
Swiss, Läderach und die Toleranz
In der Schweiz wächst die Gruppe der Religionslosen rasant. Schon 28 Prozent aller über 15-Jährigen gehören keiner Religionsgemeinschaft an. Es gibt inzwischen mehr Konfessionslose als Reformierte, und in Zürich und Basel bilden die Religionslosen die grösste Gruppe. Um die fundamentale Verschiebung richtig einzuschätzen, muss man sich eine Zahl aus dem Jahr 1970 vor Augen halten: Damals gehörten annähernd 100 Prozent der Bevölkerung einer der Landeskirchen an – die eine Hälfte war katholisch, die andere reformiert.
Leute, die mit Religion nichts am Hut haben, werden möglicherweise jubeln und denken, mit dem Abschmelzen religiöser Vorstellungen wichen auch bornierte und fundamentalistisch angehauchte Denkmuster zurück.
Ich habe den Eindruck, dass eher das Gegenteil der Fall ist. Das neue Dogma, das sich immer mehr ausbreitet, brandmarkt religiöse Vorstellungen – vor allem jene, die die Moral betreffen – als rückständig und abstrafungswürdig. Jüngstes Beispiel ist die Swiss, die nach zehn Jahren die Zusammenarbeit mit dem Schokoladen-Hersteller Läderach beendet, weil dessen CEO Johannes Läderach offensiv christliches Gedankengut vertritt. Läderach passe nicht zum «Markenfit», wie es heisst. Spätestens jetzt weiss jeder Unternehmer, jede Unternehmerin im Land: Wer kritisch zu Gender oder zur Abtreibung steht, dem droht auch ökonomisch die Bestrafung. Also lieber den Mund halten!
Dem neuen Dogma ist fatalerweise der Gedanke völlig fremd, dass gerade Christen zwischen Sünde und Sünder unterscheiden: Weil Leute wie Läderach eine Praxis wie die Abtreibung ablehnen, heisst das nicht, dass sie Frauen deswegen verurteilen oder gar hassen. Die Nächstenliebe gilt allen, unabhängig von ihren Meinungen oder Taten. Es ist so: Von Leuten wie Läderach kann man etwas über Toleranz lernen.