Neuer Gerichtspräsident: «Die Autobahn A1 ist Quelle vieler Gerichtsfälle»

Des Morgens schwingt sich Florian Lüthy aufs Velo und radelt von Kölliken über den Hügel nach Aarau zum Verwaltungsgericht. Der 37-jährige Jurist arbeitet dort als Gerichtsschreiber. Doch seine Schreiber-Tage sind gezählt. Ab dem 1. Juli sitzt er selbst im Richtersessel, als einer von vier Gerichtspräsidenten am Bezirksgericht Zofingen. Anfang Oktober wurde er in stiller Wahl gewählt. Die FDP war die einzige Partei, die einen Kandidaten gestellt hatte. Was nicht heisst, dass Lüthy keine Konkurrenz hatte: «Ausser mir hatten sich FDP-intern noch andere Kandidaten beworben. Jeder von uns hatte mit Parteivertretern ein Vorstellungsgespräch», sagt Lüthy. Was liess ihn hervorstechen? Er zuckt bescheiden die Schulter.

Überhaupt wirkt er so zurückhaltend und freundlich, dass es schwerfällt, sich vorzustellen, wie er einen Beschuldigten zurechtweist. Fremd ist ihm das jedoch nicht. Seit ein paar Monaten ist er auch nebenamtlicher Oberrichter am Aargauer Versicherungsgericht. Während fünf Jahren Gerichtsarbeit ist der Berufswunsch Richter herangereift. Um für den Richterposten gerüstet zu sein, hat er an der Uni Luzern den zweijährigen Zertifikatslehrgang «CAS Judikative» absolviert. Weiss er schon, welche Fälle ihn im Bezirk Zofingen erwarten? «Gewiss ist die A1 eine Quelle vieler Gerichtsfälle», sagt er. Seien es Autobahnraser oder angetrunkene Fahrer. Schon als er sein Anwaltspraktikum am Bezirksgericht Lenzburg machte, war die Autobahn im Tagesgeschäft omnipräsent. Welches Rechtsgebiet ihm zugeteilt wird, weiss Lüthy noch nicht. «Der Neue nimmt, was man ihm gibt», sagt er und schmunzelt. Offen sei er aber für alles.

Und wie steht der neue Richter zu eigenmächtigen Aktionen wie jene des Richters im jüngsten «Carlos»-Prozess, der den Beschuldigten im Gefängnis einvernahm, weil dieser nicht zur Verhandlung kam? «In einem aussergewöhnlichen Fall muss man aussergewöhnliche Massnahmen ergreifen», sagt Lüthy. Glücklicherweise müsse sich ein Richter kaum für oder gegen solch einen Schritt entscheiden, denn solche Situationen kämen äusserst selten vor.

Ab Juli wird er vier Tage die Woche am Zofinger Bezirksgericht und einen mit Sohn Jonas verbringen. Sein zweijähriger Sohn hat die junge Familie von Aarau zurück in Lüthys Heimatdorf Kölliken ziehen lassen. Dort war er lange Jahre Stürmer für den FC Kölliken und dort hat die Familie Lüthy seit Generationen ein Innendekorationsgeschäft, das inzwischen sein Bruder führt. Als Kind hat der spätere Jurist dem Vater geholfen, von alten Möbeln den Stoff abzutrennen. «Als Kind von Handwerkern habe ich eine eher ungewöhnliche Laufbahn eingeschlagen», sagt er. Als Kanti-Schüler habe er gründlich überlegt, wohin sein Weg führen solle. Ins Familienmetier zog es ihn nicht. Schliesslich schrieb er sich für Jura an der Uni Luzern ein. Und hat es nie bereut.

Er hilft Jugendlichen bei der Lehrstellensuche

Heute sitzt er wöchentlich einem Jugendlichen gegenüber. Nicht, weil der oder die etwas verbockt hätte, sondern, um als Freiwilliger für den Beratungsdienst ask bei der Lehrstellensuche zu helfen. Keine einfache Aufgabe, wenn der Teenager frustriert, weil mit der Bewerbung schon oft abgeblitzt ist und sich eigentlich lieber mit seinen Freunden treffen will. «Wenn Jugendliche keine Lehrstelle finden oder noch nicht herausgefunden haben, welcher Beruf ihren Interessen entspricht, bringt das auch für Lehrbetriebe Schwierigkeiten», sagt Lüthy.

Noch sieben Monate bleiben dem jungen Richter, um sich von Aarau abzulösen und mit Zofingen vertraut zu machen. Fremd ist ihm der neue Arbeitsort nicht. Nicht nur von Fussballmatches kennt er die Stadt, er ging dort auch in die Kantonsschule. Das Velo wird er für den neuen Arbeitsweg zu Hause lassen. «Die Route von Kölliken über Safenwil nach Zofingen ist dann doch etwas zu lange.»

Während Lüthy in stiller Wahl gewählt wurde, steht für die Wahl eines neuen Laienrichters oder einer neuen Laienrichterin am 24. November ein Urnengang an (siehe dazu Artikel unten).