«Mensch Mozart»: Seifenoper mit Schokosplittern

Noch drei Aufführungen

Von den sechs Aufführungen der IG Opera finden noch drei im «Palass» in Zofingen statt, am: Freitag, 1. November, 20 Uhr (nur wenige freie Plätze); Samstag, 2. November, 20 Uhr, Sonntag, 3. November, 17 Uhr. Bar und Kasse öffnen eine Stunde vor Beginn. Tickets gibt es online www.igopera.ch oder im Stadtbüro Zofingen, Telefon 062 745 71 72.

«Mein Name ist Mozart, Wolfgang Amadeus. Und wer seid ihr?» «Der Chor». «Geht es nicht noch etwas kompakter?» Der Komponist (Jeroen Engelsmann) ist ganz und gar Musikus und Dirigent. Von den schwarz gekleideten Frauen und Männern des Laienchors der IG Opera will er Gleichklang hören. Der Freigeist macht gleich den Conférencier seiner eigenen Seifenoper. Mit sich führt er seine «liebreizende» Constanze (Madeline Engelsmann) und als weiteren Sidekick den Herrn von Bariton (Jonathan Prelicz), einen Experten für Mozartfragen.

Ein Mozart fern jeglicher Idealisierungen

Nicht lange und es knackt und kracht auf der Bühne im Zofinger «Palass». Mozart und seine Constanze beissen zum im zarten Alter von fünf Jahren komponierten Klavierstück «Das Butterbrot» herzhaft ins Knäckebrot. Die Nebengeräusche sind Sinnbild für das neckisch unangepasste und bisweilen reichlich schamlose Wesen der Hauptfigur. Dass das Orchester unkonventionell mit einem Akkordeon statt eines Klaviers bestückt ist, fügt sich nahtlos ins Bild ein. Als Fremdkörper wirkt dieses später erfundene Instrument überraschenderweise zu keiner Sekunde.

Kleine Eifersüchteleien zwischen Mozart und Constanze geben der Seifenoper ihre Schmiere. Da sie die Duette allesamt mit dem Bariton von Schwyz singt und es immer wieder ziemlich knistert, mag man Mozart so manches nachfühlen. Allerdings ist dieser stets selber hinter Weiberröcken her und misst beispielsweise Ursula Hächler am Violoncello den Wadenumfang. Weil die Frauen zu Mozart Lebzeit (1756–91) zwar Röcke trugen, aber keine Unterwäsche, war das damals eben beliebt.

Man erfährt so einiges zu Mozart und seiner Zeit in diesen rund 100 Minuten. Und sei es nur, dass der abendlichen Komödie durchaus eine morgendliche Enthauptung vorausgehen konnte. Mozarts Leidenschaft für Rätsel kommt ebenso zur Sprache wie dessen Vorliebe für Fäkalsprache und Obszönitäten. Librettist Kurt Palm schwört da jeglicher schöngeistiger Verklärung Mozarts ab.

Eine Vielzahl musikalischer Perlen

Die Hauptrolle spielt an diesem Abend allerdings die Musik: Eine Perle aus den Mozartopern reiht sich an die andere. Die Auszüge aus Don Giovanni sind illustrativ für Mozarts eigene Allüren. Zerlina und Masetto heiraten begleitet vom Chor. Leporello besingt das Sündenregister des Don Giovanni. Und derselbe fährt zur Strafe für seine Taten zu guter Letzt zur Hölle. Das ist musikalisch und gesanglich erfrischend dargestellt. Nicht minder sind es die Chorstücke, die vom Kanon «Bona Nox» über den «Janitscharenchor» aus der «Die Entführung aus dem Serail» bis hin zu «Giovani liete fior spargete» aus «Le nozze di Figaro» reichen. Konstanze und der Bariton von Schweiz lassen derweil unter eifersüchtiger Beobachtung des Mozartkugeln schnabulierenden Komponisten zahlreiche Duette aus verschiedenen seiner Opern erklingen.

Das alles wäre stimmig, wenn das gute Wolfgangerl es nicht stets zu weit treiben würde. Hat ihm der Chor anfangs noch zu Gefallen sein wollen, zeigt es ihm nun den Stinkefinger. Die Laiensängerinnen und -sänger heben zum Kanon «Leck mich im Arsch» an, schlagen die Tür hinter sich zu und singen das deftige Stück draussen im Foyer munter weiter. Alles kann sich auch ein Mozart nicht erlauben.

Der IG Opera gelingt mit «Mensch Mozart» eine musikalisch solide bis in vielen Momenten sehr gelungene Darbietung. Das Orchester mit Helene Feichtl (Violine), Ursula Hächler (Violoncello), Marc Bätscher (Klarinette, Bassetthorn und Yvonne Glur (Akkordeon) überzeugt. Sicher und souverän führt es Chor und Solisten durch die in ihrer Tonalität höchst unterschiedlichen Mozartschen Musiksplitter. Leider hängt die Rahmenhandlung manchmal im leeren Raum zwischen Wissensvermittlung und dünner Seifenoper-Handlung. Weil die Arien und Duette zu lose mit der Befindlichkeit der Figuren verknüpft sind , fehlt es an Geschlossenheit. Man fühlt sich eher in eine Revue versetzt.

Nichtsdestotrotz bietet die IG Opera mit «Mensch Mozart» einen vergnüglichen Abend voller gelungener musikalischer Momente. Die Oper überrascht durch einige mutige Einfälle und Tabubrüche. Das passt durchaus zu diesem so unkonventionellen Komponisten, dessen biografischen Dissonanzen nur schwer mit seiner Musik in Harmonie zu bringen sind.