Rüebliland, Rüeblitorte, Rüeblimärt – die Aargauer sind verrückt nach dem Gewächs

Susanne Vögeli im Koch-Experimentierstudio «Raum acht» in Aarau. Susanne Vögeli hat vor 24 Jahren die Aarauer Kochschule Cookuk gegründet, das
Susanne Vögeli im Koch-Experimentierstudio «Raum acht» in Aarau. Susanne Vögeli hat vor 24 Jahren die Aarauer Kochschule Cookuk gegründet, das

Das Rüebli. Das Aargauer Kantonsheiligtum. Kommenden Mittwoch rollen ihm die Aarauer den Teppich aus, es ist Rüeblimärt. In allen Variationen wird das Rüebli auf den Tischen der Gemüsehändler liegen, von Farben von Weiss bis Purpur, von pfeifengerade bis verschlungen-knorrig, schlank bis knollig, mit Kraut und ohne, verwurstet, geraffelt, püriert, gebacken und eingekocht; der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Genauso wenig wie der Liebe zum Rüebli: Seit Jahrzehnten essen Herr und Frau Schweizer kein Gemüse lieber als das Rüebli. Achteinhalb Kilogramm waren es 2018 pro Person, so die Statistik der Schweizerischen Zentralstelle für Gemüsebau und Spezialkulturen. Und die Schweizer sind mit ihrer Vorliebe nicht allein.

Seit 4500 Jahren werden Rübeli gegessen

Rüebli gibt es überall auf der Welt, jede Küche kennt es, wachsen tut es überall, und das seit einer Ewigkeit. Wobei: Die ältesten gefundenen Rüebli-Samen sind rund 4500 Jahre alt, entdeckt wurden sie bei Pfahlbauten und prähistorischen Siedlungsplätzen in der Schweiz.

Obwohl das Rüebli bereits seit über 4500 Jahren gegessen wird; ohne geht es nicht und wird es auch künftig nicht gehen. «Der Stellenwert des Rüeblis ist einmalig», sagt auch Susanne Vögeli. 25 Jahre lang hat sie das Aarauer Kochstudio Cookuk geführt, 2015 hat sie gemeinsam mit Partner Max Rigendinger das Fülscher-Kochbuch neu aufgelegt und seit 2018 forscht und kocht sie in ihrem Atelier «Raum Acht» an der Bahnhofstrasse in vielfältigen Themen der Kochkultur.

«Das Rüebli passt sich allen Entwicklungen an»

«Das Rüebli hat in den Jahrhunderten jede Entwicklung der Essgewohnheiten und des Klimas problemlos mitgemacht», sagt Susanne Vögeli. Nicht nur Jahrzehnte, in denen Armut und Hunger herrschten, sondern beispielsweise auch die Industrialisierung des Essens, das Einmachen in Konservendosen.

Und auch heute, da nebst dem Trend der schnellen Verpflegung auch die Langsamkeit wiederentdeckt wird, ist das Rüebli ganz vorne mit dabei. «Es ist ein Alleskönner: Es kann gekocht oder roh als Snack gegessen werden, hat eine leichte Süsse, saftet nicht, hat eine ansprechende Farbe, ist lagerfähig und vitaminreich», sagt Susanne Vögeli. Und sie geht noch weiter: «Früher war Gemüse bloss Beilage. Heute ist Gemüse der Hauptdarsteller. Das wird noch zunehmen.»

Ein Rüebli ist nicht nur gesund, weil es kaum Kalorien hat. Es ist auch das Gemüse mit dem höchsten Carotingehalt. «Mehr Carotin haben nur Lebertran und Rindsleber», sagt Susanne Vögeli und lacht. «Da beisst doch jedes Kind lieber in ein Rüebli.»

Und doch kommt dem Rüebli das Gesundeste meist abhanden. Und zwar beim Schälen. «Das Kostbarste befindet sich in der Randschicht, deshalb sollte man die Rüebli bloss mit einer Gemüsebürste waschen und keinesfalls schälen.»

Finger weg von der heiligen Rüeblitorte

Das Aargauer Rüeblirezept schlechthin ist die Rüeblitorte. Eines der ältesten gedruckten Rezepte findet sich in einer Sammlung der Haushaltungsschule Kaiseraugst aus dem Jahr 1892. Die Grundzutaten sind auch weit über 100 Jahre später die gleichen: Rüebli, gemahlene Mandeln oder Nüsse, Eier, Mehl, Salz, Zitronensaft – und Puderzucker, für eine dicke Schicht Zuckerguss. So steht es auch im Rezept von Elisabeth Fülscher aus den Sechzigerjahren.

«Die Rüeblitorte kombiniert Rüebli mit fetthaltigen Nüssen. Das macht es zu einem guten, gehaltvollen Gebäck, weil das Fett dem Körper hilft, das Carotin aufzunehmen», sagt Susanne Vögeli. Im überarbeiteten Rezept hat sie aber die Extra-Portion Zucker für den Guss weggelassen. Der Gesundheit wegen. «Wir verbrauchen nicht mehr die gleiche Energie wie in den Sechzigerjahren, als noch vermehrt körperlich gearbeitet wurde.»

Doch da hatte Susanne Vögeli die Rechnung nicht mit den traditionsbewussten Rüeblitorten-Liebhabern gemacht. Eine Rüeblitorte ohne Zuckerguss – das komme überhaupt nicht infrage, so die Reaktionen. Susanne Vögeli nimmt es mit Humor. «Die Rüeblitorte ist Aargauer Heiligtum; daran darf man nicht rütteln.»

Kawotaise Kawotaise - Rüeblipatée © Susanne Vögeli
Kawotaise Kawotaise – Rüeblipatée © Susanne Vögeli

Das Lieblings-Rüebli-Rezept von Susanne Vögeli

Kawotaise

Patée von Karotten für 4 Personen

500g               Karotten, mit einer Gemüsebürste gereinig

150g               Süsskartoffeln , geschält

8                    Kardamomkapseln, Samen aus den Hülsen gelöst

3                    Zweige Thymian

1TL                Zitronenschale, fein abgerieben

1TL                Orangenschale, fein abgerieben

2Msp.             Chili-Flocken

¼TL               Salz

2-3EL             Zitronensaft

2EL                Orangensaft

1EL                Olivenöl

1|                 Karotten und Süsskartoffel in 1-2cm Stücke schneiden. Im Steamer oder in einem Sieb zugedeckt auf einer Pfanne mit siedendem Wasser sehr weich dämpfen.

2|                   Karotten- und Kartoffelstücke ohne Flüssigkeit auf einen Teller geben und mit Hilfe einer Gabel zu einer Paste zerdrücken.

3|                   Kardamomsamen, Thymian, Zitronen-, Orangenschale, Chili und Salz dazumischen.

4|                   Saft und Oel zur Paste mischen. Je nach Feuchtigkeit der Kartoffel-Karotten Mischung braucht es etwas mehr oder weniger Saft. Die Karottenpatée mit Salz, Chili und Zitrone abschmecken.

5|                   Die Karottenpatée passt zu geröstetem Brot, Fladenbrot oder wird als kleine Mahlzeit mit Linsens oder Reis serviert.