
«Coq d’Or»-Geschäftsführer Daniel Kissling: «Dieses Geld ist existenziell wichtig für uns»
Kulturlokal feiert 10 Jahre
Das Kulturlokal Coq d’Or feiert sein 10-jähriges Bestehen am kommenden Wochenende mit einem zweitägigen Anlass in der Schützi. Mit dabei sind 17 Bands, die schon mindestens einmal im «Coq d’Or» aufgetreten sind. Gezeigt werden auf der Galerie des Kulturzentrums auch Illustrationen bisheriger Veranstaltungen. Warum wird der Geburtstag nicht im Lokal selbst begangen? «Wir wollten etwas Spezielles, weil wir ja bereits jedes Wochenende bei uns eine Party feiern», sagt Daniel Kissling. Der Geschäftsführer rechnet mit mindestens 300 Besuchern pro Abend. (fmu)
Hinweis
Weitere Infos gibts online auf www.coq-d-or.ch und Tickets auf www.eventfrog.ch/10jahrecoq
Der Verein Coq d’Or erhält dieses Jahr 20’000 Franken für seinen Kulturbetrieb im gleichnamigen Lokal neben dem Bahnhof. Trotz dem letztlich erfolgreichen Antrag im Gemeindeparlament vergangenen November kam es vor dem Entscheid und auch bisher nicht zum vom Verein geforderten Gespräch mit dem Oltner Stadtrat. Anlässlich des bevorstehenden 10. Geburtstags hat diese Zeitung nun Stadtpräsident Martin Wey und «Coq d’Or»-Geschäftsführer Daniel Kissling ins Kulturlokal eingeladen, um Geburtshelfer des Dialogs zu sein.
Wieso kam es bisher nicht zum Gespräch mit den «Coq d’Or»-Verantwortlichen?
Martin Wey: Zum Gespräch kam es schon einmal, aber das ist zwei Jahre her: Ich und Stadtschreiber Markus Dietler trafen Daniel Kissling und Vereinspräsident Nils Löffel. Thema war damals, wie das «Coq d’Or» gewisse Aufgaben in der Kultur übernehmen könnte. Es stimmt aber, dass jüngst kein Treffen mit dem Gesamtstadtrat zustande kam, trotz der Anfrage vonseiten des «Coq d’Or». Nachdem der Stadtrat seine Meinung zum Antrag festgelegt hatte, keine kommerziell geführten Betriebe finanziell zu unterstützen, sah er keinen Grund mehr für ein Gespräch. Wir haben allerdings keine Berührungsängste, wie auch dieses Treffen zeigt.
Wie sieht es die Gegenseite?
Daniel Kissling: Es stimmt, dass wir vor zwei Jahren schon mal ein Gespräch geführt haben. Es ging darum, welche Aufgabe wir in der (Jugend)kultur übernehmen könnten. Das hat sich dann aber verlaufen.
Wey: Unser Gespräch fand kurz vor der Abstimmung zur Kulturfachstelle statt. Diese wollten wir abwarten.
Kissling: Bevor wir nochmals auf den Stadtrat zugehen wollten, haben wir im vergangenen Jahr unsere Hausaufgaben gemacht, den Verein reorganisiert und das Crowdfunding initiiert, um zu zeigen, dass wir auch selbst aktiv werden und nicht nur die hohle Hand machen. Wir erhofften uns ein Gespräch – dies ist uns aber zweimal per E-Mail versagt worden.
Sie waren sehr enttäuscht.
Kissling: Ja, wir hätten gerne darüber gesprochen, was wir machen könnten, damit eine Chance besteht, die angefragten 20’000 Franken zu erhalten.
Wey: Wir vom Stadtrat wollten eine Trennung zwischen dem Lokal und dem Kulturprogramm. Euch stand natürlich auch offen, Geld beim Kulturförderungsfonds für einzelne Programmpunkte zu beantragen. Ich weiss nicht, ob ihr da je ein Gesuch gestellt habt.
Kissling: Wir haben keinen Antrag eingereicht. Hätten wir ein Gesuch für 20’000 Franken gestellt, hätten wir noch 4000 Franken für die restliche Kulturförderung der Stadt übrig gelassen. Dass das passiert wäre, ist sehr unwahrscheinlich und wollten wir auch nicht. Für einzelne Veranstaltungen oder Veranstaltungsreihen ein Gesuch einzureichen, ist ausserdem äussert aufwändig und hilft uns nur bedingt.
Und wie sieht es mit der vom Stadtpräsidenten angesprochenen Trennung aus?
Kissling: Betrieb und Lokal gehören zusammen, weil wir das schlecht trennen können: Wir machen selbst Veranstaltungen, stellen unser Lokal aber auch für Veranstalter zu möglichst günstigen Konditionen zur Verfügung. Das ist ein weiterer Teil unseres Kulturengagements.
Wieso will der Kulturverein nicht nur die vom Parlament gesprochenen 20’000 Franken, sondern zusätzlich eine Leistungsvereinbarung?
Kissling: Wir wollen zum einen zeigen, was wir für dieses Geld tun. Zum anderen gäbe uns die Leistungsvereinbarung, welche die Stadt meistens für drei Jahre mit einer Institution abschliesst, eine gewisse Sicherheit und Planbarkeit.
Hat der Stadtrat dazu bereits einen Entscheid gefällt?
Wey: Grundsätzlich vergibt der Stadtrat Leistungsvereinbarungen ab Beträgen von 10000 Franken. Bevor wir dem Kulturverein nun das Geld für ein Jahr überweisen, möchten wir mit den Verantwortlichen in einem Gespräch – jetzt halt im Nachhinein – ein paar Punkte geklärt haben. Das ist aber keine Leistungsvereinbarung im engeren Sinne.
Obwohl der gutgeheissene Antrag im Gemeindeparlament ganz klar lautete, dass der Stadtrat beauftragt werde, eine solche Vereinbarung mit dem Kulturverein abzuschliessen.
Wey: Das Parlament beschliesst mit dem Budget jeweils Ausgaben für ein Jahr. Der Abschluss einer Leistungsvereinbarung in dieser finanziellen Grössenordnung ist hingegen ein Entscheid der Exekutive; der Antrag im Gemeindeparlament war in diesem Sinne lediglich eine Empfehlung.
Kissling: Es überrascht mich nicht, dass ein Antrag im Rahmen der Budgetbehandlung nicht reicht, um eine Leistungsvereinbarung zu erhalten. Aber natürlich hoffen wir, dass es eventuell nächstes Jahr klappt, damit wir auch langfristig planen können.
Wie wichtig sind die 20000 Franken der Stadt fürs «Coq d’Or»?
Kissling: Dieses Geld ist existenziell wichtig für uns: Pro Jahr geben wir rund 100’000 Franken fürs Kulturprogramm aus, davon refinanzieren wir die Hälfte mit den Ticketverkäufen. Das Minus von 50’000 Franken versuchten wir bisher mit den Konsumationseinnahmen an der Bar zu decken. Das hiess aber, dass kaum Geld übrig blieb, um das Lokal zu unterhalten oder gar etwas zu investieren. Dieses Minus wollen wir jetzt zu decken versuchen: mit 20’000 Franken Subvention durch die Stadt, mit 20’000 Franken durch den Kanton und mit 10’000 Franken via Stiftungen und Sponsoring. Treiben wir das Geld nicht auf, fahren wir dementsprechend das Programm zurück.
Und der Kanton zahlt nur, wenn auch die Stadt zahlt.
Kissling: Das ist ein weiterer Grund, wieso ein Beitrag der Stadt für uns existenziell ist. Eine Anfrage beim Kanton ist gestartet. Die Eingabe für eine Unterstützung machen wir diesen März/April.
Was passiert, wenn im nächsten Jahr das Geld der Stadt nicht mehr fliesst: Gibt’s einen Plan B?
Kissling: Dann haben wir wohl ein Loch von 50’000 Franken in der Kasse. Um das Lokal auf diese Art weiterzuführen, wie wir das bisher tun – dazu haben wir ehrlich gesagt keinen Plan B. Das Geld fehlte uns und wir müssten es irgendwo einsparen. Nischenveranstaltungen und Experimentelles würde gestrichen, was auch im Barbetrieb nicht viel Umsatz bringt. Jedes Konzert müsste dann für sich funktionieren. Zudem könnten wir gegenüber Veranstaltern nicht mehr sagen, dein Anlass lief nicht so gut, du musst keine Miete für unseren Keller zahlen. Wir müssten viel wirtschaftlicher handeln. Die weitere Frage wäre dann noch, ob die vielen Freiwilligen unter diesen Bedingungen noch Lust hätten weiterzuarbeiten und den Sinn dahinter sähen.
Während der Debatte um den «Coq d’Or»-Beitrag befürchteten Gemeindeparlamentarier, dass bei einem positiven Entscheid ein Präzedenzfall geschaffen würde, weitere kulturelle Vereine auf den Stadtrat zukämen und Geld forderten. Ist dies passiert?
Wey: Es gibt immer wieder Anfragen, aber bisher kam es nach dem Parlamentsentscheid zu keinen formellen Anträgen an den Stadtrat. Allerdings führte der Beschluss in meinen Augen zu einer generellen Diskussion in der Stadt, wie und mit wie viel Geld Kultur unterstützt werden soll. In einem nächsten Schritt könnte es vielleicht die Aufgabe der Politik sein, die Unterstützungen neu zu bestimmen und nochmals zu hinterfragen, wieso ein Betrieb oder ein Verein so oder so viel Geld erhält. Diese Diskussion müssen wir aber so führen, dass es am Schluss nicht nur Verlierer, sondern gut begründete Handlungsanweisungen gibt. Die abgeschaffte Kulturförderungskommission hätte dieses Problem nicht gelöst, eine Kulturfachstelle hätte vielleicht kompetent etwas dazu beitragen können – das Volk wollte es nicht so.
Wird Ihre Partei Olten jetzt! nun politisch aktiv?
Kissling: Es ist wichtig, dass eine Diskussion angestossen wurde. Ich sehe dies als positiven Aspekt. Diese Debatte wollen wir führen. In der Partei, aber auch bei Pro Kultur Olten schauen wir nach der ersten Kulturkonferenz vom vergangenen Wochenende an, was wir tun können – gerade was die Leistungsvereinbarungen anbelangt.
Wey: Bei den Leistungsvereinbarungen ist einiges – insbesondere was die Beitragshöhen angeht – auch historisch gewachsen. Hier muss der Stadtrat künftig wohl nochmals über die Bücher und entscheiden, ob die bisherigen Schwerpunkte noch immer die richtigen sind.