
Einwohner kämpft für eine 5G-freie Gemeinde – es könnte das erste Verbot im Kanton Solothurn sein
Das Kürzel 5G, das für die fünfte Generation des mobilen Internets steht, polarisiert: Für die Wirtschaft im Allgemeinen und die Telekommunikationsbranche im Besonderen ist es das Allerweltsmittel, damit wir Konsumenten künftig das Internet der Dinge mit vernetzten Kühlschränken oder autonomen Autos nutzen können. Eine wachsende Anzahl von Bürgern verbindet das Kürzel hingegen mit Unbehagen: Sie fürchten sich vor noch höherer Strahlung, die möglicherweise auch gesundheitliche Folgen haben könnte.
Einer, der klar zur zweiten Gruppe gehört, ist Filippo Guizzardi. Der Maschinenbauingenieur kennt sich mit elektromagnetischen Strahlen aus und glaubt, dass die gesundheitlichen Risiken mit 5G viel grösser werden als mit den bisherigen Standards 4G oder 3G. Daher will er mit einer Petition dafür sorgen, dass Hägendorf die erste Gemeinde im Kanton Solothurn wird, welche den neuen Mobilfunkstandard vorübergehend verbietet. Er fordert, dass auf dem ganzen Gemeindegebiet keine Baugesuche mehr für 5G-Antennen bewilligt werden respektive ein Aufrüsten bestehender Anlagen auf 5G verboten wird. «Die im Baubewilligungsverfahren hängigen Baugesuche für die Aufrüstung auf den 5G-Standard sind abzuweisen oder zu sistieren», heisst es in der Petition, die bisher rund 180 Bürgerinnen und Bürger unterschrieben haben. Kürzlich übergab Guizzardi die Petition mit dem dafür gegründeten Komitee «Hägendorf stoppt 5G» an Gemeindepräsident Andreas Heller. Die Sammlung dauert noch bis Ende Januar.
Gemeindepräsident gibt sich zurückhaltend
Guizzardi ist sich bewusst, dass solche Moratorien eigentlich gegen Bundesrecht verstossen. Der Vizepräsident der örtlichen Bau- und Werkkommission mit dem SVP-Parteibüchlein ist aber überzeugt, dass der Gemeinderat sich als politisches Organ mit dem Vorsorgeprinzip, das im Umweltschutzgesetz verankert sei, beschäftigen müsse, «wenn Bund und Kanton versagt haben». Es liege in der Verantwortung des Gemeinderats, die Bevölkerung vor den bisher unvorhersehbaren Auswirkungen der 5G-Strahlung zu schützen, heisst es in der Petition. Er warnt vor dem «gigantischen Feldversuch an der Menschheit mit 5G». Bisher gäbe es «keine einzige unabhängige Unbedenklichkeitsstudie zu 5G». Hingegen würden unzählige internationale Studien die Schädlichkeit der hochfrequenten Strahlung für die Gesundheit belegen.
Der Gemeinderat nehme das Anliegen «sehr ernst» und werde sich damit auseinandersetzen, wird Gemeindepräsident Andreas Heller in einer Mitteilung zitiert. «Aufgrund der komplexen fachlichen Diskussionen brauchen wir aber einige Zeit, um uns einzulesen und zu einer Entscheidung zu kommen.»
Guizzardi hatte aber nicht nur eine Petition lanciert, sondern ist als Anwohner auch selbst betroffen vom Ausbau einer Mobilfunkantenne. Die Betreiber Salt und Swisscom wollen die bestehende Anlage beim Rastplatz Eggberg an der Autobahn A2 auf 5G aufrüsten. Dagegen hat Guizzardi eine Sammeleinsprache mit 122 Unterschriften eingereicht, die derzeit noch hängig ist. Er kritisiert darin den Ausbau in insgesamt 19Punkten sehr detailliert. Neben gesundheitlichen Gründen und einer Wertverminderung der Liegenschaften wirft Guizzardi den Betreibern fehlende und falsche Planungsgrundlagen vor. So fehle ein gesamthafter Plan, wie der Endausbau von 5G mit allen künftigen Standorten aussehen könnte, um die Strahlenbelastung für die Betroffenen beurteilen zu können. Dieser Gesamtplan müsste wie bei einer Hochspannungsleitung ebenso aufliegen. Um die Schweiz nämlich flächendeckend mit 5G versorgen zu kennen, erforderte dies gemäss Guizzardi «ein dichteres Antennen-Netz mit Abständen um 150 Metern.»