
Den eigenen Baum fällen? Das ist erlaubt – falls er nicht baurechtlich geschützt ist

Wo blieb die Grosszügigkeit?
Kommentar von Beat Kirchhofer
Auf das Zofinger Ortsbild fokussiert, ist es schade, wenn das Areal der ehemaligen Villa Ringier überbaut wird – in welcher Form auch immer. Nur: Ein Grundstück von der Grösse eines Fussballfelds in einer Bauzone ist ein beachtliches Vermögen wert. Dieses gehört dem Besitzer, der nicht einfach so enteignet werden kann. Das Areal müsste die Stadt oder eine Stiftung kaufen – aber zu welchem Zweck?
In Baden gibt es einige Industriellen-Villen, die nicht durch ihre Eigentümer «verscherbelt», sondern in Stiftungen eingebracht wurden. So die Villen Boveri, Brown und Funk. Funk ist das C – das Cie – im Namen BBC. Besonders heraus sticht die Villa Brown – die Langmatt. In ihr ist auch das Badezimmer noch immer so zu sehen, wie anno 1900. Das Legat umfasste nicht nur Haus und Grund, sondern auch eine Kunstsammlung von internationaler Bedeutung.
Das Entsetzen der Anwohnerinnen und Anwohner der ehemaligen Ringier-Villa an der Oberen Rebbergstrasse war gross und die Aufschreie laut: Der heutige Eigentümer des 7025 Quadratmeter (das ist die Dimension eines Fussballfelds) grossen Grundstücks hat eine Baumfällaktion durchführen lassen.
Was der Besitzer tun liess, ist legal. Weder der Park noch einzelne Bäume stehen unter Schutz – er durfte die fällen. Bei Michael Wacker, Präsident der SP Sektion Zofingen, Einwohnerrat und beruflich Gartenbautechniker, löst der aktuell fehlende Schutz durch die Stadt Wut aus: «Was hier geschah, ist ein Frevel.»
Um das Ganze besser einordnen zu können, ist der Blick in die Vergangenheit nötig. Erbaut wurde die ursprüngliche Villa 1917/18 vom Industriellen Hermann Daetwiler. 1939 erwarb Hans Ringier – Vater von Michael Ringier – das Anwesen. Er nahm im Verlauf der Jahre mehrere Um- und Anbauten vor. 2012 verkauft die Familie Ringier ihre Liegenschaft einer Versicherungsgesellschaft, die eine Überbauung plante. Ein Konzept für diese hatte das renommierte Zürcher Büro Theo Hotz Partner Architekten erarbeitet. Michael Wacker kennt das Papier. «Was da vorgeschlagen wurde, war eine diskutable Lösung, welche insbesondere den Baumbestand schonte und als schützenswert bezeichnete.»
Was tat die Stadt Zofingen damals? Sie handelte gut und gab ein Gutachten in Auftrag. Der Zürcher Architekturhistoriker Michael Hanak trug 2014 seine Schlussfolgerungen in einem 40 Seiten umfassenden Bericht vor. Zum Garten: Der findet sich zwar im Inventar der historischen Gärten – was aber keine Unterschutzstellung bedeutet. Und dieser sei – bedingt durch Umgestaltungen – bis auf einen solitären Brunnen – auch nicht besonders schutzwürdig. Der Brunnen könnte auch an einen anderen Standort versetzt werden. Zu den Bäumen an sich hält sich der Gutachter zurück.
Die Villa und ihr Gärtnerhaus? Zu viel Umbauten und Ergänzungen – und beteiligte Architekten, welche in der einschlägigen Literatur zur Schweizer Baugeschichte nicht zu finden sind. Im Bericht steht deshalb: «Die architekturgeschichtliche Bedeutung des Hauses reicht für eine Unterschutzstellung des Gebäudes nicht aus.» Dennoch: Die Villa ist Teil der Stadt Zofingen und deren Industriegeschichte.
Peter Siegrist, im Stadtrat für den Bereich Natur zuständig, bedauert, dass die neue Bau- und Nutzungsordnung (BNO) wegen einer Abstimmungsbeschwerde noch nicht in Kraft ist. Mit der neuen BNO hätte der Erhalt der Bäume im Gestaltungsplanverfahren umfassend geprüft und damit auch die vorzeitige Fällaktion verhindert werden können. Park und Villa gehören heute einem Luzerner Investor. Der – so sein Treuhänder – will die Villa erhalten, auf dem Areal aber 30 Eigentumswohnungen im mittleren Preissegment erstellen lassen. Vorgestellt werde das Projekt im April – Baueingabe soll im Juni sein. Bauen nach bisherigem Recht? Dazu Vizeammann Hans-Martin Plüss, von Beruf Baujurist: «Falls während dem Baubewilligungs- oder Rechtsmittelverfahren neues Recht mit Gestaltungsplanpflicht in Kraft tritt, ist vorab ein Gestaltungsplan zu erarbeiten.»
Die künftige BNO kann nicht ausgehebelt werden
Wenn der Eigentümer nächstens ein Baugesuch einreichen sollte, müsste sich der Stadtrat zudem überlegen, ob er eine Planungssicherungsmassnahme ergreifen will, sagt Plüss. Beispielsweise eine Bausperre oder eine Planungszone. «Dies, weil der Einwohnerrat und die Mehrheit der Stimmberechtigten mit ihrem Ja zur BNO verlangt haben, dass auf diesem Areal nur mit Gestaltungsplan gebaut werden soll. Wichtig ist Plüss: «Die Stadt wird mit dem Eigentümer das Gespräch suchen.»
