
Franz Beckenbauer, «am Ende seiner Kräfte», soll jetzt doch als Zeuge aussagen
«Wir haben in unserer Justiz italienische Verhältnisse», konstatierte der Basler Strafrechtsprofessor und Korruptionsbekämpfer Mark Pieth am Dienstag in dieser Zeitung. Er sprach unter anderem die Tatsache an, dass das Bundesstrafgericht in Bellinzona auch fast ein halbes Jahr nach Einreichung nicht sagen konnte, ob eine Anklageschrift ordnungsgemäss erstellt ist.
Das wirkte. Noch gleichentags ging in Bellinzona jedenfalls buchstäblich die Post ab. Gerichtspräsidentin Sylvia Frei verschickte Briefe an die Verfahrensparteien und legte sich auf das weitere Vorgehen fest. Wie die NZZ berichtet, soll es nun ab dem 9. März zum Prozess in Bellinzona kommen. Eine Gerichtssprecherin wollte das allerdings gestern noch nicht bestätigen.
Videokonferenz als Möglichkeit
Es geht um die Anklage zum sogenannten «Sommermärchen», also der Fussball-WM 2006 in Deutschland. In diesem Zusammenhang flossen 6,7 Millionen Euro vom Deutschen Fussball-Bund (DFB) via Fifa an den ehemaligen Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus. Dieser hatte zuvor die gleiche Summe an Franz Beckenbauer ausgeliehen, der einen gleich hohen Betrag an den schillernden Fifa-Funktionär Mohammed bin Hammam aus Katar gezahlt hatte.
Die Bundesanwaltschaft ortet Betrug zu Lasten des DFB, sie klagt die Deutschen Horst Schmidt, Theo Zwanziger und Wolfgang Niersbach sowie den früheren Fifa-Generalsekretär Urs Linsi als Mittäter oder Gehilfen an. Die Beschuldigten weisen alle Vorwürfe zurück.
Auch Franz Beckenbauer gehörte auf die Anklagebank, doch die Bundesanwaltschaft trennte dessen Verfahren ab: Weil der ehemalige Fussballer gesundheitlich angeschlagen sei.
Komisch: Beckenbauer soll jetzt trotzdem aufgeboten oder per Videokonferenz einvernommen werden. Laut der am Dienstag verschickten Verfügung will ihn das Bundesstrafgericht anhören. Ebenfalls befragt werden sollen der ehemalige Fifa-Präsident Sepp Blatter und Ex-Fussballer Günter Netzer.
«Grosse Sorge um Franz Beckenbauer!»
Weil ihre Anhörung «aufgrund ihrer Involvierung in die in der Anklageschrift thematisierten Vorgänge zusätzliche sachdienliche Erkenntnisse liefern» könne. Das Gericht in Bellinzona gab damit Anträgen der Verteidigung statt.
Letztes Jahr schien Beckenbauer noch ziemlich fit, als er am Kaiser-Cup in Niederbayern eigenhändig eine Kanone abfeuerte und im Pulverdampf von dannen eilte. Dieser Tage aber berichten deutsche Internetportale, gestützt auf die «Neue Post»: «Grosse Sorge um Franz Beckenbauer! Er ist am Ende seiner Kräfte!» Und: «Auf der Skipiste in Obertauern (Österreich) mussten die Touristen zweimal hinschauen: Ist der gebrechliche, dürre Mann wirklich Franz Beckenbauer?» Er habe «zwei Herz-OP» hinter sich, einen Augeninfarkt und leide unter Hüftproblemen.
Bis Ende Januar muss die Bundesanwaltschaft nun die Anklage nachbessern. Das Gericht will, dass der «Anklagesachverhalt» noch als ungetreue Geschäftsbesorgung geprüft wird. Die Bundesanwalt ging bisher von Betrug aus. Bis Ende April muss ein Urteil gefällt sein, sonst verjährt das Ganze.