Kassen der Bergbahnen klingeln wie zu besten Zeiten – warum Ticketpreise trotzdem noch zu tief sind

Zu den Nebengeräuschen einer Schweizer Wintersaison gehö­ren Klagen. Klassischerweise sind das Klagen über angeblich überhöhte Ticketpreise. Dieses Jahr kam über die Festtage eine neue Art von Klagen dazu: Auf den Pisten sei der Dichtestress ausgebrochen.

Hat der Overtourism tatsächlich die Wintersportgebiete erreicht? Und sind die Preise wirklich zu hoch, verdienen sich Bergbahnen und Hotellerie dumm und dämlich? Oder ist es vielmehr so, dass manches Skigebiet gar noch Geld drauflegt? Derlei Fragen sollten selbst rein egoistisch denkende Wintergäste beschäftigen.

Ihr winterliches Vergnügen wird teils von anderen mitbezahlt, verdient ein Skigebiet zu wenig. Manchmal sind das Superreiche, die in der Gemeinde einen Zweit- oder Drittsitz haben; zumeist aber gewöhnliche Steuerzahler. Oder ein Skigebiet kann seine Bergbahnen nicht mehr aufrechterhalten, und das Vergnügen endet irgendwann.

Erfreuliches für die Bergbahnen

Wie steht es also um die Finanzen der Bergbahnen? Die neuesten Zahlen der allermeisten Bergbahnen hat Philipp Lütolf ausgewertet, Dozent an der Hochschule Luzern. Zumeist enthalten diese Zahlen den letzten Winter, also die Saison 2018/2019. Lütolf hat aus Sicht der Bergbahnen durchaus Erfreuliches zutage gefördert.

Selbst unter den Bergbahnen, die stark vom gelegentlich kriselnden Wintergeschäft abhängen, sind die guten Zeiten zurück. Geschätzte 45 Prozent übertrafen ihre Einnahmen aus den bisher besten Jahren. Von 2008 bis Anfang 2011 passte im Wintertourismus fast alles: Das Wetter war ideal, der Franken vergleichsweise schwach.

Nun läuft es also noch besser. Der Anteil von Bahnen mit rekordhohen Umsätzen steigt nochmals an, werden die Betriebe mit einem boomendem Sommergeschäft dazugerechnet. Dann kommt rund die Hälfte aller Bahnen auf Rekorderträge.

Die Studie bestätigt: Dem alpinen Tourismus ist eine Wende gelungen. Acht Jahre lang ging es abwärts, die Gästezahlen gingen in fast jeder Saison zurück. Der starke Franken machte die teure Schweiz noch teurer. Die Deutschen, treue Stammgäste, kehrten der Schweiz den Rücken. Das Wetter machte Kapriolen. Auf mancher Piste blieb inmitten von Grün bloss ein langer weisser Streifen übrig.

Doch dann kam das Wetterglück zurück. Der Franken blieb zumindest stabil. Die Hotellerie senkte ihre Preise. Und so hat der alpine Tourismus nun schon zwei erfolgreiche Winter hinter sich. Auch die aktuelle Saison entwickelt sich bisher blendend. Über die Festtage drängten die Massen auf die Pisten. Auf die Gesichter der Touristiker ist das Lächeln zurückgekehrt.

So hat das auch Jürg Schmid erlebt. Ehemals leitete Schmid die Vermarktungsorganisation Schweiz Tourismus. Nun vertritt er den Tourismus in Graubünden, als Präsident von Graubünden Ferien. Es habe schon Phasen gegeben, da habe mancher den Kopf hängen lassen. Doch am Neujahrsapéro der Branche sei die Wende spürbar gewesen. «Ich habe nur freudige Gesichter gesehen. Auch das Selbstbewusstsein ist wieder gewachsen.» Doch Schmid sagt auch: Bei aller Freude über den Aufschwung müsse man ihn einordnen. Die Probleme seien nicht verschwunden. Wohl habe man die Gäste grösstenteils zurückholen können. «Doch um die Finanzen ist es nach wie vor nur mässig bestellt.»

Die Hotellerie habe die Preise gesenkt. Extra Services seien in den Preis für eine Übernachtung gepackt worden. Damit sind die Margen dahingeschwunden, was auf Dauer zum Problem wird. Die Erneuerungskraft lasse zu wünschen übrig, sagt Schmid. Es fehle vielerorts am Geld, um die eigenen Investitionen zu stemmen.

Ähnlich sei das Bild bei den Bergbahnen. Zwar seien einige wenige Betriebe auf Ausflugsbergen hochprofitabel, gerade im Sommer boomt das Geschäft mit Gästen aus der Ferne. Doch in den klassischen Wintergebieten sei die finanzielle Lage zumeist angespannt. Zugleich stünden viele Investitionen an. Schmid: «Das wird so bleiben. Von grundsätzlich überteuerten Ticketpreisen kann da nicht die Rede sein.»

Infrastruktur kostet mehr als vor zehn Jahren

Wie passt die Einschätzung von Schmid zu der Studie von Lütolf, der die Geschäftszahlen ausgewertet hat? Dafür muss man etwas tiefer in die Studie hineinlesen. Zunächst einmal sagt Lütolf, etwa die Hälfte der Bergbahnen erreiche rekordhohe Umsätze. Doch er sagt auch: Die gesamte Branche kommt in etwa auf gleich hohe Einnahmen wie vor zehn Jahren. Und: Die Infrastruktur sei heute viel teurer. Es braucht mehr Komfort, mehr Schneekanonen, mehr Lifte, mehr von allem.

Die Infrastruktur instand zu halten, zu erneuern und irgendwann zu ersetzen, erfordert viel mehr Geld als vor zehn Jahren. Zusätzliches Geld, das viele Bergbahnen nicht haben. Das heisst: Auch nach zwei guten Wintern sind die Hälfte aller Bergbahnen nicht in der Lage, die eigene Infrastruktur aus eigener Kraft zu ersetzen.

Das zeigt: Das winterliche Vergnügen ist nicht nachhaltig, zumindest rein finanziell nicht. Um das nötige Geld reinzuholen, bräuchte es in den winter­lichen Schweizer Alpen höhere Preise oder dann mehr Gäste.

Dieser Zustand gilt indessen seit vielen Jahren. Bisher hat noch immer nahezu jede klamme Bergbahn neue Geldgeber gefunden. Schliessungen haben nach wie vor Seltenheitswert. Ob sich das irgendwann ändern wird, darüber rätseln auch die Experten.

Dichtestress auf den Pisten muss man indessen nur äusserst selten fürchten. Schmid sagt: «Wir haben zehn Tage im Jahr, in denen die Kapazitäten an die Grenzen geraten: Das ist von Weihnachten bis Neujahr.» Das wüssten die Gäste, das wüssten die Gastgeber, man stelle sich darauf ein. «Aber wer heute in die Berge fährt, der hat die Piste ganz für sich.»