
Manfred Bötsch: «Die Ölpalme ist ressourcenschonend»
In Shampoos, Glace, Schokolade, Fertiggerichten, Waschmittel oder Lippenstift steckt Palmöl. Es ist das am häufigsten verwendete Pflanzenöl in der Lebensmittelherstellung und in 15 bis 20 Prozent der Produkte der Grossverteiler enthalten. Doch Palmöl hat einen schlechten Ruf, weil viele der Plantagen da stehen, wo früher Regenwald war. Dennoch boomt die Produktion. In den 1970er Jahren wurden 4 Millionen Tonnen produziert, letztes Jahr waren es schon 74 Millionen Tonnen auf einer Fläche, die mehr als halb so gross ist wie Deutschland. Welche Alternativen es gibt und weshalb Ersatzprodukte nicht ökologischer sind, erklärt Manfred Bötsch. Der Agronom, Jurist und frühere Direktor des Bundesamts für Landwirtschaft beleuchtet morgen Abend in Zofingen die Vor- und Nachteile des Palmöls.
Palmöl steht in der Kritik, weil für die Plantagen grossflächig Regenwald weichen muss und es zu Enteignungen kommt. Das Palmöl ist auch im Freihandelsabkommen mit Malaysia ein umstrittener Punkt. Wie stehen Sie zum Palmöl?
Manfred Bötsch: In der Tat wird namentlich in Indonesien und Malaysia der Palmölanbau oft ohne Rücksicht auf Menschen oder Umwelt betrieben. Die Ölpalme ist aber agronomisch eine sehr interessante Kultur für den tropischen Raum, wenn sie richtig angebaut wird. Sie braucht für die gleiche Menge Öl etwa fünfmal weniger Land oder dreimal weniger Wasser als die Kokospalme. Die Ölpalme ist vergleichsweise ressourcenschonend. Folgerichtig ist daher nicht Palmöl zu kritisieren, sondern jene Produzenten, die rücksichtlos produzieren.
Gibts eine Gegenbewegung?
Fortschrittliche Produzenten, Verarbeiter und Umweltorganisationen, wie der WWF, haben einen Anbaustandard namens RSPO (Roundtable on Sustainable Palm Oil) für Palmöl festgelegt. Dieser verlangt Mindestanforderungen hinsichtlich sozialer und ökologischer Kriterien ein und kontrolliert sie. Dieser Standard wird alle fünf Jahre überprüft und sinnvoll weiter verbessert. Die grossen Detailhändler in der Schweiz verlangen von allen ihren Lieferanten, falls es Palmöl in den Produkten hat, dass es mindestens diesen Standard oder höhere wie RSPO+ oder POIG (Palm Oil Innovation Group) erfüllt. Die Lieferanten müssen den entsprechenden Nachweis mit Zertifikaten erbringen können.
Der Importpreis von Palmöl liegt bei 90 Rappen pro Kilo. Mit der Besteuerung bei 2.12 Franken. Profitiert die lokale Bevölkerung so überhaupt noch?
Palmöl ist relativ günstig, da es eine effiziente Kultur ist und ganzjährig geerntet werden kann. Stammt das Öl von Plantagen, die den RSPO-Standard oder weitergehende wie RSPO+ erfüllen, dann kann berechtigterweise angenommen werden, dass die Arbeiter korrekt behandelt werden.
Wo denn konkret?
Ich konnte etwa in Kambodscha feststellen, dass die Arbeiter nicht nur Verträge und anständige Löhne hatten, es wurde auch für Schulen und Wohnungen gesorgt. Und jede Familie hatte Anrecht auf Land für den Gemüseanbau. Es gibt glücklicherweise auf dieser Welt nicht nur Halsabschneider. Und was für mich auch wichtig ist: In diesen ländlichen Regionen gibt es fast keine alternativen Arbeitsmöglichkeiten. Insofern wäre ein Boykott von Palmöl für diese Leute keine Hilfe, sondern würde die meisten arbeitslos machen. Wer helfen will, sollte für gute Anbaustandards sorgen und nicht Palmöl boykottieren.
In Europa wird eine Palette an Pflanzenölen angebaut. Weshalb setzt die Industrie nicht vermehrt auf Lein-, Oliven-, Maiskeim-, Raps- oder Sonnenblumenöl?
Einem Ersatz sind Grenzen gesetzt. Wie wir aus eigener Erfahrung wissen: Öl ist nicht Öl. Jedes Öl hat seine spezifischen Eigenschaften. Das Palmöl hat viele gesättigte Ölsäuren, was technologisch den Vorteil hat, dass es bei Raumtemperatur fest ist und relativ neutral schmeckt. Es wird an der Luft auch nicht so schnell ranzig wie andere pflanzliche Öle. In früheren Jahren hat man deshalb die pflanzlichen Öle aus unseren Breitengraden, wie Raps- oder Sonnenblumenöl, in einem chemischen Prozess gehärtet, so wurden sie auch fest. Dieser Prozess führt aber zu gesundheitlich problematischen Nebenprodukten. Deshalb unterlässt man dies heute. Daher kann man die Öle nicht einfach beliebig austauschen.
Die Industrie jubelt uns überall Palmöl unter, weil es billig und einfach zu verarbeiten ist. Wie kann der Konsument Palmöl-Produkte meiden?
Palmöl muss in der Zutatenliste explizit deklariert werden. Wir sind also informiert. Der Konsument kann deshalb seine Wahl treffen. Dabei ist es gut zu wissen, dass bei vergleichbaren Anbaumethoden die Ökobilanz von Pflanzenölen aus unseren Breitengraden nicht besser ist jene von Palmöl. Darum setzt sich ein WWF ja auch nicht für einen Boykott ein, sondern für bessere Produktionsmethoden.
Experten warnen vor den Gesundheitsgefahren durch Palmöl. In der Diskussion um Zivilisationskrankheiten wie Herz-Kreislauf-Probleme warnen Forscher in einer WHO-Publikation vor übermässigem Konsum von Palmöl.
Das Schlüsselwort ist übermässig – denn generell sollten wir Fette oder Öle mit vielen gesättigte Fettsäuren massvoll konsumieren. Nebst Palmöl haben auch tierische Fette oder Kokosfett viele gesättigte Fettsäuren, die es ebenfalls mit Mass zu konsumieren gilt. Wäre der Verzehr von Palmöl so schlimm, wie einige behaupten, hätten unsere Gesundheitsbehörden schon längst reagiert. Übrigens Palmöl erlebte bei uns den grossen Boom, als die tierischen Fette, wie Schweineschmalz und Rindertalg im Zusammenhang mit der BSE-Krise verpönt und aus den Rezepturen gestrichen wurden. Hätte man damals nicht übertrieben reagiert, müsste man sich heute auch nicht so über Palmöl aufregen. Ausgewogen und massvoll ist die Lösung beim Essen.
«Palmöl – überall drin und trotzdem verteufelt»
Referat morgen Dienstag, 19.30 Uhr, Stadtbibliothek, Hintere Hauptgasse 20, Zofingen. Anmeldung erbeten per Mail an Volkshochschule Zofingen info@vhs-zofingen.ch oder via Website unter der Adresse www.vhsag.ch/zofingen