«Seine Gedanken regen zum Überlegen an»: Philosoph Richard David Precht stellt sein Buch vor

Was das Phänomen Richard David Precht ausmacht, ist seine Zugänglichkeit. Schon viele vor ihm widmeten sich einer Geschichte der Philosophie, doch nur Precht schafft es, komplexe philosophische und soziologische Sachverhalte so niederschwellig darzulegen, dass man sie auch ohne akademischem Hintergrund verstehen kann. Entsprechend gross ist seine Beliebtheit, wie sich bereits vor Beginn der Veranstaltung zeigt: Ein junges Paar, rennt um 19:59 Uhr im Vollspurt die Mühlegasse hinunter um auch ja pünktlich zum Start der Präsentation um 20 Uhr in der Schützi zu sein. Vor der ehemaligen Turnhalle wird der Einlass mit grosszügig abgesteckten Wartebereichen und Zuweiserin aufwändig koordiniert. Einige warteten sogar fast eine Stunde in der Januarkälte um auch ja an ein Ticket zu kommen.

Im Saal findet sich denn auch ein bunt durchmischtes Publikum, welches Organisator Urs Bütler, Inhaber der Buchhandlung Schreiber, auch gerne nochmal betont. Junge und alte Besucher aus fast der ganzen Schweiz, Deutschland und Frankreich haben sich auf den Schalen- und Holzsitzen in der Schützi eingenistet und erwarten mit Spannung das Gespräch zwischen Precht und der Literaturwissenschaftlerin Hildegard Keller. Die rege Diskussion führt das Publikum über das im dritten Band behandelte 19. Jahrhundert mit all seinen Philosophen und Denkern, dem Beginn der Leistungsgesellschaft hin zu aktuellen Themen wie selbstfahrende Autos und dem laut Precht «fetischisierten Individualverkehr».

Intensive Diskussionen über philosophische Theorien und Ideen prägen die Pausengespräche der Besucher. So kritisiert ein junger Philosophiestudent, dass sich Precht bei seiner Weltgeschichte der Philosophie zu sehr auf die westliche Welt konzentriere und Philosophen aus dem asiatischen Raum kaum Bedeutung eingeräumt wird.

Erste Lesung seit 12 Jahren

Nach der Pause kündet Bütler eine Überraschung an: Erstmals seit 12 Jahren hält Precht eine öffentliche Lesung. Precht liest eine Passage über Nietzsche, die den Philosophen in einem ganz anderen, persönlichen Licht zeigt. Mit seiner Radio-Erfahrung verpackt er die Anekdote mit passender Intonation in ein szenisches Gewand und bannt die Aufmerksamkeit des Publikums auf die Bühne. Keller knipst ein paar Fotos von Precht und dem Publikum und führt nach der Lesung nahtlos in eine Fragerunde über. Precht redet über Kontextualisierung, den kommenden 4. Band, übt Kritik an der Schreibweise einiger Philosophen und stellt gar einen möglichen 5. Band über heutige Philosophen in Aussicht.

Das Schlusswort hält Urs Bütler und bedankt sich bei seinen Gästen Keller und Precht mit Schokolade mit Oltner Sujet. Nach der Veranstaltung findet man Precht umringt von Stapeln seins Buches «Sei du selbst», wie er eifrig Widmungen hinter die Buchklappen schreibt.

Dem Publikum scheint der philosophische Abend in der Schützi gefallen zu haben. «Faszinierend», «Inspirierend» tönt es beinahe unisono, oder wie eine Gruppe junger Erwachsener aus dem Aargau meint: «Seine Gedanken regen zum Überlegen an». Céline Hertner aus Olten findet: «Beim Lesen seiner Bücher lässt man zugegebenermassen ja gern mal ein paar Seiten aus. Heute Abend hat es Precht geschafft, dass ich diese noch nachholen werde.»