«Heute ist ein Freudentag, ausruhen gilt aber nicht»: Hansjörg Knecht und Thierry Burkart über ihre Pläne im Stöckli

Nach dem Blitzlichtgewitter der Fotografen im Regierungsgebäude und zahlreichen Kurzinterviews für die elektronischen Medien stellen sich die neu gewählten Ständeräte Thierry Burkart und Hansjörg Knecht den Fragen der AZ.

Danach entschwinden sie – ausgerüstet mit einem von Staatsschreiberin Vincenza Trivigno überreichten prächtigen Blumenstrauss – an ihre Wahlfeiern in Baden und Leibstadt.

Herr Knecht und Herr Burkart, herzliche Gratulation zur Wahl in den Ständerat. Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie realisierten, dass Sie es schaffen?

Hansjörg Knecht: Ich war geradezu auf Nadeln, obwohl sich früh ein Vorsprung abgezeichnet hat. Aber am Schluss fehlten ja noch die Städte, wo wir nicht so stark sind. Meine Freude über die Deutlichkeit des Ergebnisses ist riesengross.

Thierry Burkart: lch war etwas angespannt. Doch als ich mit meinem Wahlteam zusammen die ersten Resultate hörte, konnten wir erkennen, dass es reichen werde. Ich freue mich sehr über das gute Ergebnis. Ich fahre jetzt mit einem starken Mandat nach Bern. Mich freut besonders auch, meiner Partei nach der enttäuschenden Nationalratswahl ein starkes, weit über die Parteistärke hinausreichendes Resultat bescheren zu können.

Schlafen Sie morgen mal aus, nach fast einem Jahr Wahlkampf?

Hansjörg Knecht (lacht): Er war intensiv, für mich ging es aber schnell, tatsächlich musste aber einiges liegen bleiben. Jetzt ist ein Freudentag. Ausruhen gilt aber nicht. Heute Montag ist eine wichtige Sitzung der nationalrätlichen Umweltkommission. Es geht ums CO2-Gesetz. Da muss ich dabei sein.

Thierry Burkart: Ich habe den langen Wahlkampf schon gespürt, ich danke aber allen, die mir geholfen habe. Auch für mich ist es ein Freudentag, den es zu feiern gilt. Für Montagvormittag habe ich alle Termine gestrichen. Aber eben nur am Vormittag, nachher gehts wieder los.

Die Beanspruchung im Ständerat ist noch grösser als im Nationalrat. Gedenken Sie, sich beruflich oder bei einem Mandat zu entlasten?

Hansjörg Knecht: Von einigen Aufgaben in meinem Müllereiunternehmen werde ich mich entlasten, damit ich meine Aufgabe als Ständerat wirkungsvoll wahrnehmen kann. Mit unserem Betriebsleiter und allen Mitarbeitenden sind wir da sehr gut aufgestellt.

Thierry Burkart: Dass ich nächstes Jahr das TCS-Präsidium abgebe, ist ja schon bekannt. Ich überprüfe jetzt aber meine Mandate, eventuell werde ich mich noch da und dort entlasten.

Sie kennen die meisten Themen vom Nationalrat her. Trotzdem: Reicht die Zeit, sich bis Sessionsbeginn am 2. Dezember einzulesen?

Thierry Burkart: Es gibt ein ungeschriebenes Gesetz, wonach man als neuer Ständerat in der ersten Session nichts sagt. Ich werde mich eisern daran halten. Das gibt mir auch Zeit, mich besser einzulesen. Denn es gibt Dossiers, in denen der Ständerat Erstrat ist.

Hansjörg Knecht: Es ist eine parlamentarische Initiative von mir traktandiert, die von der Kommission abgelehnt wird. Da muss ich antreten, ich kann mich also nicht an dieses ungeschriebene Gesetz halten.

Herr Knecht, Sie kommen als Zurzibieter aus einer Randregion. Politisieren Sie anders als jemand aus einer städtischen Gegend?

Hansjörg Knecht: Zum letzten Mal war vor 25 Jahren mit Hansjörg Huber (CVP) eine Zurzibieter im Ständerat. Dass es jetzt wieder gelingt, ist umso bemerkenswerter, als der Bezirk Zurzach einwohnermässig klein ist. Es ist aber gut, dass auch die Landbevölkerung im Ständerat vertreten ist. Ich kenne ihre Anliegen gut bezüglich Infrastruktur, bessere Verkehrsanbindung und vieles mehr.

Thierry Burkart: Ich politisiere sei 20 Jahren mit viel Herzblut für den Aargau. Mein Herz schlägt für unseren ganzen Kanton der Regionen. Einheit in der Vielfalt ist seine grosse Stärke. Meine städtische Herkunft prägte mich aber schon, so politisiere ich in gesellschaftspolitischen Fragen anders als Hansjörg Knecht.

Wenn Ihre fast gleichen Krawatten etwas über ihre Inhalte aussagen, so bestätigen diese: Sie stehen sich politisch sehr nahe.

Thierry Burkart (lacht): Dass zwei bürgerliche Politiker eine grössere gemeinsame Schnittmenge haben, überrascht wohl nicht. Wenn es um Anliegen des Kantons Aargau geht, werden wir kräftig am selben Strang ziehen. In anderen Themen kann es aber – wie vorher schon angetönt – auch anders sein.

Hansjörg Knecht: Das sehe ich genauso. In den drei entscheidenden Themen wie Verkehr, Stromversorgung sowie Forschungs- und Innovationsstandort Aargau packen wir aber gemeinsam an.

In der Aussenpolitik dürfte es mit der ungeteilten Standesstimme im Ringen um das Rahmenabkommen und um die Kündigungsinitiative der SVP aber rasch vorbei sein?

Thierry Burkart: Wir lehnen beide einen EU-Beitritt klar ab. Da sind wir uns uneinig. Beim Rahmenabkommen müssen für mich noch gewichtige Fragen geklärt werden. Die Kündigungsinitiative der SVP lehne ich völlig ab. Der Aargau lebt stark vom Aussenhandel, gerade mit Nachbar Deutschland. Wir brauchen gute Beziehungen zur EU und Rechtssicherheit. Wir brauchen die bilateralen Verträge unbedingt weiterhin.

Hansjörg Knecht: Auch ich finde die bilateralen Verträge und deren Erhalt wichtig. Ich sehe aber zwischen diesen und unserer Begrenzungsinitiative keine Differenz. Mit der Initiative wollen wir nur das übermässige Bevölkerungswachstum aufgrund der Personenfreizügigkeit mit der EU stoppen. Denn wegen ihr stossen wir auch infrastrukturmässig immer mehr an Grenzen.

Thierry Burkart: So einfach ist es doch nicht. Sollte die Initiative angenommen werden, müsste die Schweiz in einem Jahr mit der EU eine andere Lösung aushandeln. Gelingt dies nicht – ich glaube nicht daran – , muss die Schweiz die Personenfreizügigkeit kündigen, womit aufgrund der Guillotineklausel alle Verträge der Bilateralen I wegfallen. Das will ich keinesfalls riskieren.

Hansjörg Knecht: Du sagst es ja selbst, Thierry. Wir haben ein Jahr Zeit, um zu verhandeln. Die EU ist an ihrem wichtigen Handelspartner Schweiz sehr interessiert, und wird es nicht auf ein Scheitern ankommen lassen.

Am Mittwoch der zweiten Sessionswoche wird der Bundesrat neu gewählt. Bekommen wir auf Kosten der FDP eine grüne Bundesrätin?

Hansjörg Knecht: Ich erwarte, dass sich im Bundesrat in der Zusammensetzung am 11. Dezember nichts ändert. Das finde ich auch richtig so. Abwahlen ergeben immer viel Unruhe. Das haben wir mit der Abwahl von Ruth Metzler und Christoph Blocher schon zweimal erlebt. Wir schauen jetzt, ob die Grünen ihren Zuwachs in vier Jahren konsolidieren oder sogar ausbauen können. Wir von der SVP mussten auch lange auf einen zweiten Sitz warten.

Thierry Burkart: Nach den klaren Stellungnahmen von SVP und CVP in dieser Frage erwarte auch ich keine Änderung. Wir müssen auch nicht sofort auf jede Wahl so reagieren. Das gehört auch zur bemerkenswerten Stabilität unseres Systems.

Sie politisieren beide rechtsbürgerlich. Von links wird Ihnen vorgehalten, ihr Teil des Aargaus sei im Ständerat nicht mehr vertreten.

Thierry Burkart: Gewiss politisieren wir beide klar bürgerlich. Doch wenn es um Anliegen des Kantons Aargau geht, kenne ich kein Parteibüchlein. Dann stehen für mich der Kanton Aargau und all seine Menschen zuvorderst.

Hansjörg Knecht: Auch für mich sind die Anliegen der Bevölkerung erstrangig. In der Aargauer Ständeratsvertretung hatten wir in den letzten Jahren immer wieder wechselnde Zusammensetzungen. Vier Jahre lang vertrat uns auch eine Mittel-Links-Delegation mit Christine Egerszegi (FDP) und Pascale Bruderer (SP). Auch sie beide haben es gut gemacht.

Aus dem was Sie sagen, geht schon hervor, welche Dossiers Sie als Ständeräte am liebsten betreuen möchten. Also Verkehr und Energie?

Thierry Burkart: Bei uns wird erst jetzt, da alle Ständeratsmandate der Kantone geklärt sind, festgelegt, wer in welchen Kommissionen sein darf. Ohne vorgreifen zu wollen, ist augenscheinlich, dass mich Verkehrsfragen und die Sicherheitspolitische Kommission sehr interessieren, und ich gern dort mitarbeiten würde.

Hansjörg Knecht: Auch bei uns wird das unter den Ständeräten erst festgelegt. Auch ohne vorgreifen zu wollen, gehe ich davon aus, dass ich an entsprechender Stelle weiterhin in Energiefragen mitreden kann. Mich interessieren aber auch sehr Verkehrsfragen und zusätzlich die Wirtschaftskommission WAK.

Thierry Burkart: Eins ist anzufügen. Gewiss kennen Hansjörg Knecht und ich Bundesbern schon als Nationalräte und wissen, wie es funktioniert. Im Ständerat gilt aber die Anciennität sehr viel. So gesehen wir dort nur Neulinge.

Die Wahl erfolgte zeitlich sehr knapp. Reicht es überhaupt für Ihre Vereidigung schon am ersten Tag der Wintersession am 2. Dezember?

Die Staatskanzlei publiziert das Wahlergebnis am Dienstag. Dann gelten drei Tage Einsprachefrist. Wenn es keine gibt, sollte es genau reichen.