Vier ungeklärte Verdachtsfälle: Wie sich der Kanton Aargau auf Corona-Infizierte vorbereitet

Im Kanton Aargau gibt es weiterhin keinen Corona-Virus-Fall. Allerdings gibt es auch hier Personen, bei denen abgeklärt werden muss, ob sie sich angesteckt haben. Am Montag gab es laut Kantonsärztin Yvonne Hummel 17 Verdachtsfälle im Aargau. Davon waren fünf noch nicht geklärt. Inzwischen ist bei vier davon klar: Die betroffenen Personen haben sich nicht mit dem Virus angesteckt, die Laboranalysen waren negativ. Allerdings sind im Aargau seit Montag drei neue Verdachtsfälle dazugekommen, womit es insgesamt 20 Verdachtsfälle gibt. Von diesen 20 Fällen waren am Dienstagnachmittag vier noch ungeklärt.

Es ist davon auszugehen, dass in den nächsten Tagen weitere Verdachtsfälle dazukommen. Im Aargau werden die Personen grundsätzlich an den beiden Kantonsspitälern in Aarau und Baden abgeklärt und betreut. Bei Verdacht auf eine Infektion mit dem Corona-Virus wird ein Abstrich aus dem Nasen-­Rachen-Raum genommen. Die Probe wird nach Genf ins Nationale Referenzzentrum geschickt. Innert eines Tages ist klar, ob sich die Person mit dem Virus infiziert hat.

Das Corona-Virus war gestern Abend auch Thema in der Sendung «Talk Täglich» auf Tele M1. Zu Gast waren Dieter Wicki, Leiter Bevölkerungsschutz beim Kanton Aargau; Christoph Fux, Chefarzt Infektiologie und Spitalhygiene am Kantonsspital Aarau (KSA), und Jürg Lareida, Präsident des Aargauischen Ärzteverbandes. Sie alle stellten klar, dass es im Moment keinen Grund gebe, in Panik zu verfallen. Die Ärzte seien vorbereitet, sagte Jürg Lareida.

«Wir mussten annehmen, dass es irgendwann auch Fälle in der Schweiz geben wird.» Die Ärzte würden nun das tun, was sie immer tun: «Wir schauen, dass sich die Krankheit nicht weiterverbreitet und dass wir die Patienten gut behandeln.» Christoph Fux sagte, dass es am KSA im Moment sehr viele Anfragen zum Thema gebe. Zunächst gehe es darum, das Risiko abzuklären. Verdachtsfälle würden isoliert – im Spital oder zu Hause – und getestet. Bis jetzt hätten sie in allen Fällen nach etwa zwei Tagen Entwarnung geben und die Isolation aufheben können.

Kanton wäre in der Lage, Dörfer unter Quarantäne zu stellen

Dieter Wicki sagte, es handle sich zwar aktuell um eine «spezielle Situation, aber keine Notlage oder Pandemie». Der Kanton Aargau habe früh angefangen, die Lage zu verfolgen. Zum jetzigen Zeitpunkt sei es wichtig, die Bevölkerung zu informieren. Aus Sicht des Bevölkerungsschutzes gehe es nun darum, ob sich eine Pandemie entwickle. Erst dann müssten möglicherweise weitere Massnahmen in Betracht gezogen werden. Da der Aargau ein Grenzkanton sei, könne es sein, dass Grenzen geschlossen werden müssten. Wichtig sei aber immer, dass man besonnen und verhältnismässig reagiere, so Wicki. Der kantonale Katastrophenschutz wäre theoretisch auch in der Lage, Dörfer unter Quarantäne zu stellen, wenn zum Beispiel nur eine Gemeinde betroffen wäre. Auch Veranstaltungen, wie ein Match des FC Aarau, könnten abgesagt werden. Die Behörden im Kanton Graubünden seien beispielsweise in der unangenehmen Situation, dass sie entscheiden müssen, ob der Engadiner Skimarathon stattfinden kann. Das sei aber lageabhängig und könne nicht auf die nächsten drei Monate vorausgesagt werden. «Im Moment haben wir noch zu wenig klare Informationen», sagte Wicki.

Infizierte sind ansteckend, bevor die ersten Symptome auftreten

Christoph Fux sagte, es sei auch wichtig, den ersten bestätigten Fall im Tessin einzuordnen. «Der Mann hat sich nicht im Tessin angesteckt, sondern in Italien. Wichtig ist nun, dass alle Leute, mit denen er Kontakt hatte, identifiziert werden, damit man abklären kann, ob es weitere Ansteckungen gab.» Am meisten Angst mache den Spezialisten, dass sich das Virus verbreitet, ohne dass man es realisiere, weil die Leute ansteckend sein können, bevor die ersten Symptome wie Husten oder Fieber ausbrechen. Gleichzeitig erinnert Fux daran, dass Studien aus China zum Corona-Virus zeigten, dass die Krankheit in 80 Prozent der Fälle von selber und ohne grössere Probleme heilt und nur fünf Prozent schwer erkrankten. «Diese müssten im Spital betreut werden. Aber der grösste Teil der Erkrankten wird man ambulant – also zu Hause – behandeln können mit den nötigen Isolationsmassnahmen.

Bund rät von Desinfektionsmittel- Spendern in Schulen ab

Das Corona-Virus beunruhigt nicht nur die Bevölkerung (siehe Text unten), auch die zuständigen Personen in den Gemeinden machen sich Gedanken, wie und ob sie sich auf das Virus vorbereiten können und sollen. Michael Widmer ist Gemeindeschreiber in Frick und interimistischer Präsident des kantonalen Gemeindeschreiber-­Verbandes. Er sagt: «Wir hatten kürzlich eine Anfrage der Schule, ob es möglich wäre, in den Schulhäusern Desinfektionsmittel-Spender aufzustellen.» Solche Forderungen gebe es regelmässig, auch für das Gemeindehaus oder das Polizeigebäude, sagt Widmer. Aufgrund des Corona-Virus hätten sich die Anfragen aber gehäuft. «Ich habe deshalb schon Anfang Februar das Bundesamt für Gesundheit kontaktiert, um Klarheit zu erhalten, ob solche Spender für die Handdesinfektion sinnvoll sind», sagt er. Noch am gleichen Tag erhielt er die Antwort aus Bern: «Wir empfehlen bevorzugt fleissiges Händewaschen zur Verringerung der Übertragung von Infektionskrankheiten, da dies wirksamer ist als der alleinige Gebrauch von Händedesinfektionsmitteln», schrieb das Bundesamt. Zudem sei der korrekte Unterhalt von Desinfektionsmittel-Spendern aufwendig und könne auch vom wirksameren Händewaschen ablenken.

Aufgrund dieser Auskunft habe man in Frick davon abgesehen, solche Desinfektionsspender in Schulen oder im Gemeindehaus aufzustellen. «Ich war froh um die rasche und kompetente Auskunft der Gesundheitsexperten des Bundes», sagt Michael Widmer, der sich auch vom Kanton klare Regelungen wünscht. «Es ist sicher nicht sinnvoll, wenn nun jede Gemeinde selber Konzepte ausarbeitet, Desinfektionsmittel aufstellt oder das Händeschütteln mit Besuchern auf der Gemeindekanzlei verbietet – es braucht ein koordiniertes Vorgehen.»