine drastische und auf den ersten Blick etwas willkürliche Massnahme. Doch es hat wohl ein wichtiges Ziel erreicht. Der Bevölkerung wurde schlagartig bewusst: Die Lage ist ernst. Denn in diesem pandemischen Ernstfall müssen die Behörden eine Art wohltemperierte Panik schüren. Also eine grundsätzliche Besonnenheit bei gesteigertem Problembewusstsein, wie der deutsche Philosophie-Journalist Nils Markwardt treffend formulierte. Das scheint in der Schweiz vorerst gelungen. Hamsterkäufe gibt es, sie sind aber die Ausnahme. Absagen von Veranstaltungen nimmt man stoisch zur Kenntnis. Man ist solidarisch mit den Alten und Schwachen.

Und da zeigt sich ein grosser Unterschied zu unserem Handeln in einer anderen aktuellen Krise. Zur Flüchtlingskrise in der Türkei. Würden die europäischen Länder auf die vor dem Krieg geflüchteten Syrer so besonnen und solidarisch reagieren, wie auf das Virus, kämen an der griechisch-türkischen Grenze nicht Stacheldraht und Gewehre zum Einsatz.