
«Wir sind daran, den Fall Oftringen wirklich noch einmal ganz genau anzuschauen»
Die Tierärztin und Kantonschemikerin Dr. Alda Breitenmoser ist Leiterin des Amtes für Verbraucherschutz im Departement Gesundheit und Soziales (DGS). Sie ist unter anderem Chefin des kantonalen Veterinärdienstes. Sie nahm gestern im Interview mit dem Zofinger Tagblatt zu den Vorwürfen Stellung, die im Zusammenhang mit dem Tierschutz-Fall Oftringen laut wurden.
Frau Breitenmoser, wie ist der Fall punkto Schweregrad aus veterinärdienstlicher Sicht einzuordnen?
Es ist ein schwerer Fall. Die Untersuchungen laufen aber noch, und erst nach deren Abschluss werden wir das ganze Ausmass erkennen.
Die letzte Kontrolle fand im Dezember statt, betreffend Tierhaltung haben sich damals keine Beanstandungen ergeben, richtig?
Am 14. Dezember kontrollierte der Veterinärdienst vor Ort. Es gab Mängel, aber nicht bezüglich Pflege oder Ernährungszustand der Tiere. Am 11. Januar fand eine weitere Tierschutzkontrolle durch die Kantonspolizei statt, und auch dort stellte man Mängel fest. Danach kam es zu einer Anzeige bei der Staatsanwaltschaft durch den Veterinärdienst.
Waren die Kontrollen unangemeldet?
Tierschutzkontrollen finden immer unangemeldet statt. In den beiden zuvor erwähnten Fällen also auch. In beiden Fällen war der Tierhalter nicht vor Ort. Folglich hat man das kontrolliert, was man kontrollieren konnte – und was zugänglich war.
Wie kann es sein, dass punkto «Pflege und Ernährungszustand» im Dezember alles in Ordnung war, auf den aktuellen Fotos aber bereits Knochen zu sehen sind?
Wir können nur sagen: Wir konnten am 14. Dezember in dem uns zugänglichen Bereich weder verwesende Tiere noch Knochen sehen.
Dann muss ich nachfragen: Wie kann man sagen, dass es in Bezug auf Pflege und Ernährung der Tiere keine Beanstandungen gab, wenn man gar nicht richtig kontrollieren konnte, weil der Halter gar nicht vor Ort war?
Das Kontrollergebnis bezieht sich auf die Beurteilung der bei der Kontrolle zugänglichen Tiere, an welchen wir nichts Aussergewöhnliches feststellen konnten.
Warum hat man auf die letzten Meldungen nicht reagiert, insbesondere auf eine schriftliche Meldung aus der Nachbarschaft Ende letzter Woche?
Diese Meldung ging am letzten Freitag ein. Es gab eine E-Mail-Antwort eines Mitarbeiters an die Person, und wir wären dieser Meldung nochmals nachgegangen. Wir hätten das sicher nochmals geprüft und uns dann überlegt, ob wir vor Ort gehen. Es ist nicht immer möglich, am gleichen Tag vor Ort zu gehen.
Die Antwortmail Ihres Mitarbeiters klingt aber anders. Er nimmt Bezug auf die Meldung der Person und schreibt, anlässlich «der Kontrolle» seien keine schreienden Schafe festgestellt worden, ein gewisser Futtervorrat für die Schafe sei noch vorhanden. So erweckt der Zuständige des Veterinärdienstes doch klar den Eindruck, man habe aktuell sehr wohl kontrolliert.
Der Mitarbeiter hat sich auf die vorgängigen Kontrollen bezogen.
Das kann ich beim besten Willen nicht so lesen. Die Antwort nimmt Bezug auf die aktuelle Meldung, konkret die schreienden Schafe vom letzten Freitag.
Für mich ist die Mail wenig präzis. Es lässt viel Interpretationsspielraum offen. Aktenkundig ist: Nach der Meldung vom letzten Freitag gab es keine Kontrollen.
Den Namen des betreffenden Mitarbeiters findet man nicht mehr auf der Website des Departements oder im Staatskalender. Hat dies mit dem aktuellen Fall zu tun?
Nein. Er ist bei uns noch befristet und stundenweise angestellt. Es hat aber absolut nichts mit dem aktuellen Fall zu tun.
Ein Mitarbeiter, der noch stundenweise und befristet arbeitet: Wird das dem Ausmass des Falls gerecht und betreut er ihn weiterhin?
Der Mitarbeiter steht uns noch beratend zur Seite. Mit der Betreuung des Falls ist eine andere Person betraut.
Werden Sie über den Fall eine interne Untersuchung anordnen?
Wir sind daran, den Fall wirklich noch einmal ganz genau anzuschauen. Was ist wann genau passiert? Damit haben wir bereits begonnen.
Hat der Fall Auswirkungen auf die Kontrollpraxis des Veterinärdienstes?
Wenn wir aus den Abklärungen wichtige Erkenntnisse gewinnen, werden wir Massnahmen einleiten. Die Sicherstellung des Tierwohls im Kanton hat oberste Priorität. Da wollen wir nichts versäumen.
Ihre Worte werden von manchen Menschen in Oftringen vielleicht fast als zynisch interpretiert. Immer wieder landeten Meldungen über den Tierhalter in Ihrem Amt. Im Dezember war der Veterinärdienst vor Ort. Anfang Februar liegen Dutzende tote Tiere herum.
Viele Meldungen haben dazu geführt, dass wir effektiv kontrolliert haben und dass wir Massnahmen erlassen haben. Das ist bei uns dokumentiert. Was man auch wissen muss: Wir bekommen Hunderte Meldungen und es ist nicht immer möglich, sofort vor Ort zu gehen. Wir analysieren jede Meldung.
Wo sind die geretteten Tiere aktuell?
Bei einem anderen Tierhalter.
Letzte Frage: Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie mit solchen Fällen konfrontiert werden.
Es beschäftigt mich. Ich frage mich: Wie kann es so weit kommen, dass jemand seine Tiere so vernachlässigt? Und wo hätten wir ansetzen müssen, dass es nicht so weit kommt? Es macht mich auch traurig. Ich hoffe, dass der Fall Oftringen eine einmalige Geschichte bleibt. Grundsätzlich ist die Tierhaltung im Kanton Aargau auf einem guten Stand.